Einzelgänger mit Prinzipien: Was von Rolf Mützenich als SPD-Fraktionschef zu erwarten ist
Er ist kein Machtpolitiker, pflegt auch kaum Netzwerke. Doch die Hartnäckigkeit des SPD-Interims-Fraktionschefs sollte die Union nicht unterschätzen.
Der Mann des Übergangs ist keiner, der sich im politischen Alltag ins Licht der Kameras drängt. Am Sonntag aber suchte Rolf Mützenich die Öffentlichkeit und erklärte vor Journalisten, warum er als dienstältester Vertreter von Fraktionschefin Andrea Nahles für eine Übergangszeit die Arbeit der SPD-Bundestagsabgeordneten leiten will. „Wir sind arbeitsfähig und arbeitswillig“, sagte er. Die Fraktion sei in der Lage, alle Themen zu bearbeiten, die im Koalitionsvertrag verabredet seien. „Und wir haben uns ja vorgenommen, insbesondere im Bereich der Grundrente, aber auch des Klimaschutzgesetzes weitere Dinge mit dem Koalitionspartner zu beraten.“
Die breite Öffentlichkeit kennt den Kölner Bundestagsabgeordneten wohl nur aus Statements in Fernsehnachrichten oder Politmagazinen, wenn es um deutsche Außen- und Sicherheitspolitik geht. Denn auf diesem Themenfeld arbeitet der 59-jährige Politikwissenschaftler seit Jahren. Promoviert hatte der Sohn einer Arbeiterfamilien Anfang der 90er Jahre an der Universität Bremen zum Thema „Atomwaffenfreie Zonen und internationale Politik“. Eine Idee, die ihn seither nicht mehr losgelassen hat – nicht als außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion (2009 bis 2013) und auch nicht als stellvertretender Fraktionschef (seit 2013).
Andere Politiker aalen sich in der eigenen Wichtigkeit, schaffen gezielt eine Aura um sich, so dass gefälligst jeder aufmerkt, wenn sie den Raum betreten. Mützenich scheint solches Kreisen um sich selbst fremd. Er bleibt lieber höflich und bedankt sich noch für das Interesse, wenn ein Journalist nach seiner Meinung zu einem außenpolitischen Konflikt fragt.
In der Politik geht es um Macht. Die brauchen Politikerinnen oder Politiker, um ihre Ziele durchzusetzen. Mützenich scheint zumindest kein erotisches Verhältnis zur Macht zu haben. Was viele seiner Fraktionskollegen ihm als Schwäche auslegen, könnte in der Krise nun dazu führen, dass er als Interims-Fraktionschef die Abgeordneten hinter sich sammeln kann. Niemand muss argwöhnen, dass er das Amt anstrebt, weil er sich auf diese Weise eine höhere Aufgabe sichern will. Seit Jahren gehört der Kölner der Parlamentarischen Linken (PL) an, trotzdem trauen ihm nun auch Vertreter der beiden anderen Parteiflügel.
Der Politikwissenschaftler ist kein Mann, der systematisch Netzwerke aufbaut. Stattdessen fragt er seinen Gesprächspartner lieber, welches politische Buch ihn in jüngster Zeit beeindruckt habe. In seiner Fraktion gilt er als Einzelgänger mit Prinzipien. Auch mit den Meinungsführern in seinem Landesverband Nordrhein-Westfalen ist die Kommunikation gestört. Vor der Bundestagswahl 2017 verweigerte ihm ein Landesparteitag einen aussichtsreichen Listenplatz. Mützenich schaffte es, seinen Wahlkreis Köln III mit den Stadtteilen Ehrenfeld, Nippes und Chorweiler wieder direkt zu erobern – mit 32,3 Prozent. Seit 2002 verteidigt er diese Bastion der SPD, von denen es nicht mehr viele gibt in der Republik.
Mützenich setzte Jemen-Klausel durch
Doch in der Union sollten sie sich keine Illusionen über den höflichen Herrn Mützenich machen. Wenn der sich etwas in den Kopf gesetzt hat, arbeitet er beharrlich daran. Man muss seine außenpolitischen Standpunkte, die manchmal eher linksnational als westlich-bündnisorientiert scheinen, nicht teilen, um zu merken: Der Mann brennt für seine Sache.
Fast im Alleingang setzte der Abrüstungspolitiker im Koalitionsvertrag die so genannte Jemen-Klausel durch. Wer an dem Krieg in dem arabischen Land beteiligt ist, soll keine Waffen aus deutscher Produktion mehr erhalten. Auch deshalb hat die SPD gegen den Willen der Union durchgesetzt, dass das Export-Moratorium für Rüstungsgüter an Saudi-Arabien zumindest noch bis zum Herbst gilt. Die Unionsfraktion, sie muss sich deshalb im Umgang mit der SPD-Fraktion auf sehr höfliche Hartnäckigkeit einstellen.
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