zum Hauptinhalt
Die iranische Nationalflagge weht auf dem Supertanker "Adrian Darya 1".
© Marcos Moreno/AP/dpa

Doppelstrategie im Atomstreit: Wie der Iran die US-Sanktionen aushebeln will

Tanker-Tricks, Drohungen – und Verhandlungen: Mit einer riskanten Doppelstrategie stemmt sich das Regime in Teheran gegen die Macht der USA. Eine Analyse.

Die „Adrian Darya-1“ ist verschwunden. Der iranische Supertanker mit mehr als zwei Millionen Barrel Öl im Wert von rund 120 Millionen Euro an Bord hat vor der Küste Syriens sein Ortungssignal abgeschaltet.

Mit dem Versteckspiel will der Iran wohl verhindern, dass das Schiff von den USA beschlagnahmt wird. Der Tanker-Trick gehört zu einer iranischen Doppelstrategie aus Provokationen und Drohungen auf der einen sowie Verhandlungen auf der anderen Seite. Ein hoch riskantes Vorgehen.

Der Tanker

Die US-Sanktionen haben den Ölsektor, wichtigster Zweig der iranischen Wirtschaft, hart getroffen. Vor dem Ausstieg der Amerikaner aus dem internationalen Atomvertrag im vergangenen Jahr exportierte der Iran 2,8 Millionen Barrel pro Tag (ein Barrel sind 159 Liter) – heute sind es nur noch 100.000.

Das Öl an Bord der „Adrian Darya-1“ entspricht der derzeitigen Exportmenge von etwa 20 Tagen. Entsprechend wichtig ist der Tanker für die Führung in Teheran. Mit den Strafmaßnahmen will US-Präsident Donald Trump die Islamische Republik zu Zugeständnissen beim Atom- und Raketenprogramm und bei ihrer als aggressiv beschriebenen Nahost-Politik zwingen. Der Iran lehnt ein Einlenken vehement ab.

Die Fahrt des von „Grace-1“ in „Adrian Darya-1“ umbenannten Tankers vom Iran um Afrika herum bis ins Mittelmeer steht für den Versuch Teheran, Washingtons Sanktionen zu trotzen und ist Teil einer Strategie des „maximalen Widerstands“.

Aus "Grace 1" wird Adrian Darya-1. Der Tanker soll Öl im Wert von 120 Millionen Euro an Bord haben - viel Geld für den Iran.
Aus "Grace 1" wird Adrian Darya-1. Der Tanker soll Öl im Wert von 120 Millionen Euro an Bord haben - viel Geld für den Iran.
© Jon Nazca/Reuters

Die Behörden im britischen Gibraltar setzten das Schiff mehrere Wochen fest und gaben es erst frei, nachdem die Teherans Machthaber versichert hatten, der Abnehmer sei nicht Syrien, das EU-Sanktionen unterliegt. Medienberichten zufolge könnte sich die „Adrian Darya-1“ inzwischen trotzdem in syrischen Hoheitsgewässern befinden.

Die Drohungen

Anders als die Vereinigten Staaten wollen Deutschland, Frankreich und Großbritannien das Atomabkommen retten. Um die Europäer zum Handeln gegen Trump zu veranlassen, verletzten die Mullahs in den vergangenen Monaten absichtlich einige Vorschriften des Vertrages. Teheran sammelte mehr angereichertes Uran, als die Vereinbarung zulässt. Zudem trieben die Iraner die Uran-Anreicherung über die vertragliche Grenze hinaus an.

Nun droht die Theokratie mit einem „dritten Schritt“, wie es Präsident Hassan Ruhani formuliert. Am Mittwoch erklärte er, sein Land wolle den Europäern zwei weitere Monate Zeit geben, um Amerikas Sanktionen etwas entgegenzusetzen und so den Vertrag über das Atomprogramm zu retten. Ungeachtet dieser Frist könnte der Iran den „dritten Schritt“ aber bereits an diesem Donnerstag verkünden, um den Druck auf die Europäer zu erhöhen.

Präsident Hassan Ruhani gibt sich gerne als Reformer, gehört allerdings seit Jahren zum Establishment des Regimes.
Präsident Hassan Ruhani gibt sich gerne als Reformer, gehört allerdings seit Jahren zum Establishment des Regimes.
© dpa

Nicht nur die Haltung der USA, sondern auch innenpolitische Faktoren zwingen Ruhani zu diesem riskanten Kurs. Als moderater Konservativer und gewiefter Taktiker personifiziert der Präsident geradezu die Doppelstrategie des Regimes. Einerseits setzt er auf Verhandlungen, um die Sanktionen zumindest abzuschwächen, unter denen das Volk leidet.

Gelingt ihm das nicht, dürften seine Chancen, bei der nächsten Wahl in zwei Jahren wieder zu siegen, gegen Null gehen. Die Unzufriedenheit der Iraner ist riesig.

Andererseits ist Ruhani seit Jahren fester Bestandteil des Regimes. Dazu gehört, den Angriffen der Hardliner auf seine Regierung Rechnung zu tragen. Deshalb lässt scheut der 70 Jahre alte Kleriker nicht davor zurück, demonstrativ Stärke und Härte zu zeigen. Ob das reicht, um sich im Amt zu halten, ist aber nicht ausgemacht.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will zwischen den USA und dem Iran vermitteln. Donald Trump lässt ihn gewähren.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will zwischen den USA und dem Iran vermitteln. Donald Trump lässt ihn gewähren.
© Nicholas Kamm/AFP

Die Verhandlungen

Die Hoffnung, dass der Vertrag doch Bestand hat, ruhen auf Gesprächen der Iraner mit Frankreich, das als Unterhändler der Europäer agiert. Dabei geht es um europäische Kredite in Höhe von 15 Milliarden Dollar für die Islamische Republik. Als Sicherheit sollen künftige iranische Öllieferungen dienen. Trump selbst hatte eine solche Lösung angedeutet. Doch ob die USA eine solche Vereinbarung tatsächlich tolerieren würden, ist unklar.

Als Bedingung für die Finanzhilfe verlangt Europa die Einhaltung des Atomvertrags. Eine von Teheran entsandte Regierungsdelegation sprach in den vergangenen Tagen mit der französischen Regierung in Paris über ein Lösungspaket, zu dem auch neue Verhandlungen über die Zukunft Teherans Nuklearprogramms gehören.

Zur Startseite