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Bayern liegt beim Ausbau der Photovoltaik vorn.
© Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Energiepolitik in Deutschland: Welche Aufgaben beim Klimaschutz 2019 anstehen

Der Kohleausstieg ist nur ein Aspekt, schnell Emissionen zu senken. Wie die Bundesregierung das Land wieder zum Vorreiter beim Klimaschutz machen kann.

Deutschland hat die Energiewende zum Exportschlager gemacht und war einst Klimaschutzvorreiter. Davon ist heute nicht mehr viel übrig. Was das Land im kommenden Jahr anpacken muss, damit es bei Energie- und Klimathemen wieder vorne dabei ist. Die Aufgaben der Bundesregierung im Überblick:

Klimaschutzgesetz

Bei der Umsetzung der Klimaziele braucht Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) die Unterstützung der anderen Ministerien: Der Wirtschaftsminister muss den Kohleausstieg angehen, der Verkehrsminister muss mehr Elektroautos auf deutsche Straßen bringen, der Bauminister muss die Rate für energetische Sanierung erhöhen. Bisher ist diese Unterstützung weitgehend ausgeblieben. Klimaschutzvorschläge wurden abgeschmettert, CO2-Grenzwerte nach unten geschraubt. Doch damit soll Schluss sein: Das Umweltministerium will im kommenden Jahr ein Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen, das Klimaschutz erstmals rechtlich verbindlich macht. Geplant ist eine Art Rahmengesetz, das die einzelnen Sektorziele festschreibt. Auch sollen die zuständigen Ministerien rechtlich verpflichtet werden, diese Ziele einzuhalten.

Was passiert, wenn die Ziele trotzdem verfehlt werden? Dann, so lässt das Umweltministerium durchblicken, müssen die jeweiligen Ministerien das selbst bezahlen. Wie ein Verbündeter springt dem Umweltministerium dabei EU-Recht zur Seite: Denn wenn Deutschland seine EU- Klimaziele bei Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft verpasst, muss es Emissionsquoten aus dem EU-Ausland zukaufen. Und das kann einen höheren zweistelligen Milliardenbetrag kosten.

Die Gewerkschaften kämpfen für einen sozialverträglichen Ausstieg aus der Kohle.
Die Gewerkschaften kämpfen für einen sozialverträglichen Ausstieg aus der Kohle.
© Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Kohleausstieg

Der schrittweise Kohleausstieg ist der schnellste Weg, Emissionen zu senken. Denn anders als etwa im Verkehrssektor liegt die Alternative auf der Hand: Der Ausbau erneuerbarer Energien schreitet voran, so kann Kohlestrom schrittweise ersetzt werden. Und weil Strom aus Sonne und Wind immer günstiger wird, kann die Kohle nicht mehr mithalten. Zudem können die Sektoren Verkehr und Wärme nur klimafreundlicher werden, wenn ihr Strombedarf aus erneuerbaren Energien gedeckt wird. Der Kohleausstieg ist also zentraler Baustein des Klimaschutzes.

Geht es nach der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, sollen bis 2022 die ersten Kohlekraftwerke stillgelegt werden. Den Betreibern werden dafür Entschädigungen in Aussicht gestellt. Doch dann muss es mit dem Ausstieg weitergehen: Will Deutschland seine Klimaziele 2030 einhalten, müssen die Emissionen der Energiewirtschaft um zwei Drittel im Vergleich zu heute gesunken sein. Damit Regionen wie die Lausitz den Wegfall der Kohlewirtschaft meistern, hat die Kommission schon einige Vorschläge gemacht: Ostdeutschland soll etwa Zentrum zur Herstellung von aus erneuerbaren Energien gewonnenem grünen Wasserstoff werden.

Netze

Zur Priorität Nummer Eins hat Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) den Ausbau der deutschen Hochspannungsleitungen erklärt – und war vergangene Woche auf seiner zweiten Werbetour für den Ausbau in Thüringen und Bayern. Verständlich: Der Trassenbau kommt nicht voran. Von 5900 Kilometern Leitungsausbau und -verstärkung, die 2013 beschlossen wurden, sind gerade einmal 150 Kilometer fertig. Das schafft immense Probleme für das Stromnetz, denn besonders im Norden werden die erneuerbaren Energien ausgebaut, während im Süden viele (Kern-)Kraftwerke schließen. Um die Balance wiederherzustellen, müssen die Netzbetreiber inzwischen fast täglich eingreifen und zum Beispiel Windräder abschalten, Kraftwerke teuer zwangsanfordern und im Süden Anlagen für den Notfall reservieren. 1,4 Milliarden Euro kostete das 2017.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) spricht bei einem Bürgerdialog zum Netzausbau.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) spricht bei einem Bürgerdialog zum Netzausbau.
© Arifoto Ug/Michael Reichel/dpa

Das Problem: Altmaiers Handlungsspielraum ist eng begrenzt. Ein Gesetz, das den Ausbau etwas beschleunigen soll und ein paar kleinere Verbesserungen bringen könnte, ist als Entwurf schon auf dem Weg, aber noch nicht im Kabinett. Zum Beispiel sollen Planungs- und Genehmigungsschritte zusammengelegt werden, statt sie nacheinander abzuarbeiten. Doch im Wirtschaftsministerium und bei den Netzbetreibern heißt es unter der Hand schon: Bitte keine Wunder erwarten. Denn der Netzausbau scheitert vor allem am immensen Widerstand vor Ort, der immer besser organisiert ist – und an der mangelnden politischen Unterstützung in Kommunen und Ländern. Thüringen zum Beispiel lehnt den Bau der wichtigsten neuen Nord-Süd-Leitung (Suedlink) über das Landesgebiet ab. Und schlug jüngst vor, stattdessen eine bestehende Trasse nach Bayern auszubauen. Dann müssten dort aber Leitungen ausgebaut werden – die Planung würde von vorne beginnen. Altmaier bleibt 2019 nichts anderes übrig, als politisch für den Ausbau zu werben. Bestenfalls kann er Widerstände verringern – aber ein Durchbruch ist kaum möglich.

CO2-Preis

Den Strompreis senken und dafür Benzin und Öl teurer machen – das ist die Idee von SPD-Umweltministerin Schulze, für die sie nicht nur von der Union, sondern auch aus den eigenen Parteireihen Kritik geerntet hat. Dabei wäre eine CO2-Bepreisung im Verkehr- und Wärmebereich der Schlüssel für mehr Klimaschutz in diesen Sektoren. Für Unternehmen wäre das ein klares Signal, dass sich der Umstieg auf emissionsärmere Technologien und Antriebe langfristig lohnt. Die Schweiz etwa gestaltet die CO2-Abgabe auf Brennstoffe aufkommensneutral aus. Gut also, dass auch die Kohlekommission der Bundesregierung die Einführung des Instruments empfohlen hat. 2019 sollte endlich ein Konzept her.

Verkehr

Ein Preis auf CO2-Emissionen würde auch im Verkehrssektor vieles zum Guten verändern. Die Besteuerung von Dienstwagen würde rationaler, das Fahren von SUV teurer, die E-Mobilität gefördert, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagert. Von dieser Verlagerung spricht die Politik seit Jahren, geschehen ist wenig. Der Güterverkehr auf Landstraßen und Autobahnen nimmt sogar zu. Und in den Städten stehen die Lieferfahrzeuge in der zweiten Reihe – auch wegen des Online-Handels.

Neben einem CO2-Preis würde ein Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs helfen, den Verkehr klimafreundlicher zu machen. Auch im Regional- und Fernverkehr muss die Infrastruktur besser werden, wenn das Ziel aus dem Koalitionsvertrag Realität werden soll, bis 2030 die Zahl der Bahnkunden zu verdoppeln. Der Deutschlandtakt ist eine alte Forderung von Umwelt- und Verkehrsverbänden, jetzt muss Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) seiner Ankündigung Taten folgen lassen.

Sehr schwach ist auch die Bilanz des Bundes beim Ausbau der Radwege. Im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern stellt die Regierung hierfür wenig Geld zur Verfügung, obwohl immer mehr Menschen Rad fahren. Und die Tatkraft der Kommunen ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Bei der E-Mobilität dagegen bewegt sich etwas, die deutschen Hersteller investieren Milliarden.

Laut dieser Thermographie verliert das Bundeskanzleramt wenig Energie. Bei vielen Altbauten in Deutschland ist das anders.
Laut dieser Thermographie verliert das Bundeskanzleramt wenig Energie. Bei vielen Altbauten in Deutschland ist das anders.
© Greenpeace dpa/lbn

Gebäude

Um die Energiewende im Gebäudebereich voranzubringen, könnte die Bundesregierung 2019 noch einmal einen Anlauf für die Steuerförderung der energetischen Sanierung nehmen. Das Wirtschaftsministerium ist dafür, das Finanzministerium aber mauert noch. Dass das Vorhaben im Koalitionsvertrag steht, hilft Befürwortern nicht viel, denn die dort vorgesehenen Mittel von zwei Milliarden Euro für die Steuerförderung und das Baukindergeld werden durch letzteres mehr als aufgezehrt. Experten aber sind sicher, dass es große Energieeinsparungen im Wärmesektor geben könnte, wenn der Steuerspartrieb der Deutschen gereizt wird.

Mit Sicherheit muss 2019 das Gebäudeenergiegesetz (GEG) verabschiedet werden. Allein schon, um Vorgaben für einen Neubaustandard ab 2021 zu machen, denn das verlangt eine EU-Richtlinie. Das GEG soll mehrere Gesetze und Verordnungen zum Energiesparen im Gebäudebereich verschmelzen und stimmig machen. Wahrscheinlich ist, dass es einen wenig ambitionierten Neubaustandard setzt, denn laut Koalitionsvertrag sollen die Energieeinsparvorschriften bei Gebäuden nicht verschärft werden. Wie damit das deutsche Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestandes im Jahr 2050 erreicht werden soll, ist völlig unklar.

Schifffahrt

21 Jahre hat es gedauert. Bereits beim Klimagipfel in Kyoto 1997 wurde über Klimaziele für die globale Schifffahrt verhandelt. Genau wie der Flugverkehr wurde die Schifffahrt später aber vom Pariser Abkommen ausgenommen, weil sich deren Emissionen nicht einzelnen Ländern zurechnen lassen. Nun ist es aber soweit. In diesem Frühjahr verabschiedeten die in der Uno-Organisation Imo zusammengeschlossenen Staaten historische Klimaziele. Die Emissionen auf den Weltmeere n sollen bis 2050 um die Hälfte sinken. Das wird den zukünftig weiterwachsenden Welthandel verändern. Schiffe transportieren 90 Prozent aller Güter, also fast alles, was es zu kaufen gibt. Zwar sind Containerriesen im Vergleich zu Lkw oder Flugzeugen extrem effizient. Doch durch die schiere Masse summieren sich die Emissionen, sodass die Schifffahrt allein deutlich mehr Emissionen ausstößt als ganz Deutschland.

Die maritime Industrie steht nun vor einer technologischen Revolution. Elektro-Fähren sind schon im Einsatz, etwa in Skandinavien, auch Binnenschiffe mit Batterieantrieb werden bereits gebaut. Für Containerriesen und Kreuzfahrtschiffe setzt die Branche zunächst auf die Umstellung von klassischen Kraftstoffen auf Flüssigerdgas, das etwas weniger Emissionen ausstößt. Das wird für die Klimaziele aber nicht reichen. Langfristig könnten deshalb Wasserstoff oder mit Ökostrom erzeugte synthetische Gase für den dann emissionsarmen Antrieb sorgen.

In einer früheren Version dieses Textes hatten wir geschrieben, dass die ersten Kohlekraftwerke ab 2022 vom Netz gehen sollen. Tatsächlich ist der Ausstieg der ersten Kraftwerke bereits "bis 2022" geplant./Anm. der Redaktion

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