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Teilnehmer des rechten Aufmarsches am 1. Mai in Plauen
© dpa/Sebastian Willnow
Update

Rechtsextremer Marsch durch Plauen: Landratsamt verteidigt Uniform-Entscheidung

Mit Fackeln und einheitlichen T-Shirts marschierten Rechtsextreme am 1. Mai durch Plauen. Die Versammlungsbehörde sieht darin keinen "Einschüchterungseffekt".

Sachsens Polizei war erstaunlich gelassen nach dem martialischen Aufmarsch von Neonazis am 1. Mai in Plauen. Der polizeiliche Einsatzführer, Polizeioberrat Alexander Beitz, bilanzierte nach dem Einsatz mit insgesamt rund 1300 Beamten: "Ich freue mich, dass die Umsetzung des auf Deeskalation beruhenden polizeilichen Einsatzkonzeptes gelungen ist und dass der Blick nach Plauen ein friedliches 1. Mai-Geschehen zeigte."

Und das nach einer Demonstration, die viele Beobachter an das Auftreten der Nationalsozialisten im Dritten Reich erinnerte.

Die neonazistische Kleinpartei "Der III. Weg" hat in der Stadt im Vogtland ihre bundesweit aktivste Parteiuntergliederung. Rund 500 ihrer Anhänger waren nach bundesweiter Mobilisierung am Mittwoch mit Fackeln durch die Stadt gezogen. Die meisten von ihnen traten mit braun-beigen T-Shirts wie uniformiert auf, grüne Fahnen mit dem Parteilogo wurden geschwenkt. Dabei hatten sie Trommeln, die große Ähnlichkeit mit den Instrumenten des Trommlercorps der Hitlerjugend hatten.

Skandiert wurde von Demonstranten: "Nationaler Sozialismus - jetzt!" und "Deutschland erwache", wie das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus berichtete. Ein Teilnehmer habe den Hitlergruß gezeigt und "Tod den Kanaken" in Richtung von Anwohnern geschrien. Im September 2018 war bei einer Demonstration des "III. Wegs" die Parole "Die Lösung heißt Nationalsozialismus" straffrei geblieben.

Diesmal meldet die Polizei zehn Ermittlungsverfahren aus Plauen, wegen Verstößen gegen das Vermummungsverbot und der Beleidigung eines Polizeibeamten - doch keines von ihnen richtet sich gegen Versammlungsteilnehmer des "III. Wegs". Der Zwickauer Polizeisprecher Oliver Wurdak erklärt dem Tagesspiegel: "Auch sind bislang keine Videos bekannt geworden, die straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtliche Ermittlungen notwendig machen würden."

Sitzblockade von Gegendemonstranten

Die Behörden in Sachsen sind auch diesmal davon überzeugt, alles richtig gemacht zu haben. Nicht nur die Polizei, die darauf verwies, auch eine Sitzblockade von Gegendemonstranten möglich gemacht zu haben. Sondern auch das Landratsamt des Vogtlandkreises, das als Versammlungsbehörde den Aufzug der Neonazis beauflagt hatte. Pyrotechnik war demnach zu Beginn und zum Ende des Aufmarschs gestattet. Die "Freie Presse" zitierte den Sprecher des Landratsamtes, Uwe Heinl, mit den Worten, 16 Fackeln seien erlaubt gewesen, 14 habe er gezählt.

Plauens Oberbürgermeister Ralf Oberdorfer (FDP) hatte erst kurz vor dem Aufmarsch seine Feststellung vom Februar wiederholt, wonach "Der III. Weg" nicht verboten und damit "in einer Demokratie legitimiert" sei.

Und die Uniformierung? Im sächsischen Versammlungsgesetz gibt es einen Passus, in dem es heißt: "Es ist verboten, öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen, wenn infolge des äußeren Erscheinungsbildes oder durch die Ausgestaltung der Versammlung Gewaltbereitschaft vermittelt und dadurch auf andere Versammlungsteilnehmer oder Außenstehende einschüchternd eingewirkt wird."

2009 hatte das Sächsische Oberverwaltungsgericht (Az.: 3 B 59/06) im Streit um die Auflagen für eine NPD-Demonstration in Grimma geurteilt, das Uniformverbot greife, wenn Kleidungsstücke "als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung getragen werden". Nicht zwingend muss es sich um eine Uniform handeln. Die Rechtsgrundlage greife auch, wenn zivile Kleidungsstücke "im Wesentlichen einheitlich aussehen und in ihrer Außenwirkung suggestiv-militante Effekte in Richtung auf einschüchternde uniforme Militanz auslösen".

Das Landratsamt des Vogtlandkreises teilte auf Tagesspiegel-Anfrage mit, für ein Verbot müsse zusätzlich zum Tragen einer einheitlichen Kleidung "ein Gewaltbereitschaft vermittelnder Einschüchterungseffekt hinzutreten". Dieser Effekt habe jedoch "durch das Tragen einheitlicher T-Shirts eines Teils der Versammlungsteilnehmer" nicht bejaht werden können "und hätte nach Auffassung der Versammlungsbehörde einer verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung nicht standgehalten".

Linke fordert Entzug des Parteienprivilegs

Zahlreiche Kritiker meinten hingegen, dass die sächsischen Behörden ihre Möglichkeiten in Plauen nicht ausgeschöpft haben. „Nicht nur für die jüdische Gemeinschaft, sondern für das demokratische Deutschland und die engagierte Zivilgesellschaft insgesamt wäre ein entschiedenes Vorgehen der sächsischen Landesregierung gegen derartige Aufmärsche wichtig gewesen“, erklärte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden. „Obwohl sich mindestens hinter die Genehmigung der Demo mit Pyrotechnik ein großes Fragezeichen machen lässt, schweigen jene, die im Land Verantwortung für die Ordnungskräfte haben.“

Schuster nannte die Bilder aus Plauen „verstörend und erschreckend“: „Ausgerechnet am Vorabend des jüdischen Shoa-Gedenktages marschieren in Sachsen Rechtsextreme in einer Weise, die Erinnerungen an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte wach werden lassen.“ Wenn es die sächsische Landesregierung mit der Bekämpfung des Rechtsextremismus ernst meine, dürfe sie solche Demos nicht zulassen.

Der Leipziger Rechtsanwalt und frühere Grünen-Landeschef Jürgen Kasek twitterte: "Völlig unverständlich, dass die Neonazis vom III. Weg mit massiver Pyrotechnik, Landsknechttrommeln und uniformer Kleidung laufen dürfen. Das ganze hat eine deutlich einschüchternde Wirkung, die beabsichtigt ist. Das Versammlungsgesetz untersagt das, eigentlich."

Ähnlich äußerte sich die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner. "Angesichts des offenen Bezuges auf den Nationalsozialismus" sowie Straf- und Gewalttaten im Zusammenhang mit den Aktivitäten der Partei sei es "unverantwortlich, dass die Behörden ihre Möglichkeiten nicht durch strengere Auflagen genutzt haben", sagt sie dem Tagesspiegel. Der "III. Weg" betreibe "lupenreine NS-Propaganda", sei am Mittwoch in Plauen "SA-mäßig" aufgetreten.

Renner forderte: "Im Grunde müsste denen das Parteienprivileg entzogen werden, hinter dem sie sich als militante Organisation verstecken." Sie verweist auf die rechtsextreme Kleinpartei FAP, die 1995 vom damaligen Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) verboten worden war. Auch die Sicherheitsbehörden haben festgestellt, dass etliche Protagonisten des "III. Wegs" strafrechtlich relevante rechtsextremistisch motivierte Delikte begangen haben.

Eine Partei aufzulösen ist für den Staat weit schwieriger als eine andere Organisation, wie sich an den beiden gescheiterten Verbotsanträgen von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung gegen die NPD ablesen lässt. Da der "III. Weg" an Wahlen teilnimmt, ist ihm der Parteistatus vermutlich nicht zu nehmen. So glauben die Neonazis denn auch, sie könnten sich viel erlauben.

Hohes Mobilisierungspotenzial in der Neonazi-Szene

Sicherheitskreise halten den "III. Weg" trotz der geringen Größe für gefährlich. "Die sind am klarsten Nazipartei", heißt es. Inhalte und Symbolik zeugten eindeutig von der Orientierung am historischen Nationalsozialismus. Im Programm wird in NS-Duktus "die Entwicklung und Erhaltung der biologischen Substanz unseres Volkes" und die "Schaffung eines deutschen Sozialismus" gefordert. Angesichts der unverhohlenen ideologischen Nähe zum Dritten Reich habe die Partei in der Neonazi-Szene ein "hohes Mobilisierungspotenzial", heißt es aus Sicherheitskreisen.

Zur "Popularität" bei Rechtsextremisten trägt auch bei, dass eine der bekanntesten Figuren der braunen Musikszene, der Sänger Michael Regener alias "Lunikoff", eine Parteihymne mit dem Titel „Der III. Weg marschiert“ komponierte. Regener war einst Chef der Band "Landser". Das Berliner Kammergericht 2003 stufte die Gruppe als kriminelle Vereinigung ein und verurteilte den Neonazi zu mehr als drei Jahren Haft.

Bundesweit zählt "Der III. Weg" mehr als 500 Mitglieder, in Sachsen sind es um die 120. Vor drei Jahren waren es im Freistaat nur halb so viele. Damit lässt sich schon erkennen, dass Sachsen für die Partei eine besondere Bedeutung hat.

Gegründet wurde die neonazistische Partei 2013 in Heidelberg von Klaus Armstroff, ehemals Funktionär der NPD - der auch am Mittwoch an der Spitze des Demonstrationszuges in Plauen mitlief. Die Neonazis reagierten damit auf die Verbote rechtsextremer Vereine.

Internationale Vernetzung

Die Partei veröffentlichte 2015 bei Google Maps eine Karte, auf der bundesweit Flüchtlingsunterkünfte verzeichnet waren – kombiniert mit der Parole „Kein Asylantenheim in meiner Nachbarschaft“. Angesichts der Welle von Anschlägen auf Heime von Asylbewerbern interpretierten die Sicherheitsbehörden die Karte als stimulierend für rassistische Gewalttäter. Google reagierte und entfernte die Karte aus dem Netz.

Im Juli 2018 veranstaltete die Partei im thüringischen Kirchheim ein Festival mit Kampfsport, Musik und politischen Reden. Die Verbindung zu Kampfsportlern sei wie auch bei anderen Neonazi-Organisationen besonders gefährlich, sagen Sicherheitskreise. Teile der Szene bereiteten sich auf Straßenkämpfe und Bürgerkrieg vor. Auch vermeintlich karitative Angebote werden gemacht, in Plauen zum Beispiel eine "Volksküche" nur für Deutsche und Hausaufgabenhilfe für Schüler.

Sorgen bereiten den Behörden auch die internationalen Verbindungen der Partei. Der Verfassungsschutz spricht von Kontakten zu Rechtsextremisten unter anderem in Griechenland, Portugal, Schweden, Norwegen, Ungarn, Bulgarien und der Ukraine. Die Bundesregierung teilte im Juli 2018 auf eine Anfrage der Linksfraktion mit, "Der III. Weg" habe in München eine "Nationale Streife" mit "kroatischer Beteiligung" veranstaltet. Mit Streifengängen versuchen die Neonazis, sich als Bürgerwehr aufzuspielen - und wollen gleichzeitig, so die Behörden, einen angeblichen staatlichen Kontrollverlust anprangern.

Die Partei solidarisiert sich zudem mit der libanesischen Terrororganisation Hisbollah und dem Regime des syrischen Diktators Assad. Nach Erkenntnissen des bayerischen Verfassungsschutzes reiste ein "III. Weg"-Aktivist 2016 nach Syrien zu Gesprächen mit Vertretern von Regierung und Armee. Ein weiteres Parteimitglied traf 2017 im Libanon den "Auslandsbeauftragten" der Syrisch-Sozial-Nationalistischen Partei (SSNP), die 1932 nach dem Vorbild faschistischer Parteien gegründet wurde. Eine Miliz der SSNP kämpft im syrischen Bürgerkrieg an der Seite von Assad-Regime und Hisbollah. (mit KNA)

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