„Können das Kapitol noch einmal einnehmen“: Jetzt will Trumps radikaler Mob auch Bidens Amtseinführung stören
Den Sturm auf das Kapitol feiern sie als Erfolg. Nun planen Trump-Anhänger neue Unruhen zur Vereidigung des 46. US-Präsidenten Joe Biden.
Am 20. Januar soll der Demokrat Joe Biden am Kapitol in Washington feierlich als der 46. Präsident der USA vereidigt werden. Wie jede Amtseinführung eines neuen Präsidenten gilt auch diese als „National Security Special Event“ – als Ereignis mit höchster Sicherheitsstufe.
Doch nach der gewaltsamen Stürmung des Kapitols durch radikale Anhänger des abgewählten Präsidenten Donald Trump am vergangenen Mittwoch steigen die Befürchtungen, dass auch die Vereidigung seines Nachfolgers und dessen Vizepräsidentin Kamala Harris gestört werden könnte. US-Medien und Experten zitierten nach den verstörenden Ereignissen aus Onlinegruppen rechtsextremer Trump-Fans, die eine neue Gewalteskalation planen – entweder am 20. Januar selbst oder in den Tagen zuvor.
„Trump WIRD am 20. Januar für eine zweite Amtszeit vereidigt werden!“, hieß es etwa gleich am Tag nach der Stürmung des Kapitols in einem Beitrag im Fan-Forum „TheDonald.win“. „Wir dürfen die Kommunisten nicht siegen lassen. Und wenn wir D.C. dafür abfackeln müssen.“
In Onlineforen ist die Rede von einem „Million Militia March“, einem Marsch der Milizen, um die Amtseinführung Bidens zu stören. Trump-Anhänger verabreden darin der „New York Times“ zufolge Mitfahrgelegenheiten und Übernachtungsmöglichkeiten rund um Washington – und diskutieren, welche Waffen sie mitbringen sollen, Baseballschläger oder doch besser auch Sturmgewehre.
„Wir haben das Gebäude schon einmal gestürmt, wir können es noch einmal einnehmen“, zitiert die Zeitung einen der Trump-Unterstützer, die den Sturm des Kapitols als Erfolg feiern und die Vereidigungszeremonie für neue Unruhen nutzen wollen.
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Dem Risiko, Biden, seine Vizepräsidentin Harris, frühere US-Präsidenten sowie Parlamentarier und andere hochrangige Gäste bei der Amtseinführung der Wut und der Gewalt eines Mobs von Trump-Anhängern auszusetzen, begegnen Organisatoren und Behörden mit noch stärkeren Sicherheitsvorkehrungen als die höchste Einstufung ohnehin schon vorsieht.
„Es wird sehr umfassende Prüfungen der Ereignisse geben und Veränderungen für eine Verstärkung der Sicherheit“, sagte die demokratische Senatorin Amy Klobuchar, die dem parlamentarischen Organisationskomitee für die Amtseinführung angehört, dem Sender „CBS News“.
Biden hat volles Vertrauen in die Sicherheitskräfte
Schon kurz nach dem Sturm auf das Kapitol, bei dem die Sicherheitskräfte hilflos wirkten und dafür heftiger Kritik ausgesetzt waren, wurde ein mächtiger, angeblich unüberwindbarer Zaun um das Gelände rund um das Kapitol errichtet. Das ist Routine bei Vereidigungen eines US-Präsidenten. Der Zaun soll für mindestens 30 Tage bleiben.
Washingtons Bürgermeisterin Muriel Bowser verlängerte den am Tag des Kapitol-Sturms verhängten Notstand mit erhöhten Sicherheitsmaßnahmen um 15 Tage bis zum 21. Januar – dem Tag nach der Vereidigung von Biden und Harris. Mehr als 6000 Nationalgardisten sollen in der Stadt sein.
Der Angriff auf das Kapitol „wird uns nicht davon abhalten, den Amerikanern – und der Welt – zu zeigen, dass unsere Demokratie fortbesteht“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung von Senatorin Klobuchar und ihrem republikanischen Parlamentskollegen Roy Blunt, die gemeinsam für die Amtseinführung zuständig sind. „Wir werden Präsident Biden in sein Amt einführen.“
Auch der kommende Präsident selbst gibt sich betont entspannt. Er habe vollstes Vertrauen in die Sicherheitskräfte und seine Leibwächter des Secret Service, sagte Biden.
Google, Apple und Amazon verbannen rechte Plattform Parler
Zum Sturm auf das Kapitol hatten sich radikale Trump-Fans schon seit Dezember in dem bei Rechtsextremisten beliebten sozialen Netzwerk Parler verabredet, wie US-Medien übereinstimmend berichteten. Als Konsequenz hat Google Parler nun aus seinem App-Store genommen. Das umstrittene Netzwerk lasse „ungeheuerliche Inhalte“ zu, die zu tödlicher Gewalt anstiften könnten, begründete Google die Entscheidung vom Freitag. Parler war zuletzt insbesondere von Rechtsradikalen genutzt worden, die zuvor von anderen Onlineplattformen ausgeschlossen worden waren.
[Mehr über die Aufrührer des Sturms auf das Kapitol können Abonnenten von T+ hier lesen: Veteranin, Neo-Nazi, Abgeordneter, Q-Gläubige – das sind die Menschen, die das Kapitol stürmten]
Einen Tag nach Google verbannte auch Apple Parler bis auf Weiteres aus seinem App-Store. Die Plattform habe gegen die App-Store-Bedingungen verstoßen, hieß es in einer Nachricht von Apple an Parker, über die der Sender „CNN“ am Samstagabend (Ortszeit) berichtete.
„Die Prozesse, die Parler eingerichtet hat, um die Verbreitung von gefährlichen und illegalen Inhalten zu moderieren oder zu verhindern, haben sich als unzureichend erwiesen“, bemängelte Apple. Insbesondere habe man weiterhin direkte Gewaltandrohungen und Aufrufe zur Anstiftung zu gesetzwidrigen Handlungen gefunden, die gegen die Richtlinien verstießen. Parler sei aus dem App Store entfernt worden, bis die Probleme gelöst seien.
Am Sonntag schloss auch Amazon Parler von seinen Diensten aus. Amazon Web Services (AWS) werde ab Sonntag 23.59 Uhr (8.59 Uhr MEZ) dem Nachrichtendienst als Webhost nicht mehr zur Verfügung stehen, teilte AWS am Sonntag laut dem US-Internetmedium BuzzFeed in einer E-Mail an Parler mit.
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Seitdem Netzwerke wie Facebook und Twitter aktiv gegen Falschmeldungen sowie rassistische und gewaltverherrlichende Inhalte vorgehen, hatten neben Parler auch andere Plattformen wie Newsmax und Rumble Zulauf bekommen. Unter anderem wanderten Unterstützer von Trump, die dessen unbelegte Wahlbetrugsvorwürfe glauben, auf die Plattformen ab.
Personen in Trumps Umfeld hatten Parler immer wieder als Alternative zu Twitter oder Facebook beworben, die angeblich konservative Ansichten unterdrückten. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Kayleigh McEnany, erklärte Ende Juni auf Twitter, sie habe sich ein Konto bei Parler eingerichtet, weil sie die Nase voll davon gehabt habe, dass Konservative auf diesen Plattformen „zensiert“ würden.
Facebook und Twitter hatten am Freitag die Konten von Trump, der seine Anhänger über diese Kanäle immer wieder aufgestachelt hatte, gesperrt. Als Grund nannten sie die Gefahr weiterer Anstiftung zur Gewalt. Twitter sperrte nicht nur den persönlichen Account von Trump, sondern löschte Botschaften auf dem offiziellen Account des Präsidenten @POTUS. Trump war auf diesen ausgewichen, nachdem sein Konto @realDonaldTrump gesperrt worden war.
Inwieweit die Beschränkungen der sozialen Medien die Gefahr von Unruhen rund um die Amtseinführung am 20. Januar wesentlich schmälert, bleibt abzuwarten. „Wir werden nicht zum Schweigen gebracht“, sagen Trumps Unterstützer trotzig.
Der abgewählte Präsident hat angekündigt, nicht an der Vereidigung Bidens teilzunehmen. „An alle, die gefragt haben: Ich werde nicht zur Amtseinführung am 20. Januar gehen“, twitterte Trump am Freitag. Einen Grund dafür nannte er nicht. (mit Agenturen)