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US-Präsident Donald Trump.
© REUTERS/Jonathan Ernst
Update

G7-Gipfel: Trump zieht Ja zur Abschlusserklärung zurück

Erst nennt US-Präsident Trump den G7-Gipfel „ausgesprochen erfolgreich“. Dann zertrümmert er seine Ergebnisse.

Mit einem dicken Lob für einen "enorm erfolgreichen" Gipfel ist Donald Trump aus Kanada abgereist. Doch nur wenige Stunden später sieht er die Sache völlig anders. Von der Air Force One aus erklärt der US-Präsident via Twitter wegen der andauernden Handelskonflikte seine nachträgliche Abkehr von der einvernehmlich verabschiedeten G7-Erklärung - es ist ein beispielloser Affront, mit dem Trump den Gipfel zum Totaldebakel werden lässt.

Er habe die US-Vertreter angewiesen, "das Kommuniqué nicht zu unterstützen", twittert Trump, der sich auf dem Weg zu seinem historischen Treffen mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un in Singapur befindet. Es ist eine brüske Kehrtwende in typisch Trump'scher Manier - das Kommuniqué, das eine Kampfansage an den Protektionismus enthält, ist kurz zuvor im Einvernehmen mit der US-Delegation verabschiedet worden.

Doch Trump ist nun erzürnt über Gastgeber Justin Trudeau - weil der Premier im Streit um die US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium partout nicht einknicken will. Auf seiner Pressekonferenz zum Gipfelende hat Trudeau soeben seine Absicht bekräftigt, zum 1. Juli mit Vergeltungszöllen auf US-Produkte zu antworten. Dies löst einen Wutausbruch an Bord der Präsidentenmaschine aus.

Beim Gipfel habe sich Trudeau "zahm und mild" verhalten, um sich dann hinterher über die USA zu beschweren, tobt Trump. Dies sei "sehr unehrlich und schwach". Zusammen mit dem Rückzug vom Kommuniqué droht er abermals mit Strafzöllen auf Autos - eine Drohung, welche die Deutschen besonders beunruhigt.

Trumps Wut entspringt also dem Frust über die fortbestehende Widerspenstigkeit der G7-Partner. Um den Gipfel zu dominieren, hatte er auf eine Mischung aus Härte, Charme und Überrumpelungsmanövern gesetzt. In seiner Kritik an den hohen US-Handelsdefiziten und der angeblichen Übervorteilung seines Landes blieb Trump unnachgiebig. Dabei verstieg er sich sogar zu der ebenso wilden wie irrealen Drohung, notfalls den Handel mit den Partnern zu stoppen.

Doch zugleich erging sich der US-Präsident bei dem Treffen in einem Luxushotel in prächtiger Landschaft am Sankt-Lorenz-Strom in Freundlichkeiten. Er posierte fröhlich winkend für das "Familienfoto" der Staatenlenker, verteilte Bestnoten für sein Verhältnis zu den G7-Partnern und lobte den Gastgeber für seine Gipfelregie: "Justin hat einen wirklich guten Job gemacht."

Als eine Art Freundlichkeit war es wohl auch gedacht, dass sich Trump trotz aller Differenzen über den Handel, den Klima- und Umweltschutz sowie das Atomabkommen mit dem Iran auf die Gipfelerklärung einließ. Mit den sehr allgemeinen Bekenntnissen zum Abbau von Zöllen und Subventionen sowie zu multilateralen Handelsregeln konnte Trump auch gut leben - zumal es ihm gelang, die Forderung nach Reform der von ihm gescholtenen Welthandelsorganisation (WTO) festschreiben zu lassen.

Zudem dominierte der US-Präsident mit überraschenden Vorstößen das Gipfelgeschehen. Er plädierte für die Wiederaufnahme Russlands in die Staatengruppe und propagierte die völlig illusorische Idee einer G7-Freihandelszone. Die Diskussionen in der Sache brachte Trump damit zwar nicht voran - gelungen war ihm aber, die Partner ein Stück weit aus dem Konzept zu bringen.

Das Chaos ging aber nicht so weit, dass die Front gegen Trump im Handelsstreit auseinanderbröckelte. Einvernehmlich konstatierten andere G7-Staatenlenker ihren fortbestehenden Dissens mit dem US-Präsidenten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) konstatierte nüchtern, die Meinungsverschiedenheiten seien "nicht aus der Welt". Trudeau wurde dann emotionaler: "Kanadier sind höflich und vernünftig, aber wir lassen uns auch nicht herumschubsen."

Soviel Widerstand ist für Trump schwer erträglich. Seine Wut aber lässt nicht nur den G7-Gipfel in die Eskalation statt Entschärfung des Handelsstreits münden. Seine Aufkündigung des Gipfelkommuniqués stürzt die Staatengruppe in die wohl schwerste Krise ihrer mehr als 40-jährigen Geschichte. (AFP)
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