Preissteigerung wie seit Jahrzehnten nicht mehr: Lindner drängelt beim Inflationsausgleich
Im Januar lag die Inflation bei 4,9 Prozent. Der Finanzminister will Entlastung – über den Strompreis, den Einkommensteuertarif und höhere Steuerpauschalen.
Die Preise stiegen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Am Montag meldete das Statistische Bundesamt, dass die Inflation in Deutschland im Januar 4,9 Prozent betragen habe - im Vergleich zum Vorjahresmonat.
Im Dezember waren es 5,3 Prozent, im Monat davor 5,2 Prozent. Die Jahresinflation 2021 lag bei 3,1 Prozent - was bei Menschen ohne Einkommenserhöhungen einen entsprechenden Kaufkraftverlust bedeutet. Für 2022 erwartet die Bundesbank eine Inflationsrate von 3,6 Prozent, in den beiden folgenden Jahren von jeweils 2,2 Prozent. Das ist alles andere als eine Hyperinflation, aber es sind doch Teuerungsraten, wie es sie in dieser Folge seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hatte.
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Die Debatte um die Inflation ist auch in der Bundesregierung angekommen. Zwar ist unklar, in welchen Größenordnungen sich die Kaufkraftverluste der Bevölkerung in den kommenden Jahren bewegen werden – Preissteigerungen sowie Einkommenszuwächse sind schwer vorherzusagen. Aber offenkundig geht man in der Ampel-Koalition davon aus, dass etwas zu tun ist, um auf die kurzfristigen Inflationsdaten zu reagieren.
Vor allem die FDP drängelt. Finanzminister Christian Lindner hat erkannt, dass Inflationsfurcht ein Anliegen der Freien Demokraten anschieben kann: die Entlastung der Bürger. Seit Tagen schon wirbt er dafür, die Abschaffung der EEG-Umlage vorzuziehen. Die Koalition hat vereinbart, dass der Schritt 2023 vollzogen wird. Lindner fordert, dass das nun schon im Sommer passiert.
Hoher Strompreis belastet
Der Zuschlag auf den Strompreis zur Förderung erneuerbarer Energien ist zwar kein ganz so großer Preistreiber mehr. Im laufenden Jahr beträgt die Umlage nur noch 3,7 Cent je Kilowattstunde, im vorigen Jahr waren es noch 6,5 Cent. Das liegt auch daran, dass schon die schwarz-rote Regierung über einen Zuschuss aus dem Bundesetat die Umlage gesenkt hat – weil mit der neuen CO2-Bepreisung höhere Energiekosten verursacht werden.
„Schnellstmöglich“ soll die EEG-Umlage ganz abgeschafft werden, bekräftigte Lindner am Montag. In „ganz wenigen Wochen“ schon könne er einen Vorschlag vorlegen. Das Problem ist nur: Ganz einig ist man sich in der Koalition offenkundig noch nicht darüber. Denn finanziert werden soll die Abschaffung der Umlage aus dem Energie- und Klimafonds, einem Nebenhaushalt des Bundes, der bisher und auch künftig vor allem Investitionen und Förderprojekte im Klimaschutz anschieben soll. Der EKF wurde gerade erst mit neuen Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro aufgestockt.
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Eine vorgezogene Abschaffung wird eine niedrige zweistellige Milliardensumme schon in diesem Jahr nötig machen. Vor allem die Grünen sehen den EKF als Vehikel für eigene Maßnahmen – in den laufenden Etatverhandlungen für 2022 und 2023 stoßen so Ausgabenwünsche und Entlastungsvorstellungen aufeinander und sorgen für Reibung in der Koalition. Schon mahnt Lindner die Kabinettskollegen, sich „auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren“.
Und Lindner macht Druck. Am Montag nannte er weitere Möglichkeiten für Entlastungen. Zum einen möchte er über den Ausgleich der kalten Progression etwas tun. Das wird für 2022 nicht mehr so ganz einfach sein, weil die Etatplanungen weit fortgeschritten sind. Aber mit dem Haushalt 2023, dessen Eckwerte am 9. März vom Kabinett beschlossen werden sollen, möchte Lindner punkten und die Anpassung des Einkommensteuertarifs an die Inflation großzügig gestalten – dann auch mit einem Rückbezug auf das Jahr 2022. So könnte er zügig einen Inflationsausgleich in Aussicht stellen.
Freibeträge - seit langem nicht angepasst
Lindners dritte Entlastungsperspektive betrifft die steuerlichen Freibeträge und Pauschalen. Da ist er am Montag zwar nicht konkret geworden im Morgenmagazin der ARD. Aber es ist klar, was er gemeint hat. In den Koalitionsvertrag hat die FDP schon eine Erhöhung des Sparerpauschbetrags hineinbugsiert, auf nunmehr 1000 Euro pro Person (oder 2000 Euro bei Zusammenveranlagung von Paaren). Vereinbart, aber nicht beschlossen ist auch ein höherer Ausbildungsfreibetrag von 1200 Euro – die erste Erhöhung seit 2001.
Aber es gibt noch andere Möglichkeiten. Der Bund der Steuerzahler weist darauf hin, dass der Arbeitnehmerpauschbetrag – also der Werbungskostenabzug ohne Nachweis – seit 2011 bei 1000 Euro liegt und inflationsbereinigt heute etwa 1170 Euro betragen müsste. Der für Renten und sonstige Einnahmen geltende Werbekostenpauschbetrag ist demnach seit 1955 nicht mehr angepasst worden – statt 102 Euro könnte er, die Inflation berücksichtigt, heute knapp 536 Euro ausmachen.
Für den Finanzminister kann Inflation allerdings auch ein Vorteil sein - höhere Preise treiben auch die Steuereinnahmen nach oben. Wenn die Ausgaben des Staates etwas geringer bleiben, kann es so zu Mehreinnahmen kommen. Allerdings dürfte eine längere Phase mit wieder höherer Inflation auch die Zinsen nach oben treiben. Und dann ist das Schuldenmachen auch für den Staat nicht mehr so günstig wie im vergangenen Jahrzehnt.