Videobotschaft des Noch-Präsidenten: Trump distanziert sich von Gewalt – und erwähnt das Impeachment nicht
Kaum ist das Impeachment eingeleitet, äußert sich der abgewählte US-Präsident – und schweigt zu den Vorwürfen. Trump verurteilt aber den Sturm auf das Kapitol.
Nur wenige Stunden nach dem Start des zweiten Amtsenthebungsverfahrens hat der abgewählte US-Präsident Donald Trump eine Videobotschaft veröffentlicht. Darin verurteilt Trump den Angriff auf das Kapitol durch seine Anhänger deutlich – nachdem er in einem ersten Video, das kurz nach den Unruhen von Washington publiziert worden war, seinen randalierenden Unterstützern noch zugerufen hatte: „Wir lieben euch. Ich seid ganz besonders.“
Zu dem neuen Video, aufgenommen im Oval Office, musste Trump der „New York Times“ zufolge von seinen Beratern gedrängt werden. Auch sein Schwiegersohn und Vertrauter Jared Kushner und selbst Vizepräsident Mike Pence hätten dem zweifelnden Noch-Präsidenten erst versichern müssen, dass eine weitere Videobotschaft angemessen wäre – und vielleicht auch juristisch angeraten.
Trump distanziert sich in dem Video von der Gewalt in Washington – doch mit keinem Wort erwähnt er das Amtsenthebungsverfahren gegen sich, das die Demokraten damit begründen, dass Trump eben diese Gewalt – den Sturm seiner wütenden Anhänger auf das Kapitol – angefacht habe.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Der „Einfall in die Hauptstadt“ habe die USA ins Herz getroffen, sagt Trump und fährt fort: „Ich verurteile die Gewalt, die wir vergangene Woche erlebt haben, ganz klar.“
„Gewalt und Vandalismus haben absolut keinen Platz in unserem Land und in unserer Bewegung“, sagt Trump, wobei er mit Bewegung die Kampagne „Make America Great Again“ meint, mit der er seine Präsidentschaft überschrieben hatte. Die Bewegung trete immer für Recht und Ordnung ein.
„Die Gewalt eines Mobs richtet sich gegen alles, an was ich glaube, und gegen alles, für das unsere Bewegung steht“, sagt Trump. „Kein wahrer Anhänger von mir könnte jemals politische Gewalt befürworten.“
Wer das tue, greife die Bewegung und das Land an. „Das können wir nicht tolerieren“, sagt Trump.
Im vergangenen Jahr habe das Land zu viele Unruhen und Gewalt erlebt, das müsse aufhören. „Ob du nun rechts stehst oder links, ob du ein Demokrat bist oder ein Republikaner – es gibt niemals eine Rechtfertigung für Gewalt“, sagt Trump.
Er ruft seine Landsleute dazu auf, Spannungen abzubauen und den Frieden im Lande voranzubringen. Es gebe Berichte, dass „in den kommenden Tagen“ weitere Demonstrationen in Washington und landesweit geplant seien. „Es darf keine Gewalt, keine Gesetzesbrüche und keinen Vandalismus geben“, betont Trump.
Dass sich die vom rechten Trump-Mob geplanten Unruhen auf die Amtsübergabe an seinen Nachfolger Joe Biden in der kommenden Woche beziehen, erwähnt er mit keinem Wort. Seine Teilnahme an der Vereidigung des 46. US-Präsidenten hat Trump ohnehin schon abgesagt, ohne einen Grund dafür zu nennen.
[Das Wichtigste aus Amerika jeden Donnerstag in Ihrem Postfach mit dem Newsletter der Tagesspiegel-USA-Experten. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung: tagesspiegel.de/twentytwenty.]
„Wir werden diese Herausforderung meistern, wie wir es immer tun“, sagt der Noch-Präsident.
Trump verurteilt dann die „jüngsten Angriffe auf die Redefreiheit“ und spielt dabei auf seine Sperrung bei Twitter, Youtube und anderen sozialen Medien an. „Wir müssen einander zuhören und uns nicht zum Schweigen bringen“, sagt er.
„Ich rufe alle Amerikaner auf, die Wut des Augenblicks zu überwinden und ein geeintes amerikanisches Volk zu sein“, appelliert Trump am Ende seines Videos.
Dass er selber mit seinen haltlosen Behauptungen von Wahlbetrug und wochenlangen Twittersalven wesentlich zu Wut, Gewalt und Spaltung in den USA beigetragen hat, lässt Trump dabei völlig beiseite.
An keiner Stelle des Videos zeigt Trump Bedauern oder Demut. Vom Ende seiner Präsidentschaft redet der Wahlverlierer schon gar nicht.
Noch am Dienstag, an Bord der Präsidentenmaschine „Air Force One“ auf dem Weg nach Texas zum dortigen Grenzzaun zu Mexiko, sagte Trump der „New York Times“ zufolge mehrfach zu den Mitreisenden: „Ich habe gewonnen!“