Kampf um den CDU-Vorsitz: Wie halten es Merz, AKK und Spahn mit Trump, Putin und Xi?
Die drei Bewerber um den CDU-Vorsitz diskutieren viele Themen. Doch zu schemenhaft bleibt, wie sie die Rolle Deutschlands in der Welt sehen. Ein Kommentar.
Die größte Partei des Landes diskutiert, welche Person den Vorsitz übernehmen soll – und demnächst Deutschland regieren könnte. Derweil verschieben sich rund um den Globus die internationalen Koordinaten. Das Ordnungssystem droht auseinanderzubrechen: das System, das der Bundesrepublik den Aufstieg zur viertstärksten Volkswirtschaft der Erde erlaubt hat; auf dem sein ökonomischer Erfolg, die Exportstärke und der Sozialstaat beruhen. Demokratie und Rechtsstaat sind vielerorts auf dem Rückzug. Wo man hinschaut, werden die Umgangsformen autoritärer: USA, China, Russland, Türkei, Brasilien. Diskutieren die Union, die Bürger und Medien das Anforderungsprofil, das sich aus diesem traurigen Befund ergibt?
Die Frage, wie Deutschland seine internationalen Erfolgsgrundlagen für die Zukunft sichern kann, kam bei den acht Regionalkonferenzen nur am Rande vor. Ausführlich redeten Bewerber und Parteimitglieder über die Pflege und die Rente, die Lehren aus der Migrationskrise und die Abgrenzung von Populisten, drohende Dieselfahrverbote und den Ausstieg aus der Kohle. Auch der Umgang mit dem Asylrecht und dem Islam kamen zur Sprache – freilich mehr als innenpolitische Aufgabe, nicht als Herausforderung für die Außen- und Sicherheitspolitik. Dies geschah zudem auf eine Weise, als komme das Geld für die staatlichen Ausgabenprogramme aus der Steckdose und müsse nicht erst verdient werden, ehe die Regierung es verteilen kann.
Unklar, was sie über die Rolle Deutschlands in der Welt denken
Bisher ist nur schemenhaft erkennbar, was Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn über Deutschlands Rolle in Europa und in der Welt denken. Was wollen sie anders machen als Angela Merkel, wo wollen sie deren Kurs fortsetzen? Man wüsste gerne ganz plastisch, wie jede(r) von ihnen deutsche und europäische Interessen im Weißen Haus bei Donald Trump verteidigen würde. Wo sie gemeinsame Sache mit Emmanuel Macron machen, wo sie ihn eher bremsen und wie sie die EU handlungsfähiger machen wollen. Wie sie Chinas Präsident Xi Jinping dazu bringen möchten, die Regeln einer fairen Handelsordnung zu respektieren, und ob sie Trumps Analyse teilen, dass die USA und die EU nachdrücklicher für ihre Belange eintreten müssen.
Wie würden sie reagieren, wenn sie zu Gast bei Wladimir Putin im Kreml sind und der sie mit Psychotricks einzuschüchtern versucht, indem er zum Beispiel seinen Hund auf sie loslässt wie weiland auf Angela Merkel? Wer von ihnen würde sich nach dem Verschwinden des saudischen Journalisten Khashoggi mit Kronprinz Mohammed bin Salman treffen, wer nicht – und warum?
Die Regionalkonferenzen bilden ab, wie wenig die Gesellschaft verinnerlicht hat, dass ihre Zukunft vom globalen Ordnungsrahmen abhängt. Die Deutschen sind nicht ganz von dieser Welt. Sie wollen unbehelligt bleiben von internationalen Konflikten. Doch ihr Land ist keine große Schweiz, kann sich nicht in neutraler Äquidistanz zu den Großmächten einrichten. Beim Wettbewerb um den CDU-Vorsitz darf es nicht darum gehen, wer am nettesten rüberkommt. Sondern: Wer bringt die beste Eignung mit, um deutsche Interessen zu verteidigen und das einflussreichste Land der EU so zu führen, dass Europa vorankommt und die Partner sich nicht über einen ungebetenen Hegemonen beklagen?
Die Frage, was dazu befähigt, ist zuletzt allenfalls verdruckst diskutiert worden. Im Vergleich mit Führungsdebatten in anderen Ländern fällt auf: Merz’ internationale Erfahrung und Kontakte sowie seine Wirtschaftskompetenz werden in Deutschland nicht als eindeutiger Vorteil betrachtet; teilweise werden sie ihm zur Last gelegt. Ein ausdrücklicher Gegenentwurf war ebenso wenig zu erkennen: einer, der Führungsfähigkeit in der neuen Welt-Unordnung anders definiert – etwa in Anlehnung an Merkel und Kramp-Karrenbauer als Mischung aus sozialer Intelligenz, Zähigkeit und strategischer Geduld.
Wäre doch schön, wenn das beim Parteitag in Hamburg zur Sprache käme. Noch ist die Chance nicht vertan.