Reaktionen auf die Masken-Affäre: Spahn will Namen aller Beteiligten öffentlich machen
Die Union steht weiter unter Druck. Der Koalitionspartner und die Opposition fordern nun eine Verschärfung der Regeln für Nebentätigkeiten von Abgeordneten.
Die Union bleibt in der Affäre um Provisionsgeschäfte von Abgeordneten auch nach der Mandatsniederlegung des CDU-Parlamentariers Nikolas Löbel (CDU) weiter unter Druck. Der Koalitionspartner SPD und die Oppositionsparteien forderten von CDU und CSU neben Aufklärung auch eine Verschärfung der Regeln für Nebentätigkeiten von Abgeordneten.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die Namen aller Abgeordneten öffentlich machen, die im Zusammenhang mit der Beschaffung von Corona- Schutzmasken gegenüber seinem Ministerium in Erscheinung getreten sind. Dies soll aber erst nach Rücksprache mit der Bundestagsverwaltung geschehen.
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Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus hatte am Sonntag in der ARD eine Klärung aller Zweifelsfälle in seiner Fraktion angekündigt. Eine Anfrage des Tagesspiegels an die Fraktionspressestelle, wie das geschehen solle, blieb unbeantwortet. Allerdings kündigte die Spitze der CDU/CSU-Bundestagsfraktion "umfangreiche Maßnahmen" an, um die Vorgänge aufzuklären und Nebentätigkeiten von Bundestagsabgeordneten strenger zu regeln. In einem Schreiben an die Unionsabgeordneten teilten Fraktionschef Brinkhaus und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt einen neuen Verhaltenskodex an. Dieser werde in Bezug auf Nebentätigkeiten "deutlich" über das hinausgehen, was der Bundestag den Abgeordneten vorschreibt.
Der Chef der Berliner CDU, Kai Wegner, sagte dem Tagesspiegel, das Verhalten von Löbel und Nüßlein sei „absolut inakzeptabel“. Beide hätten „enorm wichtiges Vertrauen in die Politik bei der Bevölkerung aufs Spiel gesetzt“.
Wegner, der selbst Bundestagsabgeordneter ist, fügte hinzu: "Auch ich kann nur fassungslos über die Ereignisse der letzten Tage den Kopf schütteln." Vertrauen sei für einen Politiker die wichtigste Währung. "Um weiteren Schaden von der Politik insgesamt abzuwenden, kann es nur eine Antwort geben: Nach Herrn Löbel muss nun auch Herr Nüßlein kurzfristig sein Mandat niederlegen."
Die SPD forderte die Union auf, aus der Verurteilung der Provisionsgeschäfte Konsequenzen zu ziehen. „Die jahrelange Blockade beim Lobbyregister rächt sich jetzt“, sagte Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider. Darüber könne auch „die Empörung aus der Führung von CDU und CSU nicht hinwegtäuschen“.
Die schwerwiegenden Fälle von „Geschäftemacherei mit der Krise“ beschädigten „die Politik und das Parlament insgesamt“. Er erwarte, dass die Union nun den letzten Widerstand gegen die Forderung nach schärferen Regeln für Nebentätigkeiten und Nebeneinkünften sowie Abgeordnetenbestechung aufgebe.
„Das sind jetzt auch mehr als Worte von Herrn Laschet und Herrn Söder gefragt“, meinte Schneider und fügte hinzu, die Wahl Philipp Amthors zum CDU-Spitzenkandidaten in Mecklenburg-Vorpommern am Samstag sei „dafür leider kein gutes Zeichen“. Amthor hatte im Vorjahr für Lobbyarbeit für eine US-Firma Vorteile erhalten. Auch sind CDU-Parlamentarier mit Vorwürfen wegen Lobbyarbeit für den autoritärere Regierung Aserbaidschans konfrontiert.
Die Linkspartei brachte eine parlamentarische Untersuchung ins Spiel. „Ein Untersuchungsausschuss ist natürlich eine Option“, sagte Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow dem Tagesspiegel. „Aber wenn, dann müsste er das gesamte kolossale Versagen dieser Bundesregierung in der Pandemie aufarbeiten.“
Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte forderte die Union auf, "proaktiv" alles aufzuklären und offenzulegen. "CDU/CSU sind die offenbar anfälligste Fraktion für geschmierte Politik", sagte er. Zentral sei endlich eine klare Regelung, nämlich ein Verbot bezahlter Lobbytätigkeit für Abgeordnete.
"Die Abstimmung eines entsprechenden Gesetzentwurfes der Linksfraktion wurde allerdings mit den Stimmen der Koalition vergangene Woche im Geschäftsordnungsausschuss verhindert, damit der Gesetzentwurf nicht zur Abstimmung ins Plenum gelangt", klagte der Linken-Politiker: "Dies ist ein Skandal im Skandal."
Zur Frage nach Geschäften von Linken-Abgeordneten in der Corona-Krise sagte Korte: "Ich werde selbstverständlich alle Abgeordneten abfragen. Die Linke ist allerdings bekannt dafür, nicht mit Konzernen verbandelt zu sein."
Die FDP-Fraktion forderte „einen unabhängigen Sonderermittler, den die Regierung im eigenen Interesse einsetzen sollte“. Der Fraktionsvorstand habe alle Abgeordneten nach Provisionsgeschäfte gefragt, sagte ein Sprecher auf Anfrage des Tagesspiegels. Zudem müsse die juristische und politische Aufarbeitung der Fälle fortgesetzt werden.
Die Transparenzregeln müssten verbessert und endlich ein Lobbyregister einführt werden. "Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass es in der FDP-Fraktion Fälle wie in der Union oder auch nur Zweifelsfälle gibt", sagte ein Sprecher auf die Anfrage dieser Zeitung. "Der Fraktionsvorstand hat dies auch bei den Abgeordneten abgefragt", fügte er hinzu. Die Sensibilität für Compliancefragen sei in der FDP-Fraktion "grundsätzlich hoch".
Die Grünen glauben: CDU/CSU haben ein strukturelles Problem
Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Britta Haßelmann sagte zur Frage, ob die Grünen auch ihre eigenen Abgeordnete nach möglichen Geschäften fragen würden: "Aus dem Problem der CDU/CSU sollte man keinen Verdacht gegen alle Parlamentarier*innen machen." Die Grünen-Abgeordneten "kennen die Regeln und wissen, dass sie keine Vermögensvorteile für die Vertretung bestimmter Interessen entgegennehmen dürfen und dass es keine Gegenleistung für Abgeordnetentätigkeiten geben darf§, fügte sie hinzu: "Da gibt es keine persönliche Geschäftemacherei und Bereicherung mit der Krise."
CDU und CSU stünden nun in der Verantwortung, "ihren Laden aufräumen und Fragen von Bereicherung, dubioser Einflussnahme und Filz aufzuklären", meinte die Grünen-Politikerin. Die Fälle, sei es im Zusammenhang mit der Aserbaidschan-Affäre, dem Fall Amthor oder jetzt die Bereicherung bei Maskengeschäften zeigten, "dass CDU/CDU hier ein strukturelles Problem haben".
Nötig seien nun nicht nur moralische Appelle an Einzelne, sondern endlich eine gesetzliche Änderung von Regeln und mehr Lobbytransparenz. "Notwendig sind ein verbindliches, gesetzliches Lobbyregister, strengere Veröffentlichungspflichten bei Nebentätigkeiten auf Euro und Cent, ein legislativer Fußabdruck bei Gesetzgebungsverfahren für Bundesregierung und Parlament, schärfere Regeln bei Aktienoptionen, bei Unternehmensbeteiligung, eine gesetzliche Regelung für Parteisponsoring und striktere Regeln der Parteienfinanzierung", erklärte Haßelmann. Entgeltliche Lobbytätigkeit neben dem Mandat müsse verboten werden.
AfD-Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann sagte auf die Frage nach möglichen Geschäften von Mitgliedern seiner Fraktion im Zusammenhang mit dem Kampf gegen Corona:
nachfolgend eine Stellungnahme des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers der AfD-Fraktion Bernd Baumann zu Ihrer Anfrage: "Uns liegen keinerlei Hinweise auf derartige Betätigungen vor. Selbstverständlich würden wir jedem etwaigen Anhaltspunkt unverzüglich nachgehen."