Drei Jahre neues Sexualstrafrecht: „Was macht er da? Ich will das nicht!“
Das neue Sexualstrafrecht hat die Suche nach der Wahrheit nicht einfacher gemacht. Was die Reform für Behörden und Betroffene bedeutet. Ein Report aus Berlin.
Sie tanzen, eng umschlungen, küssen sich. Mit ihrem neuen Freund will Martina B. im Berliner Club „Mensch Meier“ in den Geburtstag hineinfeiern. Es ist 23 Uhr 30, als die Studentin zwei Hände an ihrer Hüfte spürt, die eine wandert dann zum Po, in ihre Hose – sie denkt, es wäre ihr Freund, tanzt und küsst weiter.
Als sie die Hand am Slip und schließlich einen Finger in ihrer Scheide spürt, es sich irgendwie rabiat anfühlt, denkt sie: Was macht er da? Ich will das nicht! „Ich hab mich umgedreht, da hockte der Angeklagte halb unter mir“, sagt Martina B. im Amtsgericht Tiergarten.
Mohamad D., vor 29 Jahren in Mossul geboren, sitzt am vergangenen Donnerstag im Saal 672 auf der Anklagebank und lässt seinen Verteidiger erklären: Er erinnert sich an nichts, erst Whiskey, dann Cannabis, totaler Filmriss, aber: „Es tut ihm sehr leid, er schämt sich dafür und möchte sich entschuldigen.“
Die Staatsanwaltschaft hat den Arbeitslosen wegen Vergewaltigung in einem schweren Fall angeklagt, da er auf der Tanzfläche den, wie es im Gesetz heißt, „Überraschungsmoment“ ausnutzte. Und das heißt seit der Verschärfung des Sexualstrafrechts: mindestens zwei Jahre Freiheitsstrafe.
Nein heißt nein: die Neufassung von Paragraf 177
Drei Jahre ist es her, dass die Reform unter dem Grundsatz „Nein heißt Nein“ in Kraft getreten ist. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sagt, die Einführung der „Nein heißt Nein“-Regelung sei „ein Meilenstein für die sexuelle Selbstbestimmung“.
Es sei überfällig gewesen, den Willen des Opfers in das Zentrum zu rücken. „Jede sexuelle Handlung gegen den erkennbaren Willen des Opfers haben wir strafbar gemacht.“ Seitdem das neue Recht gilt, ist die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung bundesweit um mehr als ein Drittel gestiegen.
Nach Daten des statistischen Bundesamts wurden 2018 rund 72.000 Verfahren geführt. In den Jahren davor lag die Zahl noch bei rund 53 000. Dennoch wird ein etwa gleichbleibend großer Teil der Verfahren mangels Tatverdacht wieder eingestellt. Im vergangenen Jahr waren es bundesweit rund 32.000 Fälle.
Auch wenn die Statistik für 2019 noch nicht vorliegt, gehen Strafverfolger davon aus, dass die Zahlen weiter steigen. Allein in Berlin kommen tausend Fälle mehr pro Jahr auf den Tisch der Staatsanwaltschaft. Im laufenden Jahr könnten es erstmals mehr als 4000 Verfahren werden.
Norma Schürmann, Leiterin im Landeskriminalamt 13, zuständig für Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, spricht von einer Art Kulturwandel, der alle Schichten und Altersgruppen ergriffen habe. „Die Leute trauen sich öfter, übergriffiges Verhalten anzuzeigen.“
Sie fühlt ein "massives Ekelgefühl"
Martina B. zögert an diesem 21. Dezember 2018 keine Minute. Sie rennt von der Tanzfläche, ruft die Security. Sie hält den Iraker fest, bis die Polizei erscheint. Noch in der selben Nacht fährt die Studentin für eine DNS-Untersuchung ins Krankenhaus.
Ein „massives Ekelgefühl“ habe sie noch ein paar Tage begleitet. Bis heute fühle sie sich nicht mehr so unbeschwert in Menschenmengen, sei im Alltag ängstlicher und misstrauischer geworden, sagt die 25-Jährige. Das Gericht verurteilt Mohamad D. zu zwei Jahren auf Bewährung – die Mindeststrafe. Dafür legt die Richterin noch 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit drauf. Auf dass er sich Stunde um Stunde daran erinnere: „Sie haben Mist gebaut.“
Nicht in allen Fällen ist es mit dem neuen Gesetz unbedingt leichter geworden, zur forensischen Wahrheit vorzudringen. Aus Sicht der Justizakteure sind die Ergebnisse der Reform weniger grundlegend, als öffentliche Reden in der Politik glaubhaft machen wollen. Staatsanwälte berichten, dass der Anwendungsbereich für den neuen Paragraf 177 Absatz 1, wonach die bloße Überwindung eines „erkennbaren Willens“ – der Kern von „Nein heißt Nein“ – für eine Anklage genüge, denkbar gering sei.
Wer gegen einen erkennbaren Willen handele, müsse sein Opfer letztlich in einer Weise nötigen, die auch früher schon strafbar war. Dass Opfer durch diese Reform besser geschützt seien als vorher, ist demnach eine Illusion.
Die Beweisprobleme sind die alten
Die Beweisprobleme bei einer Vergewaltigung seien letztlich die alten geblieben. „Genau genommen hat sich gar nichts verändert“, sagt der Strafverteidiger Ulrich Dost-Roxin. Die Nachweisbarkeit einer Vergewaltigung sei genauso schwierig wie vorher. Da es in den meisten Fällen keine Zeugen und objektiven Beweismittel gebe, komme es bei der Aussage-gegen-Aussage-Situation auf die Frage an: Wem glaubt das Gericht?
Ähnlich wie vorher verhält es sich nach Erfahrung der Ankläger auch mit den Falschbeschuldigungen. Eine Einladung dazu, wie Kritiker fürchteten, sei die Reform deshalb ebenfalls nicht. Spürbar sei bei Vernehmungen neuerdings, dass Frauen ihr ausdrückliches „Nein“ betonten – obwohl es weiterhin auf ihre konkreten Schilderungen des Geschehens ankomme. Manchen Betroffenen sei nicht klar, dass ein „Nein“ nicht reiche, wenn das übrige Handeln als „ja“ erkennbar sei.
Aber was heißt eigentlich nein?
Aber was heißt eigentlich nein? Wie sieht ein erkennbar entgegengesetzter Wille aus? Da dies vom Gesetz nicht näher definiert worden ist, arbeiten sich die Beteiligten an bis dahin irrelevanten Fragen ab:
Reicht ein einmaliges, zaghaftes Nein zu Beginn des Aktes, um den anderen wegen Vergewaltigung ins Gefängnis zu bringen? Eher nicht.
Genügt es, sich im Bett wegzudrehen? Darauf zu verweisen, dass der ganze Körper angespannt war, was der Partner doch hätte bemerken können und müssen? Unwahrscheinlich.
Was ist, wenn der Geschlechtsverkehr vielleicht nicht genossen, aber während des Aktes nicht als Vergewaltigung empfunden wurde – und sich diese Sichtweise nach einer Trennung ändert? Schwierig.
Die Belastung der Polizei ist "enorm gestiegen"
Nach den ersten drei Jahren verweisen Justizakteure in ihrer Bilanz vor allem auf die gewachsenen Aktenstapel auf den Schreibtischen. Die Belastung im Landeskriminalamt sei „enorm gestiegen“, sagt Dezernatsleiterin Schürmann. „Der Sachverhalt muss besonders dezidiert ausgearbeitet werden, weil die Strafandrohung bei Sexualgewaltstraftaten mit Vorbeziehung höher ist und dort auch öfter Haftbefehle erteilt werden.“
Der Berliner Opferschutzbeauftragte Roland Weber, der oft die Nebenklage, also die Opfer, vertritt, sagt: „Ich habe den Eindruck, dass die Polizei strenger geworden ist und mit den Vorwürfen noch vorsichtiger umgeht.“ Es gebe heute kaum noch Vernehmungen unter 30 Seiten. Probleme bereitet den Praktikern auch der Paragraf 177 Absatz 2, der strafverschärfend wirkt, wenn der „Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist“.
"Wir wollen nicht jede Disko-Bekanntschaft sanktionieren"
Der Gesetzgeber hat nicht definiert, was „erheblich eingeschränkt“ bedeutet. Reicht es, betrunken zu sein? Und wenn ja: wie stark? „Wir wollen ja nicht jede Diskobekanntschaft sanktionieren“, sagt Staatsanwältin Jasmin Finger.
Furchtbar, sagt Anwältin Undine Weyers, die die in der Disko vergewaltigte Studentin und auch die Heranwachsenden im nächsten Fall als Nebenklägerin vertritt. „Kein Mensch weiß, was mit ,erheblich eingeschränkt’ gemeint ist.“
Hände weg: der neue Paragraf 184i
Jusuf (Name geändert) windet sich im Zeugenstand, es ist dem 19-Jährigen sichtlich unangenehm, die Übergriffe seines Betreuers zu beschreiben. Der Richter lässt nicht locker, er tippt sich mit dem Kugelschreiber ans Kinn und will jetzt alles „sekundengenau“ wissen: Hat der Angeklagte mit der rechten oder linken Hand Jusufs Brust angefasst? Mit der flachen Hand? Oder den Fingern? Nur draufgelegt oder auch zugedrückt? Wie lange? „Ganz kurz“, sagt Jusuf – und ahnt nicht, dass der Prozess damit so gut wie gelaufen ist.
Vergangener Dienstag, 9 Uhr, Saal 572, Amtsgericht Tiergarten. Kangou George N. ist der sexuellen Belästigung in drei Fällen angeklagt. Der 51-Jährige soll sich in Kreuzberg in einer Wohngemeinschaft der Jugendhilfe an seine Schützlinge, junge unbegleitete Flüchtlinge, herangemacht haben – mit „Komplimenten“ über ihren Körperbau, Umarmungen und Küssen.
George N. sagt: „Ist nicht passiert, ist nicht gewesen.“ Sein alter Arbeitgeber hatte ihn gefeuert, als die Heranwachsenden auspackten, nun arbeitet er mit Familien in einem Übergangswohnheim. Heute geht es auch um seine berufliche Zukunft.
Wenn sich in der U-Bahn ein Unbekannter an einem Körper reibt
Der Tatbestand der „sexuellen Belästigung“ hat den Ermittlern mit Abstand die meiste Arbeit beschert – trotzdem trifft er unter ihnen auf mehr Zuspruch als die neuen Regelungen zur Vergewaltigung. Mehr als 800 Ermittlungsverfahren gab es laut Polizeistatistik im Jahr 2018 allein in Berlin zum neuen Paragraf 184i.
Es umfasst vor allem Fälle, die dort geschehen, wo viele Menschen aufeinander treffen: Wenn sich in der U-Bahn ein Unbekannter an einem Körper reibt, auf der Straße einer Frau aufs Gesäß schlägt, ihm beim Rockkonzert zwischen die Beine fasst, sie in der Disko umarmt und an die Brust greift ...
Übergriffe, die früher oft nicht bestraft werden konnten. Um die wachsende Zahl von Anzeigen in Berlin bewältigen zu können, verschickt die Polizei Fragebögen an die mutmaßlichen Opfer – was die Staatsanwaltschaft nicht begrüßt, aber akzeptiert. Gibt es eine Chance, DNS zu sichern, wird eine Probe ans Labor geschickt. Weil die schweren Delikte vorgehen, dauert es oft Monate, bis das Ergebnis eintrifft.
Ist der Täter überführt, enden die Verfahren in der Regel mit einer Geldstrafe und einem Eintrag ins Bundeszentralregister. „Auch aus ermittlungstaktischer Sicht sind wir froh über diese neue Vorschrift“, sagt Staatsanwältin Finger. So könne man erkennen, wer schon einmal auffällig geworden ist und bei Serientätern effektiver eingreifen.
Keine Serie, aber eine Masche
Keine Serie, aber eine Masche – das steht im Fall von Kangou George N. noch vor der Mittagspause fest. „Ich habe überhaupt keinen Zweifel daran, dass die Zeugen die Wahrheit sagen“, verkündet der Richter. Der offenbar bisexuelle Angeklagte habe mit anzüglichen Witzen, schmierigen Komplimenten und Umarmungen getestet, ob noch mehr geht – dann aber aufgegeben. „Sein Handeln ist falsch, aber nicht strafbar.“
Auf den Zuschauerbänken, wo die jungen Männer nach ihrer Aussage und mehrere Betreuer Platz genommen haben, stößt der Freispruch auf Empörung. „Und der kann jetzt einfach so weitermachen“, flucht eine Sozialarbeiterin vor dem Saal.
Für manche Angeklagte sei mit einem Verfahren ein „Lerneffekt“ verbunden, berichten die Ermittler. Prägungen aus Machokulturen würden jetzt mit dem Strafrecht konfrontiert. Täter mit einschlägigen Vorstrafen könnten jetzt auch besser eingeordnet werden, da ihr Handeln nicht mehr nur als Beleidigung erfasst würde. Wenn auch nicht in erheblichem Maß, würden auch Männer mitunter Taten von Frauen anzeigen. Sonst ist diese Konstellation bei Sexualdelikten praktisch ausgeschlossen.
Antanzen verboten: die neue Regel von Paragraf 184j
Es hätte für den jungen Mann aus Pakistan glimpflich ausgehen können. Er war am 31. Dezember 2016 mit ein paar Landsleuten auf die Silvestermeile am Brandenburger Tor gezogen, um „Party zu machen“, hatte betrunken eine Frau bedrängt und war von der Polizei festgenommen worden. Vielleicht wäre er mit einer Geldstrafe davongekommen, hätte er auf der Wache nicht vor versammelter Mannschaft wütend seine Hose heruntergezogen und „ficki, ficki!“ gerufen.
So geht der junge Pakistaner in die Berliner Rechtsgeschichte ein: Als erster Beschuldigter, der zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt wurde, weil er „in einer Gruppe“ eine sexuelle Belästigung begangen hat. Die Vorschrift aus Paragraf 184j war zum Zeitpunkt seines Übergriffs erst wenige Wochen alt.
In den folgenden Jahren ist der 184j, mit dem das „Antanzen“ männlicher Gruppen unter Strafe stellen wollte, kaum zur Anwendung gekommen.
Elf Ermittlungsverfahren gab es 2018 in Berlin, vor Gericht landeten seit der Reform nicht mal eine Handvoll Fälle. Im Juni 2019 verurteilt das Amtsgericht Tiergarten einen jungen Deutschen, der beim Karneval der Kulturen 2018 das nächtlichen Gedränge ausgenutzt hatte, um sich an einer Frau zu vergreifen.
Mit mindestens zwei Unbekannten hatte er das Opfer umringt, an den Armen festgehalten und an der Brust betatscht, bis sie in ihrer Verzweiflung schrie und wild um sich schlug. Das Gericht verurteilt den arbeitslosen Reinigungshelfer zu 90 Tagessätzen von je 15 Euro.
Mit Empörung zur Reform
Mit dem 50. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs ist der Gesetzgeber beim Sexualstrafrecht auf einen neuen Kurs geschwenkt. Im Haus des damaligen Bundesjustizministers Heiko Maas (SPD) war man sich lange mit den Praktikern aus Gerichten und Staatsanwaltschaften einig: Ein entgegenstehender Wille des Opfers muss bei einer Vergewaltigung immer auch irgendwie überwunden werden. Einen sexuellen Übergriff ohne Nötigungshandlungen könne es folglich kaum geben. Ein einfaches „Nein“ des Opfers reichte nicht.
2014 ändert sich das. Im Herbst bittet Maas die Justizverwaltungen der Länder, Beispiele aus der strafrechtlichen Praxis zu benennen, die auf Schutzlücken hinweisen. Die Ausbeute ist spärlich.
2015, das Jahr der Flüchtlingskrise, bringt auch in diese Debatte eine neue Dynamik. Als es in der Silvesternacht vor dem Kölner Dom zu massenhaften Übergriffen vor allem durch junge Männer aus Maghreb-Staaten kommt, kippt die politische Stimmung. Statt von Willkommenskultur ist plötzlich von Gefahrenabwehr die Rede. Die Politik muss sich fragen lassen, was sie gegen Männergruppen unternimmt, die auf diese Weise Frauen misshandeln. Das Schlagwort „Nein heißt Nein“ soll auch solche Übergriffe stoppen.
Die Töne werden schriller
Die Töne werden schriller, als im Netz ein Sexvideo der früheren „Germany’s Next Topmodel“-Kandidatin Gina-Lisa Lohfink kursiert. In einer Szene sagt Lohfink „Hör auf“. Ein „Hör auf“ sei deutlich, sagt die damalige Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) und verknüpft das Bohei um Lohfink effektvoll mit dem Vorhaben, das neben Kriminalpolitik damit einen frauenpolitischen Bonus verspricht: „Wir brauchen die Verschärfung des Sexualstrafrechts, damit endlich die sexuelle Selbstbestimmung voraussetzungslos geschützt wird.“
Kritik und Skepsis verschwinden ebenso wie der anfängliche Widerstand im Hause Maas. Im Juli verabschiedet der Bundestag die Reform. Grüne und Linke enthalten sich. Dies aber nur, weil mit den Verschärfungen Ausländer leichter ausgewiesen werden sollen. Die zentrale Neuregelung zu Paragraf 177, das „Nein heißt Nein“, begrüßen alle Fraktionen.
Der Fall Lohfink liefert einen Beleg für die Ambivalenz des Projekts.
Der Fall Lohfink liefert einen Beleg für die Ambivalenz des Projekts. Denn statt die vermeintlichen Peiniger der Frau abzuurteilen, klagt die Staatsanwaltschaft Lohfink wegen falscher Verdächtigung an. Der Prozess bietet ein Schauspiel aus Lügen und Theater, während vor den Türen Demonstranten und Aktivistinnen das vermeintliche Opfer zur Ikone ihres „Nein heißt Nein“-Protests ausrufen.
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Wem kann man glauben? Wie schwierig es ist, die Wahrheit zu finden, wenn Aussage gegen Aussage steht, und wie es trotzdem gelingen kann, berichtet eine psychologische Gutachterin hier im Interview
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Am Ende steht eine Geldstrafe von 20 000 Euro für Lohfink. Ihre Aussagen sind widerlegt. Die übrigen Videoaufnahmen zeigen hinreichend, dass die Frau und ihre beiden Partner einvernehmlich wollten, was sie taten. Ein lehrreiches Verfahren, denn es zeigt symbolisch, dass ein Urteil bei derartigen Intimdelikten oft, mangels eindeutiger Beweise, nur ein Ergebnis von Deutungskämpfen sein kann.
Kritiker bleiben in der Minderheit
Aus Teilen der Berliner Justiz ist die Forderung nach Spezialkammern an den Gerichten zu hören, wie es sie beispielsweise am Kölner Landgericht bereits gibt. „Das würde ich absolut begrüßen, nicht nur fachlicherseits, sondern auch was das Menschliche und Persönliche angeht“, sagt Staatsanwältin Finger. Bei Vernehmungen in der Hauptverhandlung muss „mit Gefühl und Erfahrung befragt“ werden, umso mehr, wenn es sich bei den Opfern um Minderjährige handelt.
Andere berichten von furchtbar schiefgelaufenen Prozessen, in denen sich Richter genierten, dezidiert nachzufragen und Worte wie Penis und Klitoris auszusprechen. Als einen „Riesengewinn“ würde Opferbeauftragter Weber auf Sexualstraftaten spezialisierte Richter begrüßen. Das Präsidium des Berliner Landgerichts hält Spezialkammern für verzichtbar. „Der verantwortungsvolle und sensible Umgang mit Opferzeugen gehört in allen Bereichen zur Kernkompetenz der Tatrichter.“
"Das Risiko von Fehlurteilen wächst"
Kritiker der Reform wie der frühere Bundesrichter Thomas Fischer bleiben in der Minderheit. Er zeigt sich skeptisch gegenüber der „massiven Ausweitung des Strafrechtsbereichs“, wie er kürzlich in einem Fachjournal schrieb. Auch beklagt er die parallel zu den Rechtsänderungen verlaufende „rigorose öffentliche Ausgrenzung und soziale Sanktionierung von Beschuldigten“ im Zusammenhang mit öffentlich erhobenen Vorwürfen, Stichwort „Me Too“.
In den Reihen von Strafverteidigern hält sich ebenfalls grundlegende Skepsis. Stefan Conen vom Deutschen Anwaltverein findet die Reform „hochproblematisch“. „Das Gesetz rückt innerpsychische Zustände der Beteiligten in den Mittelpunkt und macht es mehr als schwierig, hier noch sichere Feststellungen zu treffen“, sagt er. Das Risiko für Fehlurteile in dem ohnehin fehlerträchtigen Bereich, wo häufig Aussage gegen Aussage stehe, sei noch einmal deutlich erhöht.
Der Deutsche Richterbund bezeichnet den Grundgedanken der Reform als gut und richtig. In der Praxis habe sich aber gezeigt, dass sie nicht in allen Punkten hinreichend durchdacht war. „Die Neuregelungen haben durch handwerkliche Fehler – ungewollt – dazu geführt, dass Straftäter mitunter davon profitieren“, sagt Bundesgeschäftsführer Rebehn. Die Politik sollte diese „schnellstmöglich beheben“.
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