„Rupplige“ Etatgespräche in der Koalition: Wie finanziert die Ampel das vorzeitige Ende der EEG-Umlage?
Entlasten, investieren - oder beides? Und ohne neue Schulden? In der Bundesregierung wird hart gerungen um die Haushalte für 2022 und 2023.
Es war ein kleiner Festtag für die Unions-Fraktion im Bundestag. Als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Dienstag erklärt hatte, dass die Ampel-Koalition den gerade erst beschlossenen Förderstopp für ein Programm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zur energieeffizienten Gebäudesanierung wieder zurücknimmt, flatterten schnell Pressemitteilungen von fünf Unions-Abgeordneten hinterher – vom klimapolitischen Sprecher bis hinauf zum Fraktionsvize, mit scharfer Kritik und leisem Spott.
Gleich fünf schwarze Finger in der rot-grün-gelben Wunde: Die Union, selbst noch nicht so richtig in der Opposition angekommen, ergriff mit Wucht die Gelegenheit, der Ampel vorzuhalten, dass diese noch nicht richtig im Regieren angekommen sei.
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„Rupplig“ nannte Habeck am Mittwoch die Selbstkorrektur der Koalition. Mindestens so rupplig ist offenbar auch der Findungsprozess von SPD, Grünen und FDP beim Aufstellen der beiden Bundeshaushalte für 2022 und 2023. Da stoßen sich die Wünsche hart im Raum. Auch deswegen wohl gab es am Mittwoch eine informelle Runde der Koalitionsspitzen.
Es geht um den Nebenetat namens EKF
Auf 70 Milliarden Euro addieren sich die Zusatzausgaben, welche die Ressorts bei Christian Lindner (FDP) allein für dieses Jahr angemeldet haben. Der neue Finanzminister staunt. Im Plan aus Groko-Zeiten, noch aufgestellt von Olaf Scholz als Finanzminister, sind Ausgaben in Höhe von 443 Milliarden Euro vorgesehen - gedeckt auch durch eine Neuverschuldung in Höhe von 100 Milliarden Euro.
Besonders hart stoßen sich die Wünsche im Energie- und Klimafonds (EKF). Das ist der Nebenhaushalt, über den vor allem die Klimaschutzinvestitionen der neuen Regierung finanziert werden sollen. Aus dem EKF wird auch das umstrittene KfW-Programm zur Gebäudesanierung bezuschusst.
Die nun zurückgenommene Entscheidung der Ampel, es zu stoppen, hing auch mit der Vielzahl von Anträge zusammen, weshalb neue Projekte im EKF darunter gelitten hätten. Nun schießt die Koalition – nach einem Zuschlag von fünf Milliarden Euro schon im Dezember – nochmals fünf Milliarden zu. Laut Habeck wären ohne die nun beschlossene Deckelung (nur Anträge bis 24. Januar werden berücksichtigt, das Programm lief ursprünglich bis 31.Januar) nochmals sieben bis zehn Milliarden fällig gewesen.
Grüne wollen nicht das Falsche fördern
Zwar hat die Koalition den EKF gerade mit zusätzlichen Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro ausgestattet. Doch sollen mit dem vielen Geld nicht auslaufende Programme finanziert werden, die aus Sicht der Koalition nicht mehr sinnvoll sind. Das KfW-Programm „Effizienzhaus 55“ aber gilt zumindest bei den Grünen nicht mehr als ökologisch, sondern eher als zusätzliche Eigenheimzulage. Ex-Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte im Wahlkampf noch sehr dafür geworben. Mit seiner Entscheidung im Oktober, es auslaufen zu lassen, bewirkte er dann aber die Torschlussflut bei den Anträgen – die laut Habeck wiederum großteils nicht von Häuslebauern kamen, sondern von großen Bauträgern.
Zehn Milliarden Euro im EKF wandern nun also erst einmal nicht in Klimainvestitionen, sondern in die „Überförderung“ eines Auslaufmodells bei der Gebäudesanierung - so die Grünen-Sicht. Aber nicht nur das missfällt der Partei des Vizekanzlers. Auch die Forderung von SPD und FDP, die im Koalitionsvertrag für 2023 vereinbarte Abschaffung der EEG-Umlage ins laufende Jahr vorzuziehen, stößt auf Kritik bei Habeck & Co. Zwar haben die Grünen dem Schritt im Grundsatz zugestimmt. Doch nun kommen Zweifel auf. Denn auch das Ende der Umlage soll laut Koalitionsvertrag über den EKF finanziert werden und würde damit schon in diesem Jahr den Spielraum in dem Fonds schmälern.
Teure Abschaffung der EEG-Umlage
Und damit nicht zuletzt den Spielraum der Grünen. Denn sie vor allem wollen ihre Klimaschutzoffensive über den EKF finanzieren. Jede Senkung der EEG-Umlage um einen Cent, so deren Rechnung, koste fünf Milliarden Euro. Für 2022 wurde sie auf 3,7 Cent festgelegt, deutlich weniger zwar als im Vorjahr, als sie bei 6,5 Cent lag. Dennoch würde eine vorgezogene Abschaffung – Lindner peilt den Sommer an – im Etat 2022 zusätzlich einige Milliarden binden. Auch sonst hat der Finanzminister einige Ideen zur Entlastung von Bürgern und Wirtschaft.
Daher setzen die Grünen eher darauf, in diesem Jahr vor allem mit sozialen Maßnahmen die Wirkung der hohen Energiekosten zu dämpfen. „Der vom Kabinett beschlossene Heizkostenzuschuss, ein Kindersofortzuschlag, die gerechte Aufteilung des CO2-Preises bei den Heizkosten zwischen Mietern und Vermietern sowie die Abschaffung der EEG-Umlage gehören in ein Gesamtpaket für gezielte Entlastungen gegen die fossile Inflation“, sagte der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler dem Tagesspiegel. Aber er fügt hinzu: „Gezielte Entlastungen sind jetzt wichtig, genauso wie eine solide Finanzierung für ein Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen. Wir brauchen beides.“ Die Absenkung der EEG-Umlage sei in der Vergangenheit nicht immer bei den Bürgern angekommen, darauf wolle man jetzt jedoch achten.
Grüne setzen stärker auf Investitionen
Und er betont das Kernanliegen seiner Partei: „Höhere Investitionen für den Klimaschutz und die Transformation müssen jetzt verlässlich und dauerhaft finanziert werden, schon um die teure Abhängigkeit von fossiler Energie weiter zu verringern. Dafür müssen die entsprechenden Ausgaben in den nächsten Etats deutlich erhöht werden.“ Über höhere Investitionen in die klimaneutrale Transformation müssten auch die massiven wirtschaftlichen Schäden der Pandemie ausgeglichen werden.
Ähnlich lautete auch die Begründung, mit der die Koalition die kreditfinanzierte 60-Milliarden-Rücklage im EKF beschloss. Läuft es nun auf eine höhere Neuverschuldung auch für die vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage hinaus? Die Grünen könnten fordern, dass diese nicht aus dem EKF finanziert wird – das war ja nur für ein Ende im Jahr 2023 vereinbart. Lindner aber will keinesfalls über die 100 Milliarden Euro an neuen Schulden hinaus, die jetzt im Etatplan stehen. Größere Abstriche in den Ressortetats aber sind auch nicht zu erwarten.
Doch braucht die Regierung diese neuen Schulden in Gänze für direkte Pandemiemaßnahmen? Dafür sind sie bisher eingestellt. 2020 und 2021 blieb die Groko jeweils deutlich unter der Plansumme bei den neuen Krediten. Das könnte 2022 auch der Fall sein. Dann gäbe es nicht genutzte Kreditermächtigungen, mit denen die Koalition die EEG-Umlage-Aktion finanzieren könnte, ohne den EKF zu belasten. Allerdings kennt man diese Summe erst am Ende des Jahres. Eine Vereinbarung in der Koalition jetzt wäre spekulativ. So wird die Etataufstellung bis zum 9. März – dann soll das Kabinett entscheiden – weiter rupplig bleiben. Die Unionsfraktion könnte noch Gelegenheit bekommen für weitere Salven von Pressemitteilungen.