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Festung Washington: Auf einer Straße nahe des abgeriegelten Kapitols wird Trumps Absetzung gefordert.
© Lena Klimkeit/dpa

Impeachment gegen Trump: Mutige Republikaner dringend gesucht

Trumps Impeachment hängt jetzt am Senat. Für eine Verurteilung müssten sich aber deutlich mehr Republikaner abwenden - ganz besonders einer. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Juliane Schäuble

Am Ende haben zehn Republikaner ihren ganzen Mut zusammengenommen und für ein Impeachment von Donald Trump gestimmt. Zehn, das klingt nicht nach einem Dammbruch bei der Partei des Noch-Präsidenten, verglichen mit den 197 anderen, die den Antrag der Demokraten im Repräsentantenhaus am Mittwochnachmittag US-Zeit abschmettern wollten.

Aber zehn sind eben auch zehn mehr, als sich beim letzten Amtsenthebungsverfahren vor einem Jahr gegen Trump gestellt haben.

Ja, nach dem mit zunehmendem Abstand und wachsenden Erkenntnissen sich immer grauenhafter darstellenden Sturm auf das Kapitol hätte man sich mehr Tapfere, mehr wenigstens in letzter Sekunde Bekehrte auf Seiten der republikanischen Abgeordneten gewünscht. Aber noch ist Trump nicht Geschichte, und er hat große Teile der Partei weiter fest im Griff. Das hat dieser historische Mittwoch gezeigt.

Das kann man beklagen, verurteilen - und liegt damit goldrichtig.

Aber nicht unterschätzen sollte man das - eindeutig selbstverschuldete - Dilemma der Grand Old Party: Ohne die Trump immer noch treu ergebene Basis wären die Republikaner wohl auf lange Zeit nicht mehrheitsfähig. Das verleitet offenbar viele, diesen Rückhalt nicht zu gefährden. Selbst dann nicht, wenn diese Anhänger sich wie Terroristen gerieren. Für den Bruch braucht es Mut.

Die Demokraten hatten die Mehrheit sicher

Die Mehrheit, Trump zum ersten Präsidenten überhaupt zu machen, der gleich zwei Mal vom Repräsentantenhaus angeklagt wird, hatten die Demokraten auch ohne die zehn Republikaner sicher. Keiner ihrer Abgeordneten scherte aus der Reihe. Auch wenn so mancher keine Lust auf das zweite Impeachment innerhalb von 13 Monaten haben wird, das aller Voraussicht nach wieder nicht mit einer Verurteilung enden wird.

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Ein paar Zweifel sind allerdings an dieser scheinbar sicheren Prognose aufgekommen. Anlass dafür sind jene zehn Republikaner, die genug davon haben, allen Wahnsinn des Noch-Präsidenten mitzumachen.

Aber auch bekannt gewordene Äußerungen des republikanischen Mehrheitsführers im Senat, Mitch McConnell, nach denen er Trumps Verhalten als "impeachable" empfindet und sich noch nicht entschieden habe, lassen zumindest aufhorchen.

Was wird Mitch McConnell tun?

McConnell ist ein mit allen Wassern gewaschener konservativer Machttaktiker, den der Verlust des Senats mehr schmerzt als die verlorene Präsidentschaftswahl. Aber bei seiner Rede am vergangenen Mittwoch, die er wohlgemerkt vor dem gewalttätigen Eindringen des Trump-Mobs in das Kapitol hielt, meinte man dem 78-Jährigen anzumerken, wie sehr ihn das Verhalten Trumps erschüttert.

Mitch McConnell, republikanischer Senator aus Kentucky und Mehrheitsführer im Senat.
Mitch McConnell, republikanischer Senator aus Kentucky und Mehrheitsführer im Senat.
© Timothy D. Easley/ AP/dpa

Dass nämlich der Wahlverlierer einfach nicht von seiner Verschwörungstheorie vom Wahlbetrug lassen wollte und nicht davor zurückscheute, Gerichte, Parlamentarier und Regierungsmitglieder bis hin zu seinem Vizepräsidenten Mike Pence unter Druck zu setzen, damit diese einen demokratischen Machtwechsel verhindern.

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Was wird McConnell tun? Wird er in die Geschichte eingehen als einer, der seine Partei wissentlich in noch tiefere Abgründe führt und sie auf Jahre hinweg an den Trumpismus kettet? Oder wird er ganz zum Schluss doch noch umkehren und versuchen, mit seinem Beispiel den Kurswechsel der Republikaner einzuleiten?

Mike Pence hat den Bruch mit Trump gescheut

Zu optimistisch sollte man nicht sein. Allein die Aussage, McConnell wolle erstmal noch die Erkenntnisse der Ermittler abwarten, bevor er sich eine Meinung bildet, wirkt angesichts dessen, was bereits bekannt ist, aberwitzig. McConnell war im Kapitol, er wurde von Einsatzkräften an einen sicheren Ort gebracht: weil auch er in Gefahr war. In Gefahr, von Trump-Anhängern angegriffen zu werden.

Aber auch Mike Pence war in Gefahr, in großer sogar. Und dennoch hat sich der Vizepräsident nach tagelangem Schweigen entschieden, bis zum Schluss an Trumps Seite zu bleiben. Ist McConnell mutiger als Pence, oder zumindest unabhängiger, weil er nichts mehr werden will?

Ein neues Video des Präsidenten - mit lauter Lügen

Am Mittwochabend hat Trump wieder ein Video veröffentlicht. Darin spricht er - wie ein ganz normaler Präsident - mahnende Worte zu seinem Volk und fordert seine Anhänger und alle anderen Bürger auf, friedlich zu bleiben.

Es ist eine Rede, die man sich von ihm am Mittwoch vor einer Woche gewünscht hätte, als sein Mob einen Polizisten totprügelte, Teile des Kapitols, Herzkammer der stolzen amerikanischen Demokratie, verwüstete und auf Menschenjagd nach "Verrätern" ging.

Die Rede ist nicht nur eine Woche zu spät. Sie ist auch so offensichtlich verlogen, dass man am sie am liebsten gleich vergessen würde. War es doch Trump, der erst auf seiner Kundgebung dem Mob das Startsignal für den Marsch aufs Kapitol gegeben hatte.

In dem Video behauptet er einfach mal wahrheitswidrig, seine wahren Anhänger würden niemals Gewalt anwenden. Jeder, der mal erlebt hat, wie dieser Präsident seine Fans gegen die "Feinde des Volkes" aufhetzt, also wahlweise gegen politische Konkurrenten oder kritische Journalisten, vertraut auf die Gültigkeit dieser Aussage keine Sekunde.

Was, wenn alles noch viel schlimmer war?

Aber das Video eines gerade zum zweiten Mal vom Repräsentantenhaus impeachten Präsidenten hat besonders einen Adressaten. Und der heißt Mitch McConnell. Es wird spannend sein zu beobachten, wie die Botschaft bei ihrem Empfänger ankommt. Gut möglich, dass sie besänftigend wirkt. Dazu kommt: Warum es sich mit so vielen verderben, wenn die andere Seite sich ihr Urteil über einen doch ohnehin schon gebildet hat?

Sollte sich indes bestätigen, was zur Zeit noch eher eine ungeheuerliche Vermutung als eine bewiesene Tatsache ist, dass nämlich republikanische Kongressmitglieder den Sturm auf das Kapitol mitgeplant haben, dann könnte alles ganz schnell ganz anders aussehen. Dann könnte das selbst einen Machttaktiker wie McConnell zur Umkehr bewegen. Dann könnte das passieren, was in der Geschichte des Landes noch nie passiert ist: ein Impeachment gegen einen Präsidenten könnte tatsächlich erfolgreich sein.

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