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Michael Kretschmer
© dpa/Ralf Hirschberger

Umgang mit Neonazis: So bricht Sachsens CDU das AfD-Tabu

Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer äußert sich gegen Rechtsextremismus. In der Praxis unternimmt er aber wenig gegen rechte Umtriebe. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Matthias Meisner

Michael Kretschmer hätte allen Grund zur Demut. Sachsens Ministerpräsident bekommt das Problem mit den rechten Umtrieben in seinem Bundesland nicht in den Griff. Obwohl er seit Jahren beteuert, der Freistaat sei „unglaublich stark“ dabei, Rechtsextremisten Einhalt zu gebieten.

Die Praxis sieht anders aus. Am 1. Mai marschierten hunderte Neonazis der Kleinpartei „Der III. Weg“ durch Plauen. Die Behörden schritten nicht ein, sie hatten Fackeln, Trommeln, Fahnen und sogar die Aufstellung eines Galgens genehmigt. Auch in der einheitlichen braun-beigen Kleidung erkannten sie keine einschüchternde Wirkung. Die – so der Zentralrat der Juden – „verstörenden und erschreckenden“ Bilder gingen um die Welt.

Eine Woche brauchte Kretschmers CDU-Parteifreund, Landesinnenminister Wöller, um zu erklären, das Agieren des zuständigen Landratsamts Vogtlandkreis gegen die in SA-Manier aufmarschierenden Neonazis sei „unzureichend“ gewesen. Dabei warnt der Verfassungsschutz seit Jahren vor den Rechtsextremisten, die bei einer früheren Demonstration per Lautsprecher verkündeten „Die Lösung heißt Nationalsozialismus“.

Die Liste ließe sich lang fortführen: Reichsbürger von Bautzen bis Meißen, die sich in den Stadtgesellschaften vernetzen, organisierte Neonazis beim Schulterschluss mit AfD und Pegida wie beim „Trauermarsch“ in Chemnitz, Brandanschläge von Rechtsterroristen wie in Freital.

Und immer wieder Landesvater Kretschmer, der zwar einerseits den Rechtsextremismus eine Bedrohung der Freiheit nennt. Und dann aber immer wieder – ganz in der Tradition der sächsischen CDU – relativiert und wegsieht: Es habe in Chemnitz „keinen Mob“ und „keine Pogrome“ gegeben, sagte er im Herbst.

Es war deshalb auch kein Ausrutscher, als Kretschmer jetzt die Aktionen der Künstlergruppe „Zentrum für politische Schönheit“ (ZPS) wie den Nachbau des Holocaust-Mahnmals im Höcke-Wohnort Bornhagen mit den Aktivitäten der rechtsextremistischen „Identitären Bewegung“ auf eine Stufe stellte, „ich finde beides geschmacklos“.

Der CDU-Regierungschef hätte so nicht argumentieren sollen, selbst wenn er AfD wegen der Kommunalwahlen und der Landtagswahl im Nacken spürt. Vielleicht denkt er, dass sich die Masche der beiden Gruppen – spektakuläre öffentlichkeitswirksame Aktionen - ähnelt. Die Motive aber liegen diametral auseinander: Die Künstler des ZPS verteidigen die Demokratie. Neonazis aber wollen sie abschaffen. Und, nota bene: Die „Identitäre Bewegung“ ist bei ihrem Tun gut mit der AfD vernetzt.

„Hier werden Grenzen verschoben“, erklärt Kretschmer. Er meinte das auch mit Blick auf die Aktionskünstler. Das Problem: Der CDU-Politiker verschiebt tatsächlich Grenzen, indem er die unter Demokraten konsensuale und klare Abgrenzung nach rechts infragestellt. Freuen wird das alle in seiner Partei, die mit einer schwarz-blauen Zusammenarbeit im Freistaat wenig Probleme haben. Und das sind nicht wenige.

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