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Der neu vorgestellte Toyota Land Cruiser wird auch gerne in der Stadt gefahren.
© Frank Rumpenhorst/dpa-tmn

Automarkt: SUV – in Blech gepresste Rücksichtslosigkeit

Die Emissionen des Verkehrs steigen, statt zu fallen. Das Segment der SUVs boomt. Ein Kommentar zur Psychologie ihrer Käufer.

Ein Kommentar von Jens Tartler

"Zukunft erleben“ heißt das Motto der weltgrößten Autoshow IAA, die gerade in Frankfurt läuft. Da kann man sich viel vorstellen: elektrisch angetriebene, autonom fahrende Autos, die zudem noch geteilt, statt besessen werden. Innenstädte ohne Abgase, Parkplätze, die zu Parks umgebaut werden, Straßen, auf denen Erwachsene und Kinder ohne Angst Rad fahren können.

Die Gegenwart sieht anders aus. Sogenannte Sport Utility Vehicles (SUV), in den meisten Fällen mit einem Dieselmotor ausgerüstet, legen in den Zulassungshitlisten von Jahr zu Jahr um 20 Prozent zu. Mit rund einem Viertel der Neuanschaffungen sind sie auf dem besten Weg, die Golf-Klasse als wichtigstes Marktsegment zu überholen. Und das liegt nicht nur am Angebot, sondern auch an der Psychologie der Käufer.

Sicher, gerade den deutschen Herstellern kann man vorwerfen, dass sie wie schon bei der vorhergehenden IAA 2015 stärker in Studien und Ankündigungen zukunftsfähiger Autos sind als beim Bau realer Fahrzeuge. Und es ist sicher kein Zufall, dass der Revolutionär Tesla aus Kalifornien sich den Auftritt in Frankfurt einfach gespart hat.

Es stimmt natürlich auch, dass Porsche, BMW, Mercedes, Audi und VW die dicken Gewinnmargen der SUV so lange einstecken, wie es irgend geht. Aber das gilt auch für Jeep, Range Rover oder Volvo – wobei die Schweden zumindest auf den betrugsanfälligen Diesel künftig verzichten wollen.

Sicherheit nicht für andere

Vor allem aber sagt der Boom der Pseudo-Geländewagen viel aus über die Käufer. Über ihr Verhältnis zu ihrer Umwelt und zu anderen Verkehrsteilnehmern. Über verqueres Prestigedenken und schiefe Argumente zur Rechtfertigung von Kaufentscheidungen. Schließlich wird niemand gezwungen, ein SUV zu kaufen. Es gibt mehr als 100 Automodelle, deren CO2-Ausstoß unter 100 Gramm je Kilometer liegt – übrigens auch viele aus deutscher Produktion. Es gibt Hybridfahrzeuge, rein batterieelektrische Autos, solche mit Erdgasmotor oder schlicht kompakte, sparsame Benziner, die keine Abschalteinrichtungen für ihre Abgasreinigung haben wie so viele Diesel.

Doch auf den Straßen sieht man wenige Toyota Prius, dafür viele BMW X5 und Audi Q7. Viele Menschen finden es offensichtlich schick, zweieinhalb Tonnen Blech auf 20-Zoll-Rädern durch Zehlendorf oder Prenzlauer Berg zu bewegen. Auf andere Verkehrsteilnehmer wirken SUV einschüchternd, und durch ihre Größe machen sie die Städte noch enger. Klimawandel und Luftqualität scheinen ihren Fahrern jedoch ebenso gleichgültig zu sein. Da erstaunt es nicht, dass die CO2-Emissionen des Verkehrs nicht sinken, wie in allen Klimaschutzplänen vorgesehen, sondern steigen.

Der Erfolg der SUV ist auch ein gesellschaftliches Phänomen. Dass das Thema Umwelt bei Umfragen immer noch als wichtig genannt wird, ist wohl eher ein Lippenbekenntnis. Deshalb wird es von fast allen Parteien im Bundestagswahlkampf vernachlässigt. Wenn SUV-Fahrer ihre Kaufmotive nennen sollen, führen sie meist das Sicherheitsgefühl und die bessere Übersicht an.

Insbesondere Frauen fühlen sich und ihre Kinder in den automobilen Trutzburgen besonders geschützt. An den Unfallschutz für Fußgänger oder Radfahrer denken sie offenbar nicht. Vor jeder Schule kann man sie besichtigen, wie sie ihre eigenen Kinder im SUV kutschieren, am besten noch mit einem sogenannten Kuhfänger an der Front – einem Metallbügel, der selbst in der texanischen Prärie völlig überflüssig ist. Fahren diese Mütter ein anderes Kind an, sind die Folgen katastrophal. So weit denken sie nicht oder wollen es nicht.

Höhere Steuern und Ende des Dienstwagenprivilegs

Aber auch für andere Autofahrer sind die SUV eine Gefahr. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete über einen Unfall, bei dem ein BMW X5 ungebremst auf einen Opel Corsa auffuhr. Drei der vier Insassen des Kleinwagens starben. Der X5 ist nicht nur mehr als doppelt so schwer wie der Corsa. „Ein SUV schlägt höher ein“, sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer.

Der Hochbau ist nicht nur gefährlich, er führt auch das Kaufargument der besseren Übersicht ad absurdum: Wenn die Autos immer höher würden, damit einige Fahrer auf die anderen herabblicken können, würden wir irgendwann alle in abstrusen US-Monstertrucks herumfahren.

Ich-Bezogenheit, Rücksichtslosigkeit und das Denken im Jetzt lassen sich allein durch Appelle nicht überwinden. Vielleicht kommen SUV-Fahrer ja durch eine deutlich höhere Kfz- und Mineralölsteuer sowie eine Abschaffung des Dienstwagenprivilegs ins Nachdenken. Dann würden sie die Nachteile ihrer Fahrzeuge selbst spüren.

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