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Kann Olaf Scholz die SPD aus ihrem Tief führen?
© REUTERS/Fabrizio Bensch/File Photo

Die SPD in der Krise: Und plötzlich ist Olaf Scholz wieder Hoffnungsträger

Die SPD kommt nicht aus dem Tief, wirkt planlos. Ihr droht ein weiterer Niedergang. Es sei denn, der Vizekanzler beweist jetzt Mut. Ein Kommentar.

Es ist typisch SPD. Wie Sisyphos rollen sie seit Jahren den schweren Stein der Grundrente den Berg hinauf. Am Tag, als der Bundestag diese beschließt, werden sie von einem anderen Stein überrollt: Sigmar Gabriels Beratertätigkeit für den Fleischkonzern Tönnies.

Eine Partei mit hohen moralischen Ansprüchen wie die SPD, die seit Jahren unter Glaubwürdigkeitsverlusten leidet, empfindet bestimmte Lobby- und Nebentätigkeiten verdienter Sozialdemokraten, von Gerhard Schröder bis Sigmar Gabriel, als Gift. Zudem verstolpert man sich zunehmend in linker Identitätspolitik, etwa wenn die Vorsitzende Saskia Esken der Polizei pauschal ein Rassismusproblem unterstellt, was zu Entsetzen bei diversen SPD-Innenpolitikern führte.

Auch nicht gut nach außen wirkt, wenn die neue Wehrbeauftragte Eva Högl die Wiedereinführung der Wehrpflicht anregt und sofort von der Führung zurückgepfiffen wird. Die Vorsitzenden Esken und Norbert Walter-Borjans werden intern von vielen als Betriebsunfall betrachtet – es gibt kein klares Machtzentrum oder strategisch vorbereitete Zukunftsdebatten, entsprechend klingt die SPD mitunter sehr kakophonisch.

Man feiert sich für das Erreichte in der Koalition, statt Debatten zu führen, warum nur die Union in der Coronakrise profitiert – und die SPD bei 15,16 Prozent stagniert.

Die SPD-Minister erreichten auch in der Corona-Krise einige Erfolge in der Bundesregierung - in Umfragen profitieren aber nur CDU/CSU.
Die SPD-Minister erreichten auch in der Corona-Krise einige Erfolge in der Bundesregierung - in Umfragen profitieren aber nur CDU/CSU.
© dpa

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Auch das Hinterherlaufen der Grünen zeitigt bisher wenig Erfolg, da wird lieber das Original gewählt. Mit der Parole „Kein Cent für Benziner und Diesel“ wurden – gegen den Willen gestandener Genossen – beim Konjunkturpaket die von Entlassungen bedrohten Facharbeiter in der Autoindustrie abgekanzelt; mit einer Entfremdung von den Gewerkschaften als Kollateralschaden.

SPD-Ministerpräsidenten sind ratlos, wie in Berlin Politik gemacht wird, die zwar Beifall im linken Lager und bei den Jusos bringt, aber Bauern, Polizisten, Privatunternehmer und Industriearbeiter verprellt, statt gemeinsam Lösungswege zu suchen und verlorenes Vertrauen wiederaufzubauen.

„SPD als Juso-Social-Media-Bekenntnislinke wird wegsterben“

Wer den Anspruch hat, noch Volkspartei zu sein, kann sich so nicht verhalten. Diese SPD als „Juso-Social-Media-Bekenntnislinke wird wegsterben“, meint der Buchautor Nils Heisterhagen. Die Realisten der SPD müssten in den aktiven Widerstand, fordert er. Stammwähler sterben weg, die Jüngeren wählen lieber andere Parteien.

Es kommen zu wenige Talente jenseits von Kevin Kühnert nach, die andere Ideen haben und mitreißen. Das SPD-Schaulaufen für den Vorsitz war das beste Beispiel dafür. Diese große Partei lebt zu sehr von der Vergangenheit.

Stehen für einen klaren Linkskurs der SPD: Vize Kevin Kühnert und die Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken.
Stehen für einen klaren Linkskurs der SPD: Vize Kevin Kühnert und die Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken.
© REUTERS

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Trotz aller Erneuerungsbekenntnisse fehlt der Plan, wie Innovation und Gerechtigkeit sich in Zeiten von Klimawandel, entgrenztem Kapitalismus und digitaler Revolution verbinden lassen. Das Zutrauen in die Bundes-SPD bei Wirtschaft und innerer Sicherheit nähert sich in Umfragen dem Nullpunkt. Es dominiert der Kampf um gute Listenplätze für die Bundestagswahl, und es gibt einen Mangel an Abgeordneten mit Arbeitserfahrungen jenseits von Partei und Beamtentum.

Olaf Scholz: Letztes Jahr noch angefeindet

Die große Hoffnung liegt nun mangels Alternativen ausgerechnet in der allseits erwarteten Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz. Es passt ins Bild: Letztes Jahr noch angefeindet und Esken/Walter-Borjans im Rennen um den Vorsitz klar unterlegen. Der Vizekanzler hätte einen Plan – aber dieser könnte am eigenen Laden scheitern, wenn ihm wie bei Peer Steinbrück ein linkes Programm übergestülpt würde, das nicht zu ihm passt.

So müsste Sisyphos Scholz den Stein raufrollen und krampfhaft die Illusion einer Machtperspektive (Ampelkoalition) aufrechterhalten. Aber: Je nachdem, wen Union und Grüne aufstellen, droht ohnehin ein aussichtloses Rennen.

Nur wenn Scholz den Mut hätte, zu sagen: Ich bin der Kandidat, ihr folgt mir und schluckt ein Mitte-Programm, mithin sich auf das Werben um verlorene Wählerschichten konzentrieren kann, könnte er Chancen haben. Bleibt die SPD aber in ihrem Modus mit parteiinterner Polarisierung, dann droht ihr ein weiterer Niedergang.

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