SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich: So höflich tritt der Gegenspieler des Außenministers auf – und so machtbewusst
Für seine Absage an US-Atomwaffen in Deutschland erhält der SPD-Fraktionschef viel Zuspruch aus seiner Partei - und kann nun mehr Führung beanspruchen. Ein Porträt.
Auf den oberen Ebenen der Bundespolitik gibt es kaum einen höflicheren und freundlicheren Menschen als Rolf Mützenich. Der SPD-Fraktionschef kommt aus Köln, Rheinländer sind umgänglich. Doch das ist nicht alles: Niemand bedankt sich häufiger; niemand gibt seinem Gesprächspartner so sehr das Gefühl, er nehme in ernst; niemand stellt sein Licht tiefer unter den Scheffel.
Bei den Wahlen der Vize-Fraktionschefs holte der Parteilinke früher immer die meisten Stimmen. Alle Parteiflügel vertrauten ihm. Dass er 2019 Andrea Nahles beerben konnte, hing damit zusammen, dass ihm kaum einer eine persönliche Machtagenda unterstellte.
Viele rieben sich die Augen, nachdem der Außenpolitiker Fraktionschef geworden war. Spätestens als Mützenich den regierungskritischen neuen Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans deutlich machte, wer in der SPD das Sagen hat, nämlich die Fraktion, wurde klar: Im höflichen Herrn Mützenich steckt ein Machtpolitiker.
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Oppositionssehnsucht trieb ihn anders als viele andere Genossen vom linken Flügel nicht um. Die Regierungsbeteiligung wollte er sich nicht nehmen lassen, um von dort aus weiter seine linke Agenda durchzusetzen.
Hartnäckigkeit und Willen hatten der 60-Jährige schon vorher gezeigt. So setzte er im Koalitionsvertrag im Alleingang die „Jemen-Klausel“ durch, wonach kein am Krieg dort beteiligtes Land aus Deutschland Waffen erhalten darf. Und er profilierte sich als Gegenspieler des eigenen Außenministers: Vor allem mit Heiko Maas’ anfänglich robusten Russlandpolitik ging er ins Gericht, ohne dass dieser ihn stoppen konnte. Zeitweise schien es, als bestimme statt des Ressortchefs Mützenich die Außenpolitik.
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Der Kölner sorgte auch dafür, dass im Koalitionsvertrag ausdeutbare Formulierungen zum Umgang mit den US-Atomwaffen stehen. Als er am Wochenende deren Abzug forderte, musste sich die Union wie die Hauptfigur einer Pay-TV-Serie fühlen, die in der dritten Staffel von einem längst vergessenen Gespenst aus der Vergangenheit heimgesucht wird.
Seit seinem Studium beim Friedensforscher Dieter Senghaas und seiner Doktorarbeit über Atomwaffen von 1991 bezweifelt der Politikwissenschaftler die Wirkung nuklearer Abschreckung. Die Westbindung Deutschlands scheint ihm egal, wenn er einen deutschen Sonderweg empfiehlt, vor dem Maas nun dringend warnt.
Im SPD-internen Streit um die Atomwaffen geht es aber längst um mehr. Seitdem die Parteichefs Esken und Walter-Borjans die Forderung des Fraktionschefs nach einem einseitigen Abzug der US-Atomwaffen bejubeln, hat dieser in der Partei Deutungsmacht gewonnen und Führung übernommen, auch wenn sozialdemokratische Außen- und Verteidigungspolitiker entsetzt sind.
Manche in der SPD empfehlen Mützenich schon als Kanzlerkandidaten. Ob der mit seinem dezidiert linken Programm nicht eher Wähler abschrecken würde, muss womöglich einmal ein Parteitag entscheiden.
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