Machtkampf im Südsudan: Unterschriften ohne Wert
Südsudans Präsident Salva Kiir und sein Gegenspieler Rieck Machar schließen zum mittlerweile vierten Mal Frieden - und kämpfen zwei Tage später schon wieder um die Ölfelder. Derweil ist mit vier Millionen Menschen mehr als die Hälfte der Bevölkerung von Hunger bedroht.
Die Unterschriften des südsudanesischen Präsidenten Salva Kiir und seines Widersachers Rieck Machar waren kaum unter den jüngsten Friedensvertrag gesetzt, da begannen die Kämpfe im Land aufs Neue. Am 1. Februar haben Kiir und Machar zum nunmehr vierten Mal unter der Aufsicht der Regionalorganisation Igad beteuert, bis spätestens Juli eine Machtteilung vorzunehmen und den Krieg, den sie am 15. Dezember 2013 begonnen haben, zu beenden. Am Dienstag wurde die Ölstadt Bentiu wieder beschossen, und am gleichen Tag rief Rieck Machar zu einer neuen Mobilmachungsrunde auf. So hatten die Vereinbarungen zuvor auch schon alle geendet.
Der Igad-Chefunterhändler, Äthiopiens Außenminister Seyoum Mesfin, klang erschöpft, als er den beiden Politikern in Addis Abbeba für ihre Unterschriften dankte. Kenias Präsident Uhuru Kenyatta schwang sich sogar zu leiser Kritik auf. Das, was Kiir und Machar seit einem guten Jahr darbieten, „ist nicht, was das südsudanesische Volk von seinen Anführern erwartet hat“, tadelte er. Doch den beiden Anführern ist das offenbar relativ gleichgültig.
Seit dem Ende der Regenzeit wird im Südsudan wieder gekämpft. Der Machtkampf dreht sich seit Monaten um die drei wichtigsten Städte rund um die südsudanesischen Ölfelder: Bor, Bentiu und Malakal. Alle drei Städte sind aktuell kaum noch bewohnbar. Sie wurden von beiden Seiten mehrfach eingenommen. Und jedes Mal haben die Milizen Machars (SPLA/IO) wie die reguläre Armee SPLA schwere Massaker angerichtet. Erst vor wenigen Tagen hat die UN-Friedensmission im Südsudan Unmiss einen Bericht über die Eroberung von Bentiu durch Machars Truppen im April 2014 veröffentlicht. Zwei Tage später stürmte ein „Mob“ das Unmiss-Lager in Bor, wo Tausende Menschen hingeflüchtet waren. Mindestens 353 Zivilisten sind bei diesen zwei Angriffen getötet worden und mindestens 250 Menschen wurden verletzt, schreibt Unmiss. Diese Zahlen hat die UN-Mission aus Gesprächen mit 142 Personen und Institutionen ermittelt. 19 Kranke wurden in Bentiu im Krankenhaus getötet, 287 in einer Moschee. Beim Angriff auf die Unmiss in Bor sind mindestens 47 Menschen getötet worden. Unmiss wirft in dem Bericht beiden Seiten vor, gezielt nach ethnischen Kriterien Zivilisten getötet zu haben.
Derweil bettelt die UN-Mission darum, einen Nothilfeeinsatz für rund 4,1 Millionen Menschen finanziert zu bekommen. Das ist die Zahl der Menschen, die Ende des Jahres vor dem Verhungern stehen, wenn die internationale Gemeinschaft sie nicht ernährt. Das ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung des jüngsten Staats der Erde. Rund 50 000 Menschen sind dem Krieg bereits zum Opfer gefallen, knapp zwei Millionen Menschen wurden vertrieben. Die Zahlungsbereitschaft der Geberländer ist nicht allzu hoch, denn mit dem Syrienkrieg, Ebola und diversen anderen Krisen sieht sich die Weltgemeinschaft an vielen Orten gefordert. Zudem ist der Bürgerkrieg im Südsudan so offenkundig dem Machthunger zweier Politiker zu verdanken, dass es den UN schwer fällt, die notwendigen Mittel einzutreiben.
Der sinkende Ölpreis hat Kiir und Machar nicht zur Einsicht gebracht, dass sie etwas zu verlieren haben. Annette Weber von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sieht den Grund dafür in der Weigerung der ehemaligen Befreiungsbewegung, die Rolle zu wechseln und den neuen Staat aufzubauen. Das aktuelle Budget, das angesichts des gesunkenen Ölpreises und des Krieges wohl kaum erwirtschaftet werden könne, sehe lediglich elf Prozent der Ausgaben für Bildung und Gesundheit sowie vier Prozent für Infrastruktur vor. Der Rest sei für die Armee und die Polizei verplant. Die ganze Gesellschaft ist wieder da, wo sie in ihrem 20-jährigen Befreiungskrieg vom Sudan gewesen ist: im Krieg. Nur dass jetzt das Ziel fehlt. Unabhängig ist der Südsudan seit 2011.
Die Igad hat mehrfach mit Sanktionen gegen die beiden Anführer des Krieges gedroht, sie aber nur zögerlich umgesetzt. Weber fordert deshalb, die Konten von Kiir, Machar und ihren Verbündeten nicht nur in Europa sondern auch in den Nachbarländern einzufrieren und einen UN-überwachten Ölfonds zu gründen. Doch ohne ein entschiedeneres Auftreten insbesondere der USA, dem wichtigsten Geburtshelfer des Südsudan, sieht Weber wenig Chancen dafür. Die Afrikanische Union, die im vergangenen Jahr eine eigene Kommission zur Untersuchung der Menschenrechtsverbrechen im südsudanesischen Machtkampf eingesetzt hat, hat beim jüngsten Gipfel vor wenigen Tagen entschieden, den Bericht der Kommission vorläufig nicht zu veröffentlichen. Die Kommission unter der Leitung des ehemaligen nigerianischen Präsidenten Olusegun Obasanjo hatte den Südsudan im vergangenen Jahr mehrfach besucht und versucht, sich ein Bild von der Lage zu machen.
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