Kohlekommission: Feige Energiepolitik zur Entlastung der Koalition
Der Ausstieg aus der Kohle ist Uraufgabe der Politik. Es ist somit glatte Feigheit und politische Arbeitsverweigerung, die Kohle-Frage an eine Kommission auszulagern. Ein Kommentar.
Die Kohlekommission hat am Dienstag ihre Arbeit aufgenommen. 28 Experten, Politiker und Betroffene, unter denen sich Befürworter der (Braun-)Kohleverstromung und Klimaschützer ungefähr die Waage halten, sollen entscheiden, wie schnell Tagebau und Kraftwerke geschlossen werden, wie die Klimaziele Deutschlands eingehalten werden können und wie den strukturschwachen Braunkohleregionen, besonders der Lausitz, zu helfen ist.
Viel Glück! Die letzte große Energiekommission war zwar ein Erfolg, denn sie gab 2016 eine Antwort darauf, wie sich Staat und Atomindustrie die Kosten für Rückbau und Endlagerung aufteilen. Das war ein simples Nullsummenspiel. Die Aufgabe der Kohle-Kommission überfordert dagegen die Beteiligten. Beide Seiten, Kohlegegner und -freunde, können ihr Anliegen – zurecht – emotionalisieren und von Birnen sprechen, wenn die anderen über Äpfel reden möchten. In der Lausitz sieht es tatsächlich düster aus, wenn die Braunkohle dichtmacht. Es fehlt dann nicht nur Geld, sondern auch Arbeitsidentität. Und sind die Kraftwerke wirklich so entscheidend, wenn Deutschland insgesamt nicht einmal zwei Prozent der weltweiten Emissionen beisteuert?
Auf der anderen Seite wird argumentiert: Der Klimawandel ist das drängendste globale Umweltproblem. Deutschland als reichem Industriestaat kommt eine besondere Verantwortung zu. Und es bieten sich unternehmerische Chancen. Jedes Braunkohlekraftwerk, das dichtmacht, schafft Platz für Energiewende-Technik mit Zukunft.
Komplexe Verteilungskämpfe
Derart komplexe Verteilungskonflikte zu lösen, ist Uraufgabe der Politik, also des Parlaments und der Bundes- und Landesregierungen. Es ist somit glatte Feigheit und politische Arbeitsverweigerung, die Kohle-Frage an eine Kommission auszulagern. Eine schlechte Idee, geboren aus der Not, um einer Koalition, die ohnehin kaum zum Stehen gebracht werden konnte, etwas Entlastung zu bringen.
Besonders unglücklich ist, dass die Kohlekommission zu einem Zeitpunkt startet, an dem sich die Energiewende in Deutschland in ihrer ersten schweren politischen Krise befindet. Natürlich: Dieses Lied singen die Umweltverbände und Erneuerbare-Energien-Branche schon lange. Aber Deutschland verfehlt 2020 und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch 2030 alle maßgeblichen Klimaschutzziele, nicht nur die freiwilligen nationalen, sondern auch die europäischen, verpflichtenden. Das ist so, weil es bei der Energieeffizienz kaum Fortschritte gibt und weil eine Verkehrspolitik aus den 50er-Jahren verfolgt wird. Weil viel Symbolpolitik betrieben wurde, statt eine kosteneffiziente Energiewende zu verfolgen, die langfristig von allen akzeptiert werden kann.
Der Energiewende-Konsens in Berlin ist deshalb brüchig geworden. In der Union kippt die Stimmung. Die oder der nächste Parteivorsitzende wird einen Schwenk in der Energiepolitik aus taktischen Gründen ins Auge fassen, schon allein, um auch bei diesem Thema die rechte Flanke zu schließen.
Die Kohlekommission startet also doppelt belastet: Abwägungen, die faktisch und ethisch äußerst komplex sind, finden vor dem Hintergrund einer in Bewegung geratenen, unübersichtlichen Gemengelage in Berlin statt. Die konsensstiftende Wirkung, die ihr zugeschrieben wird, kann sie so nicht erfüllen. Es wäre keine Überraschung, wenn sie ohne Ergebnis scheitert oder wenn die Empfehlungen vage und damit unbrauchbar ausfallen.
Letztlich wird sich die Politik aber nicht davonstehlen können. Am Ende ist die Kommission nämlich nicht Gesetz-, sondern nur Ideengeber für ein Klimaschutzgesetz, das Anfang kommenden Jahres in Angriff genommen werden soll. Dann wird die Frage, ob Deutschland Klimaschutzvorreiter bleiben möchte oder diesen Weg verlässt, vermutlich entschieden. Gut möglich, dass die Union auch einfach auf Zeit spielt – und auf das Ende der Klima-Kanzlerin wartet.