zum Hauptinhalt
Schwarz-Grün? Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern, und Ludwig Hartmann, Spitzenkandidat der Grünen.
© Sven Hoppe/dpa

Landtagswahl in Bayern: Söder würde Schwarz-Grün durchsetzen können

Wagt Markus Söder nach dem wohl historisch miesesten CSU-Ergebnis in Bayern die Flucht nach vorn und schmiedet ein Bündnis mit den Grünen?

Markus Söder wäre in der CSU der wichtigste Garant für ein schwarz-grünes Bündnis und zwar allein aus einem einzigen Grund: Er ist wendig und waghalsig genug, um dieses Experiment einzugehen, und er hat die Macht, eine solche, anscheinend unmögliche Koalition durchzusetzen. Kurzum: Wenn er wollte, würde es gehen. Aber will er auch?

Um sich der Frage zu nähern, ob eine schwarz-grüne Koalition in Bayern überhaupt möglich wäre, muss man sich zunächst einmal anschauen, wie Markus Söder tickt. Der bayerische Ministerpräsident, er ist 52 Jahre alt, tickt immer so, wie es der politische Zeitgeist verlangt. Manchmal aus Überzeugung, manchmal aus Taktik, manchmal aus Opportunismus. Aber dass die CSU beispielsweise „grüner“, also ökologischer, nachhaltiger, denken müsse, hat er schon als Generalsekretär unter dem ehemaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber zumindest in Hintergrundgesprächen immer wieder betont.

Söder wollte die CSU immer schon "grüner" machen

Söder war es auch, übrigens unterstützt von Horst Seehofer, der beispielsweise als Umweltminister den Atomausstieg in Bayern schneller voranbrachte und schneller Atommeiler abschalten ließ, als in anderen Bundesländern. Er hat das nicht allein deshalb getan, weil er die Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), nach dem Unglück von Japan sofort aus der Atomenergie auszusteigen, für richtig hielt, sondern, weil es eine strategische Option eröffnete - die CSU auf dem Feld der Grünen gesellschaftsfähig zu machen. Viele ökologisch denkende Konservative und viele katholische Konservative befürworten diesen Weg.

Auch deshalb hat Söder in Bayern schon als Umweltminister mit seiner überraschend ökologisch orientierten Politik versucht, die Grünen kleinzuhalten. Denn natürlich weiß die CSU, dass es auch bürgerliche Grünen-Wähler gibt.

Nun sind die Grünen in Bayern allerdings ausgerechnet mit einem Thema gewachsen, mit der die CSU nicht gerechnet hatte und das sie fest für sich beansprucht: die innere Sicherheit. Die Spitzenkandidatin der Grünen, Katharina Schulze, sie ist 33 Jahre alt, hat bewusst und erfolgreich versucht, sich als Expertin für die innere Sicherheit zu etablieren. Dass sie als Grüne Polizeikongresse organisierte und nachts mit auf Streife fuhr, hat die CSU erst belächelt, dann bekämpft und schließlich als Kompetenz akzeptiert.

Doch auch die Grünen-Klagen gegen das Polizeiaufgabengesetz, und zwar schon gegen die erste Novelle aus dem Jahr 2017 wie gegen die zweite Novelle, hat bei der CSU Spuren hinterlassen. Bei der ersten PAG-Novelle hatte sich beispielsweise die SPD noch enthalten. Doch längst haben auch CSU-Experten die Gefahr erkannt, dass das Gesetz womöglich vor Gericht nicht standhält, weil der Staat der Polizei Befugnisse übertragen will, für die sie eigentlich nicht zuständig ist. Die Grünen aber werden nun von der CSU auf diesem Feld ernst genommen: Man muss sich nur einmal in den Innenausschuss des Landtages setzen und zuschauen, wie etwa der bayerische Innenminister Joachim Herrmann mit Katharina Schulze umgeht: Auf Augenhöhe und mit Respekt. Das hätte es früher nicht gegeben.

Vorsicht, Schwarz-Grün? Da lacht Bayerns Ministerpräsident Markus Söder drüber.
Vorsicht, Schwarz-Grün? Da lacht Bayerns Ministerpräsident Markus Söder drüber.
© Michael Dalder/REUTERS

Das ist zunächst einmal der Hintergrund aus Sicht der CSU und Söder, wenn es um diese Koalitionsoption geht: Bei den Themen Umwelt, gesunde Ernährung, nachhaltiges Wirtschaften, sozialer Zusammenhalt oder Heimat gibt es genügend Berührungspunkte für eine solche „Zukunftskoalition“. Denn genau so würde Söder sie verkaufen, nicht als alternativlosen, schwierigen Kompromiss, sondern als bewusste Entscheidung für Innovation und Moderne. Nach dem Motto: Was Berlin mit Jamaika nicht geschafft hat, schaffen wir hier alleine mit den Grünen.

Dieses wäre dann auch der strategische, vor allem auf Bayern bezogene Grund dafür, dass Markus Söder eine Koalition mit den Grünen nicht ausgeschlossen hat. Er schimpft in den letzten Wochen zwar merklich lauter über die Grünen und bezeichnet ihr Programm als nicht koalitionsfähig, weil es nicht modern, sondern rückwärtsgewandt sei. Aber diese hohe Aufmerksamkeit des Ministerpräsidenten wird den Grünen im Zweifel eher Stimmen verschaffen. Zudem wünscht sich eine Mehrheit in Bayern eine schwarz-grüne Koalition.

Eine Zweierkoalition ist zudem meistens stabiler als eine Dreierkoalition. Da es sehr wahrscheinlich alleine mit den Freien Wählern (FW), die bei 10 Prozent liegen, für die CSU (35 Prozent) nicht reicht, müsste Söder mit FW und der FDP koalieren. Die FDP liegt knapp über der Fünf-Prozent-Hürde, ist also noch gar nicht sicher im Landtag vertreten. Die FW haben beispielswese kategorisch eine dritte Startbahn für den Münchner Flughafen ausgeschlossen, die FDP wiederum ist dafür. Einfacher wäre eine solche Koalition für Söder nicht.

Die Grünen wollen nicht nur am Spielfeldrang stehen, sagen sie

Auch eine sogenannte Deutschlandkoalition aus CSU, SPD und FDP wäre für Söder keine so schöne Aussicht, weil sie noch mehr Streit birgt und Kompromisse erfordert. Für die SPD wäre es, zumal nach dem vermutlich historisch schlechtesten Ergebnis, ohnehin fragwürdig, eine solche Koalition einzugehen. Andererseits wäre es für die Spitzenkandidatin und Landeschefin, Natascha Kohnen, eine gute Möglichkeit, eine Diskussion über die eigene Person im traditionell streitlustigen Landesverband gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Und die Grünen selbst? Wie könnten sie nur? Die bayerischen Grünen haben eine Koalition mit den Schwarzen nie ausgeschlossen – und sie haben sich sehr frühzeitig darauf geeinigt und sich diese Entscheidung sogar von einem Landesparteitag absegnen lassen. Hintergrund für diese strategische Entscheidung ist auch das bayerische Wahlgesetz. Es schreibt vor, dass der Landtag spätestens vier Wochen nach der Wahl den Ministerpräsidenten wählt. Die Zeit für Sondierungs- und Koalitionsgespräche ist damit weit knapper als auf Bundesebene. Die Grünen haben deshalb nicht nur einen Zeitplan beschlossen, wie lange mögliche Gespräche mit der CSU dauern dürften, sondern auch, dass ein außerordentlicher Parteitag das letzte Wort haben müsse.

Natürlich gibt es Widerstand gegen eine mögliche Koalition mit den Schwarzen, vor allem aus der Grünen-Jugend. Doch beide Spitzenkandidaten, Katharina Schulze wie Ludwig Hartmann, haben keinen Zweifel daran gelassen, dass sie Regierungsverantwortung wollen und auch anstreben. Schulze sagt, sie sei nicht in die Politik gegangen, um am Spielfeldrand in Schönheit zu sterben. Und Schulze kommt aus der Jugendorganisation und kann auch intern sehr überzeugend sein. Offiziell war das Wording der Grünen bis zum letzten Tag wie folgt: Man könne mit den Grünen immer reden, wenn es um ökologische und gerechte, nicht aber, wenn es um anti-europäische oder autoritäre Politik gehe. Das sollte heißen: Wir machen nichts um jeden Preis. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Grünen-Spitzenduo: Katharina Schulze und Ludwig Hartmann.
Grünen-Spitzenduo: Katharina Schulze und Ludwig Hartmann.
© imago/Christian Mang

Mehr demonstrativen Willen zur Regierungsverantwortung geht jedenfalls eigentlich nicht, wenn man Politikersprache auf das Wesentliche entkernt.

Bei den bayerischen Sachthemen dürfte es auch aus Grünen-Sicht keine allzu großen Probleme geben, die eigene Politik glaubhaft zu machen. Die umstrittene 2. Novelle des Polizeiaufgabengesetz etwa, das die CSU schließlich trotz heftiger Kritik und massiven Demonstrationen beschlossen hat, ist nicht so gut, wie die CSU behauptet. Söder wird kein Problem damit haben, es im Grünen-Sinne umzuformulieren. Auch die eingeführte bayerische Grenzpolizei, die ja als symbolischer Politikakt in diesem Wahlkampf gar nicht funktioniert hat, wird Söder nicht vier weitere Jahre lang verteidigen müssen, zumal das Argument der Grünen ganz gut ist: Lieber mehr Polizei in der Fläche, als nur an der Grenze.

Berlin ist das Problem für Schwarz-Grün, die Bundespolitik

Unter dem Strich könnte man meinen, damit seien nun aus CSU- wie aus Grünen-Sicht genügend Argumente für eine Koalition beisammen – aber es könnte trotzdem anders kommen. Denn in diesen Zeiten geht es eben nicht nur um ein Bundesland – es geht um die strategische Gesamtaufstellung.

Berlin – die Bundespolitik – könnte deshalb die größte und womöglich unüberwindliche Hürde sein. Da sind zum einen die Ankerzentren, die die Grünen kategorisch ablehnen, und zum anderen die Frage nach den sicheren Herkunftsländern. Bayern müsste sich im Bundesrat bei vielen Abstimmungen womöglich enthalten – das wiederum widerspricht dem bayerischen Selbstverständnis, und auch die CSU-Landesgruppe in der Unionsfraktion würde dadurch nicht gerade gestärkt werden. In Bayern hätte Söder seine Partei wohl im Griff, aber in Berlin? Zudem sind die persönlichen Aversionen zwischen vielen Grünen und Christsozialen traditionell sehr groß.

Sicher ist deshalb nur eines: Die CSU wird an diesem Sonntag ihr historisch schlechtestes Ergebnis einfahren und die Grünen ihr bisher bestes.

Zur Startseite