Giftgasangriff in Syrien: USA geben Russland und Iran Mitverantwortung für Giftgaseinsatz
Die US-Regierung bezeichnet den Giftgasangriff in Syrien mit mindestens 58 Toten als "verwerfliche Tat" der Assad-Regierung. Die UN kündigen eine Untersuchung an.
Die USA haben Russland und den Iran nach dem schweren Giftgasangriff in Syrien in scharfer Form aufgerufen, ihren Einfluss auf Präsident Baschar al-Assad geltend zu machen. "Es ist klar, wie Assad operiert: mit brutaler, unverfrorener Barbarei", erklärte US-Außenminister Rex Tillerson am Dienstag in Washington in einer Mitteilung. Die Unterstützer Assads sollten sich keinerlei Illusionen über ihn oder seine Absichten hingeben.
"Als selbsterklärte Garanten des in Astana verhandelten Waffenstillstands tragen Russland und der Iran eine große moralische Verantwortung für diese Toten", erklärte Tillerson. Bei einem der schwersten Angriffe mit Giftgas in dem Bürgerkrieg sind Aktivisten zufolge mindestens 58 Menschen getötet worden, darunter 19 Kinder und elf Frauen.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete am Dienstag aus der von Rebellen kontrollierten Stadt Chan Scheichun im Nordwesten des Landes zudem Dutzende Verletzte. Mehrere Stellen machten die Assad-Regierung verantwortlich. Die Rettungshelfer der Organisation Weißhelme berichteten sogar von 240 Verletzten. Die Hilfsorganisation Union of Medical Care and Relief Organizations (UOSSM) sprach von 100 Toten und 400 Verletzten.
Trump "extrem alarmiert"
Jeder, der chemische Waffen einsetze, um seine eigenen Leute anzugreifen, zeige eine fundamentale Verachtung für menschlichen Anstand und müsse zur Rechenschaft gezogen werden, erklärte Tillerson. "Wir rufen Russland und Iran auf, ihren Einfluss auf das syrische Regime auszuüben und auszuschließen, dass sich eine solch schreckliche Attacke wiederholt", schrieb er.
Es handle sich um eine "verwerfliche Tat" der Assad-Regierung, sagte am Dienstag in Washington der Sprecher des Weißen Hauses, Sean Spicer. Er fügte hinzu, dass es im "besten Interesse" des syrischen Volkes liege, wenn Assad nicht weiter regiere.
Syrische Sicherheitskreise sprachen von einer "Falschanschuldigung" der Opposition. US-Präsidentensprecher Spicer sagte jedoch, seine Regierung sei "überzeugt" davon, dass Assad für den Angriff verantwortlich sei. Nach seinen Worten wurde Präsident Donald Trump ausführlich über den Vorfall gebrieft und sei "extrem alarmiert". Der Einsatz chemischer Waffen durch einen Staatschef gegen das eigene Volk, darunter Frauen und Kinder, könne nicht "akzeptiert oder toleriert" werden.
Mit diesen Statements verschärfte die Trump-Regierung nochmals ihren Ton gegenüber Assad. Noch vor dem mutmaßlichen Giftgasangriff hatte bereits die US-Botschafterin bei der UNO, Nikki Haley, Assad als "Kriegsverbrecher" bezeichnet, der seine Landsleute "abscheulich" behandele und schon "seit langem ein Hindernis für den Frieden" in Syrien darstelle.
Die US-Regierung gehe davon aus, dass die Syrer Assad loswerden wollten, sagte Haley in New York. Washington werde daher nicht "akzeptieren", dass der Staatschef erneut bei Präsidentschaftswahlen kandidiere.
In der vergangenen Woche hatte die US-Botschafterin hingegen noch gesagt, dass Assads Rückzug für die USA kein vordringliches Ziel mehr sei. Washington wolle sich nicht mehr so sehr auf die Figur des syrischen Machthabers konzentrieren wie noch unter dem früheren Präsidenten Barack Obama.
Die Vereinten Nationen kündigten eine Untersuchung an. Der UN-Sicherheitsrat wollte am Mittwoch auf Antrag Frankreichs und Großbritanniens zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte „den offensichtlichen C-Waffenangriff“. „Solche Kriegsverbrechen müssen bestraft werden“, zitierte Regierungssprecher Steffen Seibert die Kanzlerin auf Twitter.
Die Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) zeigte sich zutiefst besorgt. Experten der OPCW sammelten und analysierten zur Zeit alle verfügbaren Informationen, teilte die Organisation in Den Haag mit.
Auch Frankreich und Großbritannien sahen die syrische Regierung hinter dem Angriff. „Wie am 21. August 2013 in Ghouta greift Baschar al-Assad Zivilisten an und nutzt dabei Mittel, die von der internationalen Gemeinschaft geächtet sind“, teilte der Élyséepalast am Dienstag mit. Der britische Außenminister Boris Johnson erklärte: „Das trägt alle Anzeichen eines Angriffs durch das Regime, das wiederholt chemische Waffen eingesetzt hat.“
Auch Aktivisten machten für den Angriff Jets der syrischen Luftwaffe verantwortlich. Diese wies den Vorwurf zurück. Ein syrischer General, der ungenannt bleiben wollte, erklärte, die syrische Armee habe in Chan Scheichun kein Giftgas eingesetzt.
Die Menschenrechtsbeobachter erklärten, Jets hätten am Morgen mehrere Angriffe geflogen. Menschen seien in Ohnmacht gefallen, hätten sich erbrochen und Schaum vor dem Mund gehabt. Der Zustand vieler Verletzter sei ernst. Bilder im Internet zeigten zahlreiche Leichen und Opfer, die mit Sauerstoff behandelt wurden.
Schon mehrfach Giftgasangriffe
Später am Tag hätten Jets Chan Scheichun erneut angegriffen, meldeten die Menschenrechtler. Andere Aktivisten erklärten, bombardiert worden sei eine Klinik, in der Verletzte behandelt worden seien. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Die Menschenrechtler sitzen in England, stützen sich aber auf ein Netzwerk von Informanten in Syrien. Ihre Angaben haben sich als zuverlässig erwiesen.
Chan Scheichun liegt im Süden der Provinz Idlib, die von unterschiedlichen Rebellengruppen kontrolliert wird. Eigentlich gilt in dem Bürgerkriegsland seit Ende des vergangenen Jahres eine von Russland und der Türkei ausgehandelte Waffenruhe. Diese ist jedoch brüchig. Ausgenommen von der Waffenruhe sind die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) und die Al-Kaida-nahe Organisation Tahrir al-Scham. Diese ist besonders in der Provinz Idlib stark.
UN-Ermittler hatten Syriens Regierung im März vorgeworfen, in den vergangenen Monaten im Kampf um die Stadt Aleppo und andernorts Chlorgas eingesetzt zu haben. Ein Bericht der Untersuchungskommission des Menschenrechtsrates sprach von mindestens fünf Chlorgas-Angriffen regierungstreuer Kräfte seit Anfang dieses Jahres.
Bereits 2013 waren östlich der Hauptstadt Damaskus bei Angriffen mit Giftgas rund 1400 Menschen getötet worden. Die Opposition und der Westen machten dafür Syriens Regierung verantwortlich. Diese stimmte danach zu, alle Giftgasvorräte zu vernichten. Chlor fiel jedoch nicht unter das Verbot, weil es für zivile Zwecken benötigt wird. Im vergangenen Dezember starben einer Hilfsorganisation zufolge in der Provinz Hama bei einem Giftgasangriff 93 Zivilisten. (dpa, AFP)