Maaßen bringt sich ins Gespräch: Lizenz zum Raunen
Der Ex-Verfassungsschutz-Chef spekuliert über eine Koalition von Union und AfD. Damit setzt er die Parteiführung unter Zugzwang.
Der Mann hat einen Hang zum Raunen. Das passt zwar nicht so recht zu Hans Georg Maaßens Selbstbeschreibung als ein Klartext-Mann, der mutig ausspreche, was andere sich nicht zu sagen trauten. Doch wenn es ernst wird, wählt der frühere Verfassungsschutzchef gerne das Vage. Seine Ambitionen auf eine zweite Karriere in der Politik? „Ich schließe nichts aus.“ Womöglich in Sachsen? „Schauen wir mal.“ Das verpflichtet zu nichts und erzeugt trotzdem zuverlässig Schlagzeilen: „Maaßen denkt über Einstieg in die Politik nach.“
Ob er das wirklich tut oder bloß damit kokettiert, weiß der 56-Jährige allein. Mutmaßungen, er werde zur AfD wechseln, hat das CDU-Mitglied immer widersprochen. Politisch mag er nicht als „konservativ“ bezeichnet werden, sondern als „nüchterner Realist“. Klar ist nur, dass seine Fangemeinde ihn fast noch lieber in einem Spitzenamt sähe als ihren Favoriten Friedrich Merz. Maaßen, oft im Gespann mit dem Polizeigewerkschafter Rainer Wendt unterwegs, ist nach seinem Hinauswurf zum Helden der Angela-Merkel-Hasser geworden.
Man kann auch sagen: wegen des Hinauswurfs. Dass der Verfassungsschutzchef in der SPD „linksradikale Kräfte“ am Werke sah und vor europäischen Kollegen der eigenen Regierung „Falschinformation“ über die Vorgänge bei Demonstrationen in Chemnitz vorwarf, quittieren seine neuen Freunde mit verständnisvollem Zwinkern. Die Werteunion, ein Verein konservativer CDU-Ultras, lud ihr prominentestes Mitglied gerade erst wieder zur Jahresversammlung ein – als einen der „Fachleute mit Rückgrat“.
Im schwäbischen Filderstadt war übrigens CDU-Landeschef Thomas Strobl als Gastredner-Trophäe eingeplant. Doch der CDU-Bundesvize sagte kurzfristig ab: Die Truppe habe sich nur mit „selbstzerstörerischen Selbstbeschäftigungsprozessen“ rund um das CDU-Spitzenpersonal befasst. Das tut sie allerdings gewohnheitsmäßig. Die Mutmaßung seiner Gastgeber, Strobl sei dieses Licht erst nach eindringlicher Beratung durch andere CDU-Spitzenleute aufgegangen, ist deshalb nicht ganz abwegig.
Maaßen sprang mit einer Videobotschaft ein. Sein jüngster Aufschlag ging allerdings selbst seinen Freunden zu weit. Wieder war es ein Raunen. Maaßen sprach im Deutschlandfunk über seine geplanten Auftritte für die Werteunion in den Landtagswahlkämpfen in Ostdeutschland. In der aktuellen Situation werde die CDU eine Koalition mit der AfD wohl ausschließen, sagte er – nur um hinzuzufügen: „...aber man weiß ja nie.“
Widerspruch aus der Union
Das mochte selbst der Mann nicht mehr unkommentiert lassen, der dem Karrierebeamten bis zuletzt die Stange gehalten hatte. „Mit rechts außen gibt es keine Zusammenarbeit und keine Koalition“, ließ Horst Seehofer wissen. Und der Bundesinnenminister und frühere CSU-Chef fügte in der „Süddeutschen Zeitung“ am Montag seinerseits einen Halbsatz an, allerdings einen klaren: „...das gilt heute und morgen.“ In der Union hätten auch demokratische Rechte, also Nationalkonservative, einen Platz; bei der AfD sehe er die rote Linie überschritten.
Sogar Maaßens politische Kleinfamilie ging dezent auf Distanz. „Die #Werteunion ist europafreundlich, wirtschaftsliberal und dem christlichen Menschenbild verpflichtet. Alleine deshalb kommt für uns eine Koalition der #CDU #CSU mit der #AfD genauso wenig infrage wie mit der umbenannten #SED #Linke“, twitterte der Vorsitzende Alexander Mitsch. Den Anlass für die Klarstellung ließ er weg. Maaßen zitierte sie kommentarlos im eigenen Twitter-Account.
Seinem Status als rechtsbürgerlicher Hoffnungsträger wird das alles kaum schaden, schon weil er auf seinem Feld konkurrenzlos ist. Rausgerutscht ist ihm der Halbsatz aber nicht. Wenn es ganz ernst wird, weiß er nämlich abzuwimmeln. Als der Deutschlandfunk-Redakteur fragte, ob er eine Zukunft als Politiker ausschließe, bekam der Mann zu hören: „Ich kann auch nicht ausschließen, dass ich in der nächsten Minute von einem Meteoriten getroffen werde!“