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Grenzen erreicht. Beim G-7-Gipfel in Kanada kam es zum Eklagt zwischen US-Präsident Trump und den anderen Staatschefs.
© Jesco Denzel/Bundesregierung/AFP

Eklat beim G7-Gipfel: Trumps Tweet erschüttert den Westen

US-Präsident Donald Trump streitet beim G7-Treffen und brüskiert per Twitter Amerikas Partner in Europa und der Welt. Sind die G7 damit am Ende?

Wieder einmal hat Donald Trump mit einer Twitter-Meldung seine Partner vor den Kopf gestoßen. Ein historisches Fiasko nennen manche seine Aufkündigung der Abschlusserklärung des G7- Gipfels im kanadischen La Malbaie, die er zuvor laut seiner Delegation noch mitgetragen hatte. Den eigenen Verbündeten droht Trump stattdessen mit dem Ende des freien Handels, weil sie angeblich sein Land wie ein „Sparschwein“ ausplündern. Verabredungen zum Klimaschutz oder zum Kampf gegen Plastikmüll in den Meeren trägt er ohnehin nicht mit. Offen zeigt er seine Verachtung für die Partner, fährt früher ab, beschimpft Gastgeber Justin Trudeau – wiederum per Twitter. Trumps Gipfeltreffen mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un am Dienstag in Singapur verspricht ihm mehr Ruhm als langwierige Verhandlungen mit Verbündeten, die ihm Vorhaltungen machen. Die führenden westlichen Industrienationen bilden keine Einheit mehr, sie werden in der Handelspolitik zu Gegnern. Beim Thema Handelsüberschuss droht Trump vor allem den Deutschen. Mehr als 40 Jahre haben die G7 zusammengearbeitet. Nun stellt Trump sie vor die Frage: Wofür ist dieses Format überhaupt noch nützlich, wenn die USA nicht mehr mitspielen?

Wie reagieren nichtwestliche Staaten?

Russlands Präsident Wladimir Putin spottete offen über die G7, die sein Land in ihrer Abschlusserklärung aufgefordert hatten, destabilisierende Handlungen zu beenden. „Diese Solidarität steht auf tönernen Füßen“, höhnte er: „Wir müssen dieses kreative Geschwätz beenden und zu konkreten Fragen echter Zusammenarbeit übergehen.“ Über Trumps Vorschlag, Russland wieder in die G7 aufzunehmen, kann sich Putin nur freuen – denn damit spaltet der US-Präsident den Westen. Putin erklärte, er sei zu einem Treffen mit Trump bereit.

Chinas Präsident Xi Jinping empfahl sich auf dem Schanghai-Gipfel als Wahrer des Freihandels, obwohl ausländische Firmen gerade in seinem Land über erhebliche Marktbeschränkungen und unfairen Wettbewerb klagen. Eine nur auf sich selbst gerichtete und „kurzsichtige Politik der geschlossenen Türen“ müsse beendet werden, forderte er und plädierte für eine „eine offene globale Wirtschaft“. Ähnlich wie Russland kann auch China vom Ausfall der USA als Führungsmacht des Westens nur profitieren.

Können die G7 ohne die USA überhaupt noch Wirkung erzielen?

Das Statement des Staatsministers im Auswärtigen Amt, Niels Annen, war kurz und eindeutig: „G6“ twitterte der SPD-Politiker als Antwort auf Trumps Affront. Das klang wie die Aufforderung, im gleichen Format ohne die USA die Welt zu gestalten. Doch ein solcher Versuch wäre wohl nicht sehr aussichtsreich.

Der G7-Gruppe sei es in ihrer jahrzehntelangen Geschichte gelungen, durch „das lange Gespräch“ Verlässlichkeit und Vertrauen aufzubauen, urteilte Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik in Köln, schon vor dem Gipfel im „Deutschlandfunk“. Er warnt: „Die G6 wird es nicht geben, wenn die USA den Kreis verlassen, wenn sie isoliert sind, sind die G7 politisch nichts mehr wert.“

An den Beschlüssen von La Malbaie will die Bundesregierung trotz des US-Ausscherens festhalten. Alles andere wäre auch erstaunlich für eine Regierung, die auf Multilateralismus stärker vertraut als viele andere. Doch Versprechen wie ein gemeinsames Abwehrsystem gegen Destabilisierungsversuche aus Russland oder China sowie die Förderung von Frauen in Entwicklungsländern wirken angesichts der Streitpunkte wie Nebenschauplätze, so sinnvoll sie sein mögen.

Könnten andere Organisationen einen Ausfall von G7 kompensieren?

Das dürfte schwierig werden. Die Beschlüsse der G7 banden immer nur ihre Mitglieder, doch dank ihrer gemeinsamen Wirtschaftskraft konnten sie Impulse setzen – auch in der Entwicklungspolitik. Außenminister Heiko Maas (SPD) hat das große Ziel ausgegeben, die regelbasierte Ordnung der Welt gegen Nationalisten und Populisten zu retten – notfalls in sogenannten „Projektpartnerschaften“ mit Staaten wie etwa China, die zwar nicht gemeinsame Werte teilen, aber in bestimmten Bereichen gemeinsame Ziele verfolgen. Das kann der Klimaschutz sein, der freie Handel oder die Rettung des Atomabkommens mit dem Iran, das Trump gekündigt hat. Außerdem sieht sich Maas durch Trumps Affront in seiner Absicht bestärkt, die Zusammenarbeit der Europäer zu vertiefen.

Wie geht es mit den deutsch-amerikanischen Beziehungen weiter?

Schon im Mai 2017 hatte Kanzlerin Angela Merkel deutlich gemacht, dass Trumps Absage an den Multilateralismus Deutschland besonders herausfordert. „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück weit vorbei“, sagte sie damals. Doch trotz aller Differenzen hat Merkel auch immer wieder erklärt, dass für sie die USA der wichtigste Partner Deutschlands bleiben.

Politik-Professor Jäger hält das für vernünftig. Die Europäer seien eben nicht in der Lage, internationale Ordnungspolitik aus eigener Kraft zu gestalten – weshalb sie auf Kooperation mit Washington angewiesen blieben. Dazu gebe es „keine Alternative“, sagt Jäger. Seine Empfehlung lautet deshalb nicht, nur das Ende der Ära Trump abzuwarten, sondern im Gegenteil die Kontakte in die USA auszubauen und dort Verbündete für eigene Vorstellungen zu suchen.

Was bedeutet Trumps Vorschlag einer Freihandelszone für die G7?

Unmittelbar vor dem Gipfel irritierte Trump mit der Andeutung, dass sich ja alle G-7-Staaten auf eine gemeinsame Freihandelszone einigen könnten: „So sollte es sein: Keine Zölle, keine Grenzen.“ Wie genau die seiner Ansicht nach aussehen könnte, ließ er offen – was auch ein Hinweis darauf ist, dass es kein ernsthafter Vorschlag war. Vielmehr dürfte Trump nur deutlich gemacht haben wollen, dass er nicht generell gegen Freihandel ist, sondern nur gegen eine aus seiner Sicht „unfaire“ Behandlung seines Landes durch Partner über Jahrzehnte.

Wenn er es ernst meinen würde, könnte er an die Verhandlungen zum umstrittenen TTIP-Abkommen anknüpfen, die er nach seinem Amtsantritt gestoppt hatte. Diese „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ sah weitreichende Kooperationen zwischen den EU-Ländern, Kanada und den USA vor. Holte man noch Japan ins Boot, hätte man ein Abkommen aller G-7-Staaten. Trumps Problem mit TTIP: Es ist kompliziert und beschränkt sich nicht auf den bloßen Abbau von Zollschranken, sondern schließt gemeinsame Industrie-, Umwelt- und Sozialstandards mit ein. Es ist kaum vorstellbar, dass sich Trump auf so ein umfassendes Regelwerk einlässt, genau wie es kaum vorstellbar ist, dass EU-Regierungen einem schlichten Abbau der Zölle ohne weiterreichende Zusatzvereinbarungen zustimmen.

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