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Diese Koralleninsel gehört zum Inselstaat Tuvalu im Pazifik. Der Meeresspiegelanstieg hat sie unbewohnbar gemacht.
© Alamy/Mauritius Images

Im Anthropozän: Was wird aus unseren Paradiesen?

Der Mensch ist bis in den letzten Winkel der Erde vorgedrungen und gefährdet die Ökosysteme. Bergbau, Fischerei, Forst- und Landwirtschaft machen der Natur zu schaffen.

Es gibt keinen Ort auf der Welt, den die Menschheit in den vergangenen 300 Jahren nicht stark verändert hätte. Allein der Bergbau hat mehr Sedimente bewegt als alle Flüsse zusammen. Mit dem Beginn der Industrialisierung, also der massenhaften Verbrennung von Kohle, Erdöl und später auch Erdgas, hat die Menschheit mit dem dabei entstehenden Kohlendioxid (CO2) in den Strahlungshaushalt der Erde eingegriffen und damit den aktuellen Klimawandel in Gang gesetzt. Schon 2002 hat der Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen deshalb für die Epoche seit etwa 1800 den Begriff des Erdzeitalters, des Anthropozäns, ins Gespräch gebracht. Derzeit diskutiert die Internationalen Kommission für Stratigrafie (ICS), ob das kurze Zeitalter des Holozän, das auf die bisher letzte Eiszeit folgte, vom Anthropozän abgelöst worden ist. Aber egal wie die Gelehrtendiskussion ausgeht, die Spuren der von Menschen ausgelösten Umweltzerstörungen sind weltweit zu sehen – und sie haben überall Folgen. Drei paradiesische Landschaften sind besonders vielen zerstörerischen Einflüssen ausgesetzt. An ihnen soll hier der Zustand der Welt beschrieben werden.

Korallenriffe in Gefahr

Für die Korallenriffe der Welt sieht es nicht gut aus. In einem umfassenden Bericht über den Zustand der karibischen Korallenriffe hat eine Forschungsgruppe vor einem Jahr herausgefunden, dass nur noch die Hälfte der Riffe lebt. Zwischen 1970 und 2012 sind mehr als 50 Prozent der Korallen in der Karibik abgestorben. Dabei gibt es große regionale Unterschiede. Die Riffe nahe der niederländischen Antillen und der Cayman-Inseln verfügen demnach noch über eine lebendige Korallendecke von etwa 30 Prozent, bei Jamaica sind es keine zehn Prozent mehr. Drei Jahre lang hatten sich 90 Experten mit dem Zustand der Riffe zwischen Mittelamerika und den karibischen Inseln befasst. Dabei stellten sie zweierlei fest: Der Klimawandel und lokale Stressfaktoren setzen den Korallenriffen gleichermaßen zu. Der Klimawandel vollendet sozusagen das lokal bereits angerichtete Zerstörungswerk.

Das karibische Korallensterben

Das dramatische karibische Korallensterben begann schon in den 1960er Jahren – nur konnte das damals noch keiner sehen. Seither befahren Schiffe mit größerem Tiefgang den Panamakanal. Sie haben in manchen Gegenden die Korallen ganz direkt durch Zusammenstöße geschädigt. Viel schlimmer war aber, dass mit dem zunehmenden Frachtverkehr durch den Kanal immer mehr Schiffe aus allen Teilen der Welt mit ihrem jeweiligen Ballastwasser durch die Karibik kreuzten. Dieses Ballastwasser wird in manchen Situationen abgelassen. So können sich für die jeweiligen Ökosysteme unbekannte Organismen, Krankheiten sowie Arten verbreiten und langsam, aber stetig ihr Zerstörungswerk verrichten. Korallenbleiche, also das großflächige Absterben von Korallen, war die Folge, vor allem, nachdem die Seegurkenpopulation zusammengebrochen war. Seegurken hatten die Riffe zuvor von Algen befreit. Dazu kamen Touristen, die über Riffe spaziert sind und dabei ganze Stücke abgebrochen haben, und Fischer, die mit zerstörerischen Fangmethoden die Riffe weiter zerstört haben – in Asien oft mit Dynamit.

Der damalige Präsident der Malediven, Mohamed Nasheed, hat mit seinem Kabinett 2009 aus Protest gegen den Klimawandel und den damit verbundenen Meeresspiegelanstieg eine Unterwassersitzung abgehalten. Nasheed wurde 2012 von Verbündeten des vorher herrschenden Diktators gestürzt. Seither ist Nasheed ein Gefangener, mal im Gefängnis, mal unter Hausarrest.
Der damalige Präsident der Malediven, Mohamed Nasheed, hat mit seinem Kabinett 2009 aus Protest gegen den Klimawandel und den damit verbundenen Meeresspiegelanstieg eine Unterwassersitzung abgehalten. Nasheed wurde 2012 von Verbündeten des vorher herrschenden Diktators gestürzt. Seither ist Nasheed ein Gefangener, mal im Gefängnis, mal unter Hausarrest.
© picture-alliance/ dpa

Der Klimawandel verschärft die Situation. Korallen vertragen das wärmere Meerwasser nicht. Und sie können sich nur extrem langsam an den höheren pH-Wert durch das im Ozean gebundene CO2 gewöhnen. Der pH-Wert misst den Säuregehalt einer Flüssigkeit. Schon bei einer durchschnittlichen globalen Erwärmung um 1,5 Grad Celsius oberhalb der Werte zu Beginn der Industrialisierung haben die Korallenriffe der Welt kaum eine Chance, haben Katja Frieler vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Kollegen schon 2012 herausgefunden. Um auch nur zehn Prozent der Korallenriffe in die Zukunft zu retten, dürfte die globale Mitteltemperatur nicht um mehr als 1,5 Grad steigen, haben sie ermittelt. Würde das Zweigradziel erreicht, wäre das also bereits eine Welt ohne Korallen.

Rund 70 000 Menschen leben vom Great Barrier Reef

Selbst beim größten Korallenriff der Welt, dem Great Barrier Reef vor der australischen Küste, ist etwa die Hälfte der Korallen abgestorben, seit es 1981 als Weltnaturerbe der UN-Kulturorganisation Unesco geführt wird, berichtet Richard Leck von der Umweltstiftung WWF in Australien. Seit 15 Jahren beobachtet er das Riff, aber diese 2012 beim jüngsten Zustandsbericht der Regierung über das Riff veröffentlichte Zahl habe ihn doch geschockt. Die australische Regierung hat zwar inzwischen verboten, Sedimente von Bauarbeiten im Riff abzukippen, aber 50 Millionen Kubikmeter Erde, Bauschutt und Schlamm sind dort in den vergangenen Jahren abgekippt worden. 60 000 bis 70 000 Jobs und sechs Milliarden Australischer Dollar (rund 3,8 Milliarden Euro) Einnahmen aus dem Tourismus hängen direkt vom Riff ab, sagt Leck. Das größte Risiko neben dem Klimawandel sei derzeit die Landwirtschaft, meint der WWF-Experte. Der Stickstoffeintrag in das Riff verändert die Lebensgemeinschaften dort. Dass die Unesco in diesem Jahr darüber beraten hat, das Great Barrier Reef als „gefährdetes Weltnaturerbe“ zu listen, hat die Regierung in Handlungszwang gebracht – und zu einer Werbetour rund um die Welt angeregt, bevor die Unesco-Tagung im Sommer in Bonn über die Bühne ging. Richard Leck sagt: „Das Riff ist ein globales Symbol und eine nationale Verantwortung.“

Nicht nur in Australien hängen viele Existenzen an der Gesundheit des Riffs. Obwohl nur etwa 1,2 Prozent der Meere mit Korallenriffen bedeckt sind, sind sie der Lebensraum für eine bis drei Millionen Tier- und Pflanzenarten. Rund 500 Millionen Menschen leben direkt oder indirekt von den Ökosystemdienstleistungen, die die Riffe erbringen. Sie sind die Kinderstube für viele Fischarten. Ohne sie würden weniger Touristen die betreffenden Regionen besuchen. Und ohne die Riffe würden viele Küsten oder Inseln kaum einen Wirbelsturm überstehen können. Der Teeb-Bericht, der eine Kalkulation des ökonomischen Werts von Ökosystemen versucht hat, hat einen Durchschnittswert von 1,25 Millionen Dollar (rund 1,1 Millionen Euro) Einnahmen pro Hektar Korallenriff errechnet. Eine Welt ohne Korallenriffe macht viele Menschen viel ärmer, als sie es derzeit sind.

Die Arktis schmilzt

Ein Gletscher auf Grönland kalbt im Sommer. Das Eis in der Arktis schmilzt schneller als von Klimaforschern befürchtet. Das erhöht die globalen Meeresspiegel.
Ein Gletscher auf Grönland kalbt im Sommer. Das Eis in der Arktis schmilzt schneller als von Klimaforschern befürchtet. Das erhöht die globalen Meeresspiegel.
© mauritius images

„Vor 30 Jahren“, sagt Professor Kim Holmén, „hat der Frühling auf Svalbard zwei Wochen später begonnen.“ Der internationale Direktor des norwegischen Polarinstituts ist Schwede, lebt aber seit Jahren im Nachbarland und forscht seit vielen Jahren in der Arktis. „Die Schneeschmelze beginnt viel früher. Und der Fjord friert immer seltener zu“, berichtet er weiter. Svalbard ist einer der wichtigsten internationalen Forschungsstandorte in der Arktis. Die Inselgruppe, deren größte Insel Spitzbergen mit der Hauptstadt Longyearbyen ist, liegt nördlich des Polarkreises. Ny Alesund, wo auch das Alfred-Wegener-Institut gemeinsam mit französischen Partnern eine Forschungsstation betreibt, liegt 1211 Kilometer vom Nordpol entfernt. Im arktischen Sommer, den drei Monaten, in denen die Sonne nie untergeht, arbeiten dort bis zu 1000 Wissenschaftler. In der deutschen Station betreuen die Forscherinnen („wir sind die Messsklaven“) allein rund 50 Messprogramme. In Ny Alesund merken sie den Wandel ganz direkt. Noch vor ein paar Jahren konnten sie die meisten Strecken mit dem Schneescooter bewältigen. Doch die Eisdecke wird immer schneller instabil, und ins Eis einzubrechen, wenn Eisbären unterwegs sind, kann schnell gefährlich werden. Einige der Häuser der ehemaligen Minenstadt – auf Svalbard wurde seit 1900 Kohle gefördert – sind im Permafrostboden eingesunken. Diese gefrorene Bodenschicht von 80 Zentimeter bis einen Meter taut im Sommer immer weiter auf. Das bedroht auch einige Gebäude in Longyearbyen.

Neue Tier- und Pflanzenarten

Die Polarforscher haben noch andere Veränderungen wahrgenommen. Seit einigen Jahren bestimmen sie immer neue Pflanzen- und Tierarten, die vor 30 Jahren in der Arktis noch nicht zu finden waren. Das Packeis, das einmal eine Dicke von neun bis zehn Metern gehabt hat, ist nahezu verschwunden, berichtet Kim Holmén. Seit 2007 schmilzt das Meereis immer schneller, in diesem Jahr hat es die zweitgeringste Ausdehnung seit Beginn der Messungen in den 1970er Jahren erreicht, berichtete die amerikanische Ozeanbehörde Noaa vor Kurzem. Der Rückgang des Meereises hat dramatische Auswirkungen auf das Ökosystem in der Arktis. Unterhalb des Eises finden Kleinstkrebse ihre Nahrung, die wiederum von Fischen oder Walen verspeist werden. Das Nahrungsnetz in der Arktis verändert sich wegen des schmelzenden Meereises dramatisch. Schwimmende Eisschollen sind zudem für Walrösser, Robben und Eisbären überlebenswichtig. Walrösser und Robben bringen ihren Nachwuchs auf den Eisschollen zur Welt, weichen aber immer öfter auf Inseln oder Festlandgebiete aus. Und Eisbären jagen von den Eisschollen aus – und schaffen es immer seltener, sich die notwendige Speckschicht für den Winter anzufressen. Das wiederum hat dramatische Auswirkungen für die Bewohner der unwirtlichen Eiswüsten im hohen Norden: Immer öfter treffen Menschen und Eisbären aufeinander. Meistens geht es für die Bären schlecht aus, aber sie können eben auch den Menschen gefährlich werden. In der Nähe der Siedlungen plündern sie Mülleimer und dringen manchmal sogar in Häuser ein. Das ist in Longyearbyen zwar noch nicht passiert, aber dass ein Eisbär im Dorf übernachtet, das haben sie schon oft erlebt. Hochspezialisierte Tierarten, die es in den Gewässern um Svalbard vor einigen Jahren noch gab, sind weiter nach Norden gewandert. Viele Möglichkeiten, auszuweichen, haben sie allerdings nicht mehr. Kim Holmén sagt: „Der Narwal kann nirgendwo hin.“

In Ny Alesund auf Svalbard arbeiten im arktischen Sommer Hunderte Wissenschaftler, um die Arktis und ihre schnellen Veränderungen präzise zu vermessen.
In Ny Alesund auf Svalbard arbeiten im arktischen Sommer Hunderte Wissenschaftler, um die Arktis und ihre schnellen Veränderungen präzise zu vermessen.
© Jens Büttner/dpa

Wie bei den Korallenriffen auch, gibt es auch in der Arktis Spuren der von Menschen ausgelösten Veränderungen, die ganz woanders entstanden sind. So gibt es westlich von Svalbard zwischen der Inselgruppe und Grönland einen Meereswirbel, in dem sich Plastikpartikel sammeln. Das Polarinstitut hat verendete Polarvögel, den Fulmar, untersucht. In den 1980er Jahren haben sie in den Mägen von etwa 20 Prozent der toten Albatrosverwandten Plastikmüll gefunden, 2013 fanden sie ihn in 90 Prozent der Vogelmägen. Immer wieder werden Geisternetze an den Küsten angeschwemmt, also Netze, die Fischer verloren haben, und in ihnen finden sich alle möglichen Tierarten – Fische, Vögel, Robben.

Eisbären sind mit Schwermetallen belastet

In Ny Alesund messen die Wissenschaftler aber auch Substanzen, die in der Arktis nie zum Einsatz kamen, beispielsweise das Insektenvernichtungsmittel DDT, das sich in verendeten Eisbären, Walrössern oder Walen findet. Das Gift reichert sich über die Nahrung der Tiere im Fett der Tiere an. Das Gleiche gilt für Quecksilber, dessen Werte in der Luft in Ny Alesund jeden Tag gemessen werden. Dafür ist die norwegische Forschungsstation zuständig. Auch andere Schwermetalle reichern sich in den Tieren an, die am Ende der Nahrungskette stehen, also Eisbären oder Schwertwalen (Orcas), die wegen der Meereserwärmung immer öfter dort gesichtet werden.

Die Kohleindustrie auf Svalbard lohnt nicht mehr

Im Arctic Council, einem Beratungsgremium, in dem alle Staaten der Arktis seit Jahren zusammenarbeiten, sind wegen der vielen Gefährdungen der Region um den Nordpol bedeutende Schutzbestimmungen beschlossen worden. Rund 98 Prozent der Arktis ist – schon allein, weil es so schwierig ist, dort zu leben – noch immer Wildnis, rund 60 Prozent der Landflächen sind unter Schutz gestellt. Aber am Beispiel der Kohleindustrie auf Svalbard lässt sich gut beschreiben, was auf die Arktis zukommt. Die Kohle hat dort Tradition. Schon um die Jahrhundertwende ist Steinkohle gefunden worden, bis in die 1960er Jahre ist auch in Ny Alesund noch eine Kohlemine betrieben worden, bis eine Staubexplosion 1963 mit vielen Toten die Förderung zumindest dort beendet hat. Nicht weit von Longyearbyen sind noch sieben Minen in Betrieb, teils in norwegischem, teils in russischem Besitz, die aber vermutlich nicht mehr lange überleben werden. Der Kohlepreis ist in den vergangenen fünf Jahren auf unter 60 Euro pro Tonne gefallen. Um in Svalbard an der Kohle noch etwas zu verdienen, müsste er bei mindestens 75 Euro liegen, berichtet Ole Arve Misund, Leiter des Universitätszentrums auf Svalbard. Nur noch 255 Menschen arbeiten in der Kohleindustrie der Inselgruppe, im vergangenen Jahr baute der Minenbetreiber schon 100 Jobs ab, in diesem Jahr sollen noch einmal 150 Arbeitsplätze wegfallen. „Es ist mit Blick auf den Klimawandel schwer zu rechtfertigen, die Minen weiter zu betreiben“, sagt Misund.

Zu viele Touristen gefährden die Ökologie

Aber die Kohle hat die Insel geprägt. Überall sind aufgelassene Stollen zu sehen, in der Hauptstadt steht ein nicht mehr genutztes Transportsystem, eine Seilbahn mit daran hängenden Behältern. Der Tourismus spielt zwar eine viel größere Rolle. Rund 80 000 Übernachtungen zählt die Tourismusbehörde. Aber sehr viel weiter kann dieser Sektor nicht mehr wachsen. Die Kreuzfahrtschiffe, die Longyearbyen anlaufen und auf einen Schlag 4000 Menschen in einen Ort mit 2000 Einwohnern ausspucken, haben so viel Ruß auf dem Eis hinterlassen, dass es noch schneller schmolz. Seit Januar dürfen nur noch Schiffe den Hafen anfahren, die nicht mit dem besonders schmutzigen Schweröl betrieben werden. „Aber das hat uns Geld gekostet“, berichtet Misund. Die rund 3000 Bewohner der Inselgruppe – die meisten sind Norweger, aber insgesamt leben Menschen aus 40 Nationen auf Svalbard – machen sich Sorgen um ihre Zukunft. Und je mehr das Meereis schmilzt, der Schiffsverkehr zunimmt und womöglich auch noch mit einer Bergbauindustrie auf hoher See nördlich des Polarkreises zu rechnen ist, desto schneller werden die ökologischen Veränderungen fortschreiten. Zwar hat der Ölkonzern Shell in der vergangenen Woche entschieden, seine Bohrungen vor Alaska nicht fortzuführen. Doch das dürfte vor allem dem aktuell niedrigen Ölpreis geschuldet sein. Wenn er wieder auf mehr als 100 Dollar pro Barrel (159 Liter) steigen sollte, wie noch vor drei Jahren, dürfte es mit der momentanen Ruhe in der Arktis vorbei sein.

Regenwälder unter Druck

Der Atlantische Regenwald in Brasilien wird von allen Seiten angenagt. Die Landwirtschaft breitet sich darin aus. Minen werden eröffnet, und die Städte wachsen auch.
Der Atlantische Regenwald in Brasilien wird von allen Seiten angenagt. Die Landwirtschaft breitet sich darin aus. Minen werden eröffnet, und die Städte wachsen auch.
© Ralf Hirschberger/picture-alliance/ dpa

Das Kreischen in den Bäumen könnte von den Nashornvögeln stammen. Doch Caroline, die junge Rangerin des Kenyan Forest Service (KFS), schüttelt den Kopf. Nein, es sind die Affen, die im Kakamega-Forest im Westen Kenias einen Höllenlärm veranstalten. Hoch oben wippen einige Äste, und ein langer Schwanz ist zu sehen, bis er wieder vom Grün verschluckt wird. Die knapp 25 Hektar Regenwald sind der letzte Rest, den KFS und der Kenyan Wildlife Service (KWS), die den Wald gemeinsam verwalten, haben retten können. Vor 50 Jahren reichte der Wald von der ugandischen Grenze bis zur Küste. Der KFS hat einen Teil seines Landbesitzes an die Bewohner rund um den Wald abgegeben. Sie haben dort Tee angepflanzt, den sie für sich selbst vermarkten dürfen. Das Kernproblem: „Die Menschen rund um die Schutzgebiete haben kaum etwas davon“, sagt die Rangerin. Und genau genommen haben auch die Ranger nicht viel davon. Im KWS-Teil des Parks berichtet einer ihrer Kollegen, dass er nur dann bezahlt wird, wenn er auch jemanden durch den Wald führt. Doch angesichts der wegen der prekären Sicherheitslage nach mehreren Terroranschlägen der somalischen Al-Schabaab-Miliz sind die Besucherzahlen in Kenia dramatisch gesunken. Der Ranger kann immer weniger Gäste durch das kleine Wunder führen. Der Druck auf diesen letzten Rest des Waldes nimmt stetig zu. Bei einem Besuch im Januar sind überall Holzbündel zu sehen, und eine Gruppe von Frauen trägt sie schließlich auf dem Kopf aus dem Wald. „Eigentlich müsste ich sie melden“, sagt der Ranger resigniert. „Aber sie müssen kochen. Und es gibt nirgendwo sonst noch Holz.“ Genau das hat den Wäldern in ganz Afrika zugesetzt. Feuerholz und Holzkohle haben die Wälder aber vor allem in Ostafrika dramatisch dezimiert.

In Brasilien bedrohen Landwirtschaft und Bergbau die Regenwälder

Auch in Brasilien ist es vor allem der Bevölkerungsdruck, der die Wälder des atlantischen Küstenregenwalds fast vollständig zum Verschwinden gebracht hat. Nicht weit von Rio de Janeiro steht noch etwas Küstenregenwald. In der Nähe der Millionenstadt werden Bauern mit Mitteln aus den Wassergebühren der Stadtbewohnern dafür entlohnt, dass sie bereits abgeholzte Wälder wieder aufforsten. Denn langfristig ist die Wasserversorgung Rios in Gefahr. Weiter nördlich in den letzten Resten der Küstenregenwälder haben sich Landlose angesiedelt und bewirtschaften dort jetzt Flächen, die nach langem Hin und Her legalisiert worden sind. Aber Umweltschützer bemühen sich sehr darum, mit den Bauern Bewirtschaftungsmethoden auszuhandeln, die den Erhalt der Wälder nicht komplett infrage stellen. Das größte Risiko für die Küstenregenwälder sehen sie auch nicht in der Landwirtschaft, sondern im Bergbau. Für neue Minen – Brasilien ist mit nahezu allen Bodenschätzen gesegnet, die für die Hightech-Industrien der Welt benötigt werden – werden Wälder abgeholzt, um sie aufzuschließen, weitere Bäume fallen den Straßen zum Opfer, auf denen die Rohstoffe in Richtung Küste transportiert werden, und dort werden die Häfen vergrößert. Diese Landnutzungsänderungen stellen die Ökosysteme insgesamt infrage.

Der Klimawandel trocknet die Amazonasregion aus

Selbst die riesigen Regenwälder im Amazonasbecken, für deren Schutz Brasilien in den vergangenen Jahren viel unternommen hat, sind in ihrem Überleben nicht gesichert. Auch hier sind es viele Faktoren, die zur Zerstörung der Wälder beitragen. In Brasilien ist die Kette meistens so: Erst treiben die großen Landbesitzer Rinder in die Wälder. Dann folgen ihnen die Baumfäller, die mal legal, mal illegal Urwaldriesen zu Fall bringen. Um die Bäume abzutransportieren, werden Straßen in den Wald getrieben. Sind die Flächen dann von den Bäume befreit, kommt die Soja- oder die Zuckerrohrindustrie und bewirtschaftet die Flächen. Und wenn der Boden durch die Übernutzung dann abgetragen ist, kommt nichts mehr. Ein neues Waldgesetz, über das lange gestritten worden ist, hat es den Landbesitzern noch einmal leichter gemacht, sich in die Amazonasgebiete auszubreiten. Und aktuell wird ein Gesetz diskutiert, das die Reservate für die indigenen Völker im Amazonasbecken in ihrer Größe infrage stellt.

Weltweit liegt der Anteil der Treibhausgasemissionen durch die Abholzung von Regenwäldern bei 17 Prozent. Und genau da liegt eine weitere Gefahr für das Amazonasbecken. Gelingt es nicht, den Klimawandel zu bremsen, könnte das Amazonasbecken auf längere Sicht austrocknen und vom Klimastabilisator – derzeit speichern die tropischen Regenwälder noch viel CO2 – zum Klimaproblem werden. Einen Vorgeschmack darauf gab es 2010, als das Amazonasbecken von einer dramatischen Dürre betroffen war.

In Südostasien weichen die Wälder für Palmöl

In Südostasien ist es vor allem die Palmölindustrie, die den Regenwäldern zusetzt. Malaysia und Indonesien sind die weltgrößten Erzeuger von Palmöl. Dabei stammt die Ölpalme aus dem Kongobecken. In Indonesien sind Jahrzehntelang Torfregenwälder gerodet worden. Das Kohlendioxid, das dabei freigesetzt wird, kann von keiner noch so großen Palmölplantage je wieder gebunden werden. Dass derzeit in vielen Städten Südostasiens der Smog so dick in der Luft hängt, dass die Menschen kaum noch atmen können, liegt daran, dass wieder Waldflächen auf Torfböden gerodet werden – und zwar durch Brandrodung. Der Weltmarkt für Palmöl ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten dramatisch gewachsen. 2004 lag der Marktanteil von Palmöl noch bei 25 Prozent, 2014 waren es nach Branchenangaben schon 33 Prozent. Palmöl ist fast überall drin, von Margarine bis zum Diesel findet sich das vielseitige Öl. 79 Prozent der gesamten Regenwaldrodungen gehen auf das Konto von Palmölplantagen.

Neben den indigenen Völkern, die vom und im Wald leben, trifft das vor allem die Orang Utans. Ihre Überlebenschancen sind von allen Menschenaffen wohl die geringsten. Obwohl es allen Menschenaffen schlecht geht. Aber die Orang-Utan-Populationen sind innerhalb von 100 Jahren um 92 Prozent zurückgegangen, berichtet das UN-Umweltprogramm Unep in seinem jüngsten Report aus dem Jahr 2011. Beim Klimagipfel in Paris in zwei Monaten wird es auch um die Regenwälder und ihren Schutz gehen. Wer auf ihre Abholzung verzichtet, soll dafür belohnt werden. Allerdings dürfte es schwer werden, mehr zu zahlen, als mit Palmöl zu verdienen ist.

Die Autorin hat sich im Juni auf Einladung der norwegischen Botschaft auf Svalbard und 2012 auf Einladung der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Brasilien aufgehalten.

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