Michel Temer im Porträt: Was ist von Brasiliens neuem Präsidenten zu erwarten?
Brasiliens neues Staatsoberhaupt Michel Temer war sechs Jahre lang Vizepräsident. Dann setzte er sich von Präsidentin Dilma Rousseff ab. Das ist der Mann, der Brasilien nun regiert.
Michel Temer hat nie verhehlt, dass er sich als sehr viel bessere Option für das Präsidentenamt betrachtet als Dilma Rousseff. Nun ist er über ihre Absetzung in den Präsidentenpalast gelangt – den er über reguläre Wahlen nie erreicht hätte: Wären morgen Wahlen, würde Temer laut Umfragen wohl nur ein einstelliges Ergebnis erzielen. Der 75-Jährige wird wegen seines stoischen Gesichtsausdrucks oft mit einem Butler in einem Horrorfilm verglichen, über seine Versuche als Poet machen sich die Satiriker lustig.
Allerdings darf man Temer, der mit einem 32-jährigen Ex-Model verheiratet ist, nicht unterschätzen. Er hat ein perfektes machiavellistisches Spiel hinter dem Rücken von Rousseff getrieben, hat Politiker fast aller Parteien mit Posten und Versprechen auf seine Seite gezogen. Er versteht das politische Ränkespiel in der Hauptstadt Brasília gut. Geschickt hat er auch seine Partei, die PMDB, von der Regierung gelöst, seit klar war, dass die Stimmung gegen Rousseff kippt.
Siegessicher drängte er zuletzt auf einen raschen Abschluss des Impeachmentprozesses, um als legitimer Präsident Brasiliens zum G-20-Gipfel nach China reisen zu können. Temer gilt als charmant und eitel. So beschwerte er sich einmal, nur als „dekorativer Vize“ zu dienen und seinen Status als politischer Protagonist eingebüßt zu haben. Um nicht wie bei der Eröffnungsfeier ausgepfiffen zu werden, verzichtete er auf die Olympia-Schlusszeremonie.
Temers Name wird im Zusammenhang mit verschiedenen Korruptionsaffären genannt, aber er bestreitet die Vorwürfe. Als Präsident genießt er nun Immunität.
Temer gilt als typischer Repräsentant der alten konservativen Eliten Brasiliens, die die Interessen von Großgrundbesitzern und Industriellen vertreten. Politik zur Förderung von gesellschaftlich benachteiligten Gruppen – Schwarze, Indigene, Frauen, Lesben und Schwule, Favelabewohner und Landlose – lehnt er ab.
Michel Temers Partei ist die PMDB. Es ist die mitgliederstärkste Partei Brasiliens, sie stellt die meisten Gouverneure und Bürgermeister des Landes und hat die meisten Abgeordneten im Parlament (67). Seit der Redemokratisierung Brasiliens 1985 war sie an allen Regierungen beteiligt, was viel über ihre ideologische Flexibilität sagt. Ihre politische Ausrichtung wird mit Synkretismus beschrieben: Damit ist die Einnahme bestimmter Positionen im Tausch für handfeste Vorteile gemeint – also nichts anderes als Opportunismus.