Brandenburg, Sachsen, Thüringen: Wahlen im Osten: Grenzt sich die CDU klar von der AfD ab?
2019 wird in Brandenburg, Sachsen und Thüringen gewählt. Die Regierungsbildung dürfte in allen drei Ländern schwierig werden.
Ausgerechnet in Clausnitz, Ortsteil der sächsischen Gemeinde Rechenberg-Bienenmühle, will Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) im neuen Jahr die Reihe seiner Bürgergespräche beginnen. Am 8. Januar kommt er dort zur Diskussion in die Agrargenossenschaft „Bergland“. Die Einwohner sind geladen, im sogenannten Fishbowl-Verfahren an den Stehtisch zu Kretschmer und dem Bürgermeister der Gemeinde zu treten und dort ihre Standpunkte vorzutragen. In jener Gemeinde also, die im Februar 2016 weltweit Schlagzeilen machte – als Einwohner einen eintreffenden Bus mit Flüchtlingen blockierten, „Ausländer raus“ und „Wir sind das Volk“ riefen. Von der „Schande von Clausnitz“ war damals im Tagesspiegel die Rede.
Clausnitz ist keine Wahlkampfveranstaltung, jedenfalls nicht offiziell. Und doch hat der Wahlkampf längst begonnen in den drei ostdeutschen Bundesländern, in denen 2019 die Zusammensetzung der Landtage neu bestimmt wird. Neben Sachsen sind das noch Thüringen und Brandenburg. 2014 waren das die ersten drei Bundesländer, in denen die AfD ins Parlament einzog, damals noch mit Ergebnissen zwischen 9,7 und 12,2 Prozent. An den Regierungen wurde die damals rechtspopulistische und heute mehr und mehr rechtsradikale Partei nicht beteiligt.
Die Koalitionen in den drei Ländern waren dann denkbar unterschiedlich: In Sachsen löste ein CDU-SPD-Bündnis die schwarz-gelbe Regierung ab. Wegen der anhaltenden Schwäche der Sozialdemokraten im Freistaat verdient es nicht den Namen „große Koalition“. In Brandenburg konnte der SPD-Politiker Dietmar Woidke die Mehrheit für eine rot-rote Regierungskoalition sichern. Und in Thüringen wurde Parteiengeschichte geschrieben: Nach wochenlangen Verhandlungen wurde im Dezember 2014 mit Bodo Ramelow erstmals ein Linken-Politiker zum Regierungschef eines Bundeslandes gewählt.
Linke muss um Regierungschef-Posten fürchten
Und nun, 2019? Schenkt man den Umfragen Glauben, wird es in keinem der drei Bundesländer so bleiben, wie es ist. Sowohl Kretschmer als auch Woidke und Ramelow müssen um die Mehrheit für ihre bisherigen Regierungsbündnisse fürchten, womöglich auch um ihr Amt. Die AfD wird von den Meinungsforschern aktuell deutlich höher taxiert als an den Wahltagen 2014: In Sachsen auf 25 Prozent, in Thüringen zuletzt zwischen 22 und 23 Prozent und in Brandenburg zwischen 21 und 23 Prozent. Das ist sehr nah am bisher besten Ergebnis der AfD bei einer Landtagswahl: Im März 2016 kam die Partei in Sachsen-Anhalt auf 24,3 Prozent. CDU, SPD und Grüne einigten sich auf die erste Kenia-Koalition, die längst nicht alle in der CDU dort wollten und wollen: Beobachter schätzen, dass jeder dritte CDU-Abgeordnete im Magdeburger Landesparlament auch mit einer CDU-AfD-Koalition gut leben könnte.
AfD will eine Million Euro für Wahlkämpfe ausgeben
Über einen möglichen „Durchmarsch“ der AfD bei den kommenden Landtagswahlen spekulierte jetzt die Nachrichtenagentur dpa. „Auffällig ist, dass die AfD in Umfragen in der Regel schlechter abschnitt hat als später bei der Wahl“, heißt es in ihrem Bericht. Der Politikwissenschaftler Hans Vorländer wird zitiert: „Man weiß aus der Forschung, dass es bei Befragungen häufig eine Verzerrung durch ,soziale Erwünschtheit’ der Antworten gibt. Viele glauben, dass es sozial nicht erwünscht sei, sich zur AfD zu bekennen.“ Nach Informationen des „Spiegel“ will die Partei für die drei Landtagswahlkämpfe mehr als eine Million Euro ausgeben, allein in Sachsen seien 800 Events geplant.
Derzeit liegen CDU und AfD in den drei Bundesländern bei Umfragen nah beieinander. Die Linke kommt auf ähnliche oder leicht schlechtere Werte. Nur in Brandenburg kann die SPD gleichziehen. Der bundesweite Höhenflug der Grünen schlägt sich auch im Osten nieder. Die FDP kann auf ein Comeback in allen drei Landesparlamente hoffen. Das heißt voraussichtlich: Sechs-Parteien-Parlamente. Und eine denkbar komplizierte Regierungsbildung. Für die Beteiligten kommt es auf sehr viel an: Stabilisiert sich die AfD? Setzt die CDU-Spitze eine klare Abgrenzung zur AfD durch? Verliert die Linke zwei ihrer drei Regierungsbeteiligungen, was für sie ein extremer Rückschlag wäre? Fällt die SPD auch in anderen Bundesländern auf sächsisches Niveau?
In der Frage, ob es eine Annäherung an die AfD geben dürfe, sagen führende CDU-Politiker nein, auch deshalb, weil sich die AfD im Osten extrem rechts positioniert und eng mit der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung verbandelt ist. Sachsens Linksfraktionschef Rico Gebhardt, der seine Partei in die Landtagswahl führen will, hat erklärt, er nehme Kretschmer persönlich die Abgrenzung zur AfD ab, nicht jedoch dessen Partei.
Aber kann der CDU-Regierungschef mit seinem Dialog-Konzept erfolgreich sein? Mit Blick auf die Bürger-Diskussion in Clausnitz sagt Kretschmer, in kleinen Gemeinden würden die Probleme „direkt angesprochen, die Diskussionen sind sehr lebendig“. Dies sei „gelebte Demokratie“. Auf die fremdenfeindlichen Ausschreitungen vor knapp zwei Jahren geht er in der Einladung nicht ein. Immer wieder war auch er beteiligt, wenn rechte Umtriebe im Freistaat relativiert wurden, beispielsweise nach den Ausschreitungen in Chemnitz. Im Landtag sagte Kretschmer dazu, es habe dort „keinen Mob“ und „keine Hetzjagd“ gegeben – eine entschiedene Feststellung, die er später intern bedauerte.
Und wie läuft es in Thüringen und Brandenburg? Mike Mohring, CDU-Oppositionsführer im Erfurter Landtag, hat ein Bündnis mit der AfD klar ausgeschlossen, von Ramelow wurde er dafür gelobt. In Brandenburg erwägt CDU-Chef Ingo Senftleben sogar eine Koalition mit der Linken. Zwar bestünden mit ihr „insbesondere auf dem Feld der Inneren Sicherheit extrem große Unterschiede“. Mit der AfD dagegen gebe es unter der Führung von deren Landeschef Andreas Kalbitz gleich gar „keine Gemeinsamkeiten“.