Mutmaßlicher Giftgaseinsatz: USA drohen einseitige Maßnahmen gegen Syrien an
Der UN-Sicherheitsrat findet keine gemeinsame Antwort auf den Einsatz von Giftgas in Syrien. Die USA ändern ihre Haltung zur syrischen Regierung. Präsident Trump sieht "Linien überschritten".
Einen Tag nach dem Tod Dutzender Menschen, darunter viele Kinder, durch einen mutmaßlichen Giftgaseinsatz in der syrischen Provinz Idlib schwinden die Chancen, dass die Weltgemeinschaft zu einer geschlossenen Haltung findet und das Kriegsverbrechen ahndet. Die Vetomacht Russland lehnte am Mittwoch den Entwurf der USA, Großbritanniens und Frankreichs für eine UN-Resolution zu dem Angriff ab, der eine Untersuchung fordert. Der Entwurf sei „grundsätzlich unannehmbar“, erklärte das Außenministerium. Er greife den Ergebnissen von Ermittlungen voraus und benenne schon jetzt „die Schuldigen“.
Die USA drohten ihrerseits mit einseitigen Schritten, sollte sich der UN-Sicherheitsrat nicht auf eine gemeinsame Reaktion verständigen. „Wenn die Vereinten Nationen fortlaufend ihre Pflicht zum kollektiven Handeln verletzen, dann sind wir gezwungen, unsere eigenen Maßnahmen zu ergreifen“, sagte die UN-Botschafterin der USA, Nikki Haley, am Dienstag. US-Präsident Donald Trump warf der syrischen Regierung derweil vor, Grenzen überschritten zu haben. „Für mich sind damit eine Reihe von Linien überschritten worden“, sagte er.
Trump erklärte, Einstellung zu Assad habe sich verändert
Trump und Haley ließen indes offen, ob und welche Konsequenzen nun folgen würden. Trump erklärte aber, seine Einstellung zu Assad habe sich verändert. Die syrische Regierung werde „auf jeden Fall“ ein Zeichen erhalten. Dieser „Affront gegen die Menschlichkeit des Assad-Regimes kann nicht toleriert werden“, sagte Trump. Der Angriff am Dienstag auch auf Frauen, Kinder und Babys sei entsetzlich und furchtbar.
"Unserer Ansicht nach gibt es keinen Zweifel daran, dass das syrische Regime unter der Führung von Baschar al-Assad für diesen schrecklichen Angriff verantwortlich ist", sagte US-Außenminister Rex Tillerson am Mittwochabend vor Journalisten in Washington. Es sei "höchste Zeit für die Russen, ihre anhaltende Unterstützung für das Assad-Regime" zu überdenken. Tillerson reist kommende Woche zu Gesprächen nach Moskau. Im Wahlkampf hatte Trump eine deutliche Verbesserung der Beziehungen zu Russland angekündigt.
Der mutmaßliche Giftgasangriff in der nordwestsyrischen Kleinstadt Chan Scheichun hatte am Dienstag international Entsetzen ausgelöst. Nach jüngsten Angaben von Aktivisten wurden mindestens 72 Menschen getötet, mehr als hundert weitere Menschen wurden verletzt. Frankreich, Großbritannien und die USA machten die Truppen von Machthaber Baschar al Assad für den Angriff verantwortlich. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hält es dagegen nicht für erwiesen, dass syrische Regierungstruppen die Tat begangen haben. „Noch wissen wir nicht, wer letztlich für den Giftgasangriff verantwortlich ist“, sagte er. „Wir müssen jetzt in die Aufklärungsarbeit gehen.“
Appell an Russland, Resolution zuzustimmen
Außenpolitiker aus dem Bundestag appellierten ebenfalls an Russland, dem Resolutionsentwurf zuzustimmen. Die EU müsse all denen wirtschaftliche Sanktionen androhen, „die mittelbar und unmittelbar Verantwortung für diese Kriegsverbrechen tragen“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU). Russland unterstützt im syrischen Bürgerkrieg mit seiner Luftwaffe das Regime von Präsident Assad. Was tatsächlich in der syrischen Stadt geschah, ist umstritten.
Nach Angaben des Moskauer Verteidigungsministeriums traf ein Angriff syrischer Kampfjets eine Werkstatt, in der die Opposition Giftgasmunition herstellt. Assad-Gegner bestreiten dies. Auch deutsche Experten halten es für unwahrscheinlich, dass Dschihadistenmilizen in der Stadt über Giftgas verfügen. Dafür gebe es „absolut keine Hinweise“, sagte der Terrorexperte Peter Neumann vom Londoner King's College dem Tagesspiegel.
Deutschland sagte bei der internationalen Syrien-Konferenz weitere 1,2 Milliarden Euro für die Unterstützung von Flüchtlingen aus dem Land zu. Außenminister Gabriel würdigte in Brüssel die Anstrengungen der Nachbarländer Jordanien, Libanon und Türkei, die trotz geringen Wohlstands Millionen Flüchtlinge aufgenommen hätten. (mit AFP, dpa)
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