Gewalt gegen Frauen: Neues Sexualstrafrecht soll Ausweisungen erleichtern
Die Übergriffe der Kölner Silvesternacht haben Folgen im Gesetz. Das Prinzip „nein heißt nein“ wird verankert und Ausweisungen nach Sexualstraftaten leichter möglich.
Die Gelegenheit ist günstig, nun will der Bundestag sie ergreifen. In den vergangenen Tagen einigte sich die Koalition auf letzte Formulierungen, am Donnerstag stimmt das Plenum ab. Damit wird absehbar in der Bundesrepublik ein erneuertes Sexualstrafrecht gelten, das erstmals das Prinzip „nein heißt nein“ verwirklicht und das Einverständnis Betroffener zum Kriterium einer Nötigung macht. Zugleich werden zwei neue Tatbestände geschaffen, die sexuelle Belästigung und sexuelle Übergriffe aus Gruppen heraus unter Strafe stellen. Mitverschärft wird auch das Ausweisungsrecht: Ausländer können nach entsprechenden Taten künftig leichter abgeschoben werden. SPD und Union verständigten sich jetzt auf einen Änderungsantrag zu einem Regierungsentwurf, der dem Tagesspiegel vorliegt.
Der bisherige Entwurf aus dem Haus von Justizminister Heiko Maas (SPD) reichte insbesondere den Frauen in den Fraktionen nicht. Maas wollte am alten System festhalten, nach denen das Strafrecht besondere Tatumstände verlangt, um einvernehmliche sexuelle Handlungen von Nötigung und Vergewaltigung zu unterscheiden. Dazu zählen etwa Gewalttätigkeit, Drohung oder das Ausnutzen einer schutzlosen Lage. Kritisiert wird daran, dass nicht alle Fälle erfasst sein sollen, in denen der innere Widerstand eines Opfers überwunden wird. Um angeblich bestehende Schutzlücken zu schließen, sollte daher auch der Missbrauch „unter Ausnutzung besonderer Umstände“ strafbar werden. Aber das ging den Abgeordneten nicht weit genug. Die Frauen in SPD und Union wollten das „Nein“-Prinzip und die Strafbarkeit sexueller Belästigungen durchsetzen, die Männer in der Union einen gesonderten Tatbestand, der auf das Geschehen in der Kölner Silvesternacht reagiert und Gruppen-Übergriffe erfasst.
Der erneuerte Paragraf 177 hebt nun darauf ab, dass sexuelle Handlungen „gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person“ vorgenommen werden. Das innere „Nein“ genügt also auch jetzt nicht. Der Wille muss für den Täter wahrnehmbar nach außen treten. Insofern werden Staatsanwälte auch künftig auf die Tatumstände zu achten haben. Allerdings dürften die Hürden für eine Anklage sinken, wenn ein Opfer glaubhaft schildert, dass es einem Verdächtigen klar „nein“ gesagt hat. Solche Übergriffe können mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden. Ebenso soll bestraft werden, wer bestimmte Situationen ausnutzt, in denen die Willensbildung beeinträchtigt sein kann, etwa bei Krankheit, in bestimmten „psychischen Zuständen“, einem Überraschungsmoment oder wenn das Opfer fürchten muss, dass es im Fall des „Nein“ geschlagen oder gezwungen wird. Die Koalition möchte Fälle erfasst wissen, in denen auch ohne Drohung ein „Klima der Gewalt“ herrscht, heißt es in der Antragsbegründung. In schweren Fällen, etwa bei Waffengewalt, steigen die Strafen auf mindestens drei oder fünf Jahre.
Neu im Gesetz ist Paragraf 184i. Danach drohen Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Haft für einen Täter, der einen anderen „in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt“. Laut Antragsbegründung sind damit Taten wie das Küssen von Mund und Hals oder das „Begrapschen“ des Gesäßes gemeint. Es sei „Ausdruck der sexuellen Selbstbestimmung, derartige Handlungen zuzulassen oder abzulehnen“. Allerdings wird auch angedeutet, dass jemanden in den Arm zu nehmen oder einen „schlichten Kuss auf die Wange“ zu drücken, nicht ohne weiteres strafbar sein soll.
Ihr Vorhaben, sexuelle Übergriffe aus Personengruppen heraus gesondert unter Strafe zu stellen, haben die Koalitionäre nachgebessert: Im Änderungsantrag heißt es nun, strafbar mache sich gemäß dem neuen Paragraf 184j nur, „wer eine Straftat dadurch fördert, dass er sich an einer Personengruppe beteiligt, die eine andere Person zur Begehung einer Straftat an ihr bedrängt“ und aus dieser Gruppe heraus sexuelle Nötigungen oder Belästigungen begangen werden.
Nach den anfänglichen Plänen der Koalition sollte es bereits reichen, dass sich jemand „an einer Personengruppe beteiligt, die eine andere Person zur Begehung einer Straftat umdrängt.“ Kritiker sahen darin einen Verstoß gegen das Schuldprinzip und das Risiko einer zu weiten Strafbarkeit, etwa bei Ansammlungen, die ein Einzelner nicht überblickt. Der Antrag stellt nun klar, dass ein Täter „mindestens billigend in Kauf nimmt, dass aus der Gruppe heraus Straftaten begangen werden“. Teil einer Masse zu sein, etwa in einer U-Bahn, in der jemand andere sexuell nötigt, führe nicht zur Strafbarkeit.
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