Neue Regeln für Interessenvertreter: Warum sich Union und SPD nach langem Streit auf ein Lobbyregister einigen
Kurz nach Bekanntwerden der Ermittlungen gegen den CSU-Politiker Nüßlein gibt es plötzlich Bewegung in einem monatelangen Streit.
Union und SPD haben sich nach langem Streit nun doch auf Regeln für Lobbyisten verständigt, die bei der Bundesregierung und im Parlament ihre Interessen vertreten. Künftig sollen diese verpflichtet werden, sich in ein Lobbyregister einzutragen und ihre Auftraggeber sowie finanziellen Aufwendungen offenzulegen. Die Einigung erfolgte kurz nach dem Bekanntwerden einer Lobby-Affäre um den stellvertretenden Unionsfraktionsvorsitzenden Georg Nüßlein. Gegen den CSU-Politiker laufen Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit, er soll sich bei der Bundesregierung für den Kauf von Schutzmasken eingesetzt und dafür Geld bekommen haben.
Im vergangenen Sommer hatte die Lobby-Affäre um den CDU-Abgeordneten Philipp Amthor Bewegung in die seit Jahren stockenden Bemühungen um verbindliche Regeln für Interessenvertreter gebracht. Im August legten Union und SPD einen Gesetzentwurf für ein Lobbyregister vor. Doch die neuen Regeln sollten nur für Lobbyisten gelten, die bei Abgeordneten vorstellig werden, aber nicht für diejenigen, die sich direkt an die Bundesregierung wenden.
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Da aber die meisten Gesetze in den Ministerien und nicht im Parlament entworfen werden, wäre damit ein zentraler Bereich des Lobbyismus im Schatten geblieben. Nach massiver öffentlicher Kritik lenkte die Koalition ein und sagte zu, das Lobbyregister werde für Parlament und Regierung gelten.
Doch innerhalb der Bundesregierung gab es Einwände: Das Innenministerium unter Führung von Horst Seehofer (CSU) wollte nur Kontakte mit der Führungsebene der Ministerien registrierungspflichtig machen, nicht aber mit den Fachabteilungen. Der Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) gingen die Pläne dagegen nicht weit genug. Sie wollte in dem Entwurf noch den „exekutiven Fußabdruck“ unterbringen, der für jedes neue Gesetz dokumentiert, welche Lobbyisten bei der Regierung Einfluss genommen haben. Dieser Streit konnte über Monate nicht ausgeräumt werden.
Fraktionschefs wollten jetzt schnelle Einigung
Am Dienstagmorgen verständigten sich die Fraktionschefs Ralph Brinkhaus (CDU) und Rolf Mützenich (SPD) darauf, dass es eine Einigung beim Lobbyregister geben müsse. Am Abend stand der Kompromiss. Die Registrierungspflicht soll künftig nicht nur für Lobbyisten-Kontakte mit Ministern und Staatssekretären, sondern auch mit Abteilungs- und Unterabteilungsleitern gelten. An dieser Stelle gab die Union nach. Dafür verzichtete die SPD am Ende darauf, den exekutiven Fußabdruck durchzusetzen. Der Bundestag könnte das Gesetz noch im März beschließen.
Nach dem Kompromiss erhoben beide Seiten Vorwürfe gegen die jeweils andere. „Endlich hat die Union eingelenkt, nachdem die jahrelange Blockade auch vor der Öffentlichkeit nicht mehr vertretbar war“, erklärte Mützenich. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Patrick Schnieder, warf dagegen der SPD vor, eine Einigung blockiert zu haben. „Die Justizministerin erhob plötzlich Forderungen, die bereits vom Tisch waren“, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel.
Zugleich betonte er, die Einigung stehe nicht in Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen Nüßlein. Die Union warte das Ergebnis der Ermittlungen ab und werde sich dann damit auseinandersetzen, ob es Regelungslücken gebe. „Weder der Fall Nüßlein noch der Fall Amthor haben inhaltlich etwas mit dem Lobbyregister zu tun.“ Hier gehe es vielmehr um das Abgeordnetengesetz und die Verhaltensregeln für Abgeordnete.
Opposition und Experten kritisieren die Pläne
FDP, Grüne und Linke bemängelten das Fehlen eines exekutiven Fußabdrucks. „Worauf die Koalition sich nun geeinigt hat, ist ein Lobbyregister light“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Jan Korte. Zugleich kritisierte er, dass sich die SPD gegenüber der Union nicht durchgesetzt habe, obwohl bei der Union wegen der Lobby-Affären „die Hütte brennt“. Was CDU/CSU und SPD vorschlagen, sei „unzureichend“, sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann.
Der Vorsitzende der Organisation Transparency Deutschland, Hartmut Bäumer, nannte das Lobbyregister der großen Koalition „einen Placebo zur Beruhigung der weniger informierten Öffentlichkeit“. Wirkliche Transparenz der Lobbyarbeit werde dieses Gesetz nicht bewirken.
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