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Die Anhänger von Elizabeth Warren würde gern eine Siegerin feiern - und können nur warten.
© REUTERS/Brian Snyder
Update

„Iowa schockt die Welt“: Wie konnte das nur passieren, ihr Demokraten?

And the winner is ... erst einmal niemand. Das Debakel der Demokraten im ersten Vorwahlstaat blamiert die Partei – und nutzt vor allem: Donald Trump.

Das Chaos in Iowa ist eingetreten. Alle Befürchtungen, das komplizierte System bei der ersten Vorwahl der US-Demokraten könne zu Unstimmigkeiten führen und gleich mehrere Bewerber ermutigen, sich nach der Bekanntgabe der Ergebnisse zum Sieger zu erklären, haben sich bewahrheitet.

Nur gab es Montagnacht noch nicht einmal offizielle Ergebnisse in dem Bundesstaat im Mittleren Westen, auf die diese sich beziehen konnten. Und dennoch haben sich gleich fünf Präsidentschaftskandidaten mit Quasi-Siegesansprachen an ihre Anhänger gewandt – bevor sie sich in den nächsten Bundesstaat verabschiedet haben: Am kommenden Dienstag wird in New Hampshire bereits wieder gewählt. Für die Demokraten, die doch vor allem die chaotische Präsidentschaft von Donald Trump im November beenden wollen, ist der Super-GAU eingetreten. Sie haben sich bis auf die Knochen blamiert.

Das änderte sich auch einen Tag später nicht: Am Dienstagnachmittag (Ortszeit) trat der Landesvorsitzende der Demokratischen Partei, Troy Price, vor die Medien, zeigte sich zerknirscht – und gab doch nicht bekannt, was alle erhofft hatten: ein Endergebnis der Vorwahl von Iowa. Bisher seien 62 Prozent der Stimmen ausgezählt, sagte Price.

Wenigstens verkündete er dann einen Zwischenstand. Der ist zu knapp, um schon einen Sieger auszurufen. Ein Erfolg ist er aber in jedem Fall für Pete Buttigieg, den gerade 38 Jahre alten früheren Bürgermeister aus South Bend/Indiana, der bislang mit 26,9 Prozent knapp vor dem linken Senator Bernie Sanders mit 25,1 Prozent führt. Die übrigen Kandidaten liegen zurück.

Was ist schiefgelaufen?

Der „Caucus“ in Iowa ist berühmt-berüchtigt. Die massive Konzentration auf diesen – mit seiner vorwiegend weißen Bevölkerung – überhaupt nicht repräsentativen Agrarstaat macht den Auftakt der innerparteilichen Kandidatenauswahl regelmäßig zu einer kuriosen Veranstaltung.

Anders als in anderen Bundesstaaten werden die Kandidaten nicht durch eine einfache Wahl, sondern durch eine Abstimmung in insgesamt 1700 Nachbarschaftsversammlungen bestimmt. Dabei gilt eine 15-Prozent-Hürde. Wer die in einer ersten Runde nicht schafft, kann sich in einer zweiten für einen der anderen Bewerber entscheiden.

In diesem Jahr sollte alles besonders transparent vonstatten gehen, nachdem es bei früheren Wahlen immer wieder Kritik gegeben hatte. Für 2020 hatte die Partei daher ein kompliziertes Auswertungsverfahren entwickelt: Erstmals wurden nicht nur die Zahl der Delegierten an die Landespartei übermittelt, sondern auch die Rohdaten der ersten und zweiten Auszählungsrunde.

Carl Voss, Bezirksvorsitzender des Bezirks 55, überprüft die Ergebnisse.
Carl Voss, Bezirksvorsitzender des Bezirks 55, überprüft die Ergebnisse.
© Jack Kurtz/ZUMA Wire/dpa

Doch bei dieser Übermittlung hakte es, nach offiziellen Angaben wegen einer App, die wohl nicht richtig erprobt worden war. Zunächst war von „Ungereimtheiten“ die Rede, einen Hackerangriff schloss man umgehend aus. Fest steht: Die einzelnen Ergebnisse konnten nicht vollständig an die Landespartei übermittelt werden.

Mehrere Organisatoren der Versammlungen, die doch alles so genau einstudiert hatten und so stolz auf ihr basisdemokratisches Verfahren waren, versuchten dann verzweifelt, telefonisch zur Zentrale durchzukommen oder ihre abfotografierten Ergebniszettel anders zu senden. Aber viele scheiterten auch daran.

Teilweise wurde von Wartezeiten bis zu 90 Minuten am Telefon berichtet. In der Nacht, als die US-Medien aufgrund der stundenlangen Verzögerung aufgeregt berichteten, wurde dann entschieden, noch einmal in Ruhe per Hand auszuzählen. Die Auszählung dauerte auch am Dienstag noch an. Das Desaster fasste einer der Bewerber noch in der Nacht in drastische Worte: „Iowa, du hast die Welt schockiert“, erklärte Jungstar Buttigieg, der schon vorher mit einem starken Ergebnis hatte rechnen können.

Warum ist Iowa so wichtig?

In den Tagen vor der Wahl hatte sich Bernie Sanders, der linke, als Unabhängiger kandidierende Senator aus Vermont, in Umfragen an die Spitze geschoben. Als er Montagnacht zur Wahlparty seiner enthusiastischen Anhänger im Holiday Inn am Flughafen in Des Moines kam, zeigte er sich siegesgewiss: „Irgendwann werden die Ergebnisse bekannt gegeben werden. Und ich habe das Gefühl, dass wir sehr, sehr gut abgeschnitten haben“, rief er der jubelnden Menge zu. Nicht viel später versandte sein Wahlkampfteam eine Mail: Darin veröffentlichte die Kampagne eigene Ergebnisse – und erklärte Sanders zum Sieger.

Auch Pete Buttigiegs Team wollte da nicht hintenanstehen, immerhin hatte der 38-Jährige, als moderat geltende Ex-Bürgermeister in den letzten Umfragen ebenfalls auf Platz eins oder zwei gelegen. Auch hier wurde der Kandidat unter Berufung auf eigene Zählungen als Sieger ausgerufen, ohne dass es offiziell ein Ergebnis gab. Das ist eine gefährliche Entwicklung, die die Legitimität der Wahl weiter untergräbt. Denn wenn jeder seine eigenen Ergebnisse verkündet, öffnet dies auch die Tür für Falschmeldungen und Verschwörungstheorien.

Dieses Wettrennen um die Deutungshoheit liegt aber vor allem an den Eigenheiten des Caucus in Iowa: Eigentlich ohne große Relevanz (nur gut ein Prozent der Delegierten für den Nominierungsparteitag der Demokraten im Juli wird hier bestimmt, Iowa hat gerademal drei Millionen Einwohner) ist der Hauptgewinn des Abends traditionell die gigantische Medienaufmerksamkeit.

Wer hier gut abschneidet, gilt ab sofort als Favorit. Darum konzentrieren sich die Präsidentschaftsbewerber schon Monate im voraus auf Iowa, fahren kreuz und quer durchs Land zu hunderten Wahlkampfveranstaltungen, schütteln tausende Hände und testen ihre Botschaften für die nächsten Monate. Der Aufwand ist enorm – körperlich und finanziell. Wer nicht mithalten kann, gibt auf: Von den ursprünglich mal rund zwei Dutzend Bewerbern bei den Demokraten sind nur noch elf übrig geblieben.

Wem nutzt das Chaos?

Zum einen den forschen Bewerbern, die einfach mal ihren Sieg erklärten. Sie werden an dieser Botschaft festhalten. Genutzt hat das Wahl-Chaos aber vermutlich auch Joe Biden. Der ehemalige Vizepräsident, der über Monate als der Bewerber mit den größten Siegeschancen gegen Trump galt, musste Umfragen zufolge mit einem Debakel rechnen.

Joe Biden und seine Frau Jill vor Anhängern in Des Moines.
Joe Biden und seine Frau Jill vor Anhängern in Des Moines.
© imago images/ZUMA Press

Teilweise hatte er da noch nicht einmal die 15-Prozent-Hürde geschafft – auch wenn die Umfragen in Iowa stets mit Vorsicht zu genießen sind, weil die Wahlbeteiligung niedrig ist und viele Wähler bis zuletzt unentschieden waren. Biden hat das Chaos von Iowa nun eine Atempause verschafft.

Ihm werden in späteren Vorwahlen, beispielsweise in südlichen Bundesstaaten wie South Carolina, deutlich bessere Chancen zugeschrieben. Mit einer Vorentscheidung rechnen ohnehin viele frühestens am „Super Tuesday“ (3. März), wenn 14 Bundesstaaten gleichzeitig abstimmen, darunter auch so große wie Kalifornien.

Alle etwas ratlos: In Iowa zeigte sich der mühsame und chaotische Teil der Demokratie.
Alle etwas ratlos: In Iowa zeigte sich der mühsame und chaotische Teil der Demokratie.
© REUTERS/Brian Snyder

Bidens Team setzte allem Anschein nach darauf, die Verkündung der Ergebnisse weiter zu verzögern – umso mehr Abstand, umso besser. Die Kampagne schrieb als erste an die Landespartei und kritisierte „erhebliche Mängel“ in dem Auszählungsprozess. Nun gehe man davon aus, die Gelegenheit zur Stellungnahme zu erhalten, bevor offizielle Ergebnisse veröffentlicht würden, hieß es in dem Brief, der in US-Medien veröffentlicht wurde.

Und was macht Trump?

Der Amtsinhaber im Weißen Haus ist wohl der allergrößte Profiteur. Trump twitterte sogleich voller Schadenfreude: „Nichts funktioniert.“ Nur er selbst könne sich als Sieger der Nacht fühlen.

Der Präsident gewann die zeitgleich stattfindende Vorwahl seiner Partei in Iowa mit überwältigender Mehrheit. Laut „New York Times“ erhielt Trump in Iowa 97,1 Prozent der Stimmen bei den Republikanern. Seine beiden Konkurrenten in Iowa – der frühere Gouverneur von Massachusetts, Bill Weld, und der konservative Radiomoderator und frühere Kongressabgeordnete Joe Walsh – blieben unter zwei Prozent.

Trumps Wahlkampfmanager Brad Parscale bezeichnete die Probleme der Konkurrenz höhnisch als „Kernschmelze der Demokraten“. Auf Twitter erklärte er: „Sie können nicht einmal die Vorwahl organisieren, und sie wollen die Regierung führen. Nein, danke.“

Auch Trumps Sohn Eric Trump twitterte, genau deshalb wollten die Menschen nicht, dass die Demokraten die USA regierten.

Dass die Republikaner in der Vergangenheit auch Probleme in Iowa hatten, wurde da schlicht verschwiegen. 2012 war Mitt Romney am Wahlabend zunächst zum Sieger erklärt worden, bevor die Partei zwei Wochen später Rick Santorum mit 34 Stimmen Vorsprung an die erste Stelle setzte.

Für Trump war das Wahldebakel bei den Demokraten aber auch der Auftakt zu einer Woche voller Siegesbotschaften: Am Dienstagabend (Ortszeit) wollte er in seiner Rede zur Lage der Nation über die großen Erfolge seiner Regierung sprechen, am Mittwoch wird er aller Voraussicht nach vom Senat im Amtsenthebungsverfahren freigesprochen. Das Wahljahr hätte kaum schlechter für die Demokraten beginnen können.

Welche Konsequenzen hat das Debakel?

Vieles hängt nun davon ab, wann die Ergebnisse verkündet und wie sie aufgenommen werden. Gut möglich, dass die Aufmerksamkeit nun ganz auf New Hampshire übergeht, wo die Bewerber die nächsten Tage intensiv Wahlkampf machen.

Für den Agrarstaat Iowa, der so stolz auf die weltweite Aufmerksamkeit war, könnte das Chaos aber langfristig die meisten Folgen haben. Der Bundesstaat könnten seinen Status als erster Vorwahlstaat im Land verlieren. So hieß es in US-Medien bereits, dies sei wahrscheinlich das letzte Mal für Iowa gewesen. Zu groß ist der Frust über diese erneute Wahlpanne – und die Blamage der Demokratischen Partei.

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