Geldstrafe wegen umstrittener Justizreform?: Polen reagiert trotzig auf Drohung der EU
Vertreter der PiS-Partei bestreiten den Vorrang europäischer Gerichte vor nationalem Recht. Die Opposition nennt die Konflikte mit der EU eine Katastrophe.
Die politischen Lager in Polen haben gegensätzlich auf die Drohung der EU-Kommission reagiert, die Regierung in Warschau mit Geldstrafen zum Rückzug von der umstrittenen Justizreform zu zwingen. Vertreter der PiS-Regierung weisen den Anspruch der Brüsseler Behörde trotzig zurück, dass Polen sich beugen müsse, weil europäische Gerichtsurteile angeblich Vorrang vor nationalem Recht haben.
Politiker der Opposition äußerten sich entsetzt, dass Polen mit vielen Partnern im Streit liege und nun bereits in zwei Verfahren hohe Geldbußen drohen.
Marcin Horala, Vizeminister für Infrastruktur, beurteilte das Vorgehen der Kommission auf eine Frage des Tagesspiegels beim Economic Forum in Karpacz als „rechtswidrig“. Mit der Aufnahme in die EU sei Polen Teil des europäischen Hauses geworden. „Wir sind aber nicht einem Club beigetreten, der uns Vorschriften machen kann, wie wir unsere Wohnung innen ausmalen und ausstatten.“
Krzysztof Bosak, Parteivorsitzender der rechtsextremen „Konfederacja“ unterstützte diese Sicht. In den Europäischen Verträgen, denen Polen beigetreten sei, legten nicht fest, wie das Justizwesen eines EU-Staats organisiert sein müsse. Es gebe auch keine Übereinkunft der EU-Länder, dass europäische Urteile generell Vorrang vor nationalem Recht haben. „Die Kommission beansprucht hier Rechte, die sie nicht hat.“
"Mit wem hat Polen keinen Krach?"
Krzysztof Kwiatkowski, Senator der größten Oppositionsgruppe im Parlament, Platforma Obywatelska PO, (Bürgerplattform) nannte es „eine Katastrophe, dass die PiS Polen international isoliert. Mit wem haben wir eigentlich keinen Krach?“
Sein Parteikollege Robert Kropiwnicki betont, „Polen ist einem Club beigetreten, der sich auf gemeinsame europäische Werte stützt, darunter die Unabhängigkeit der Justiz.“ Justizminister Zbigniew Ziobro „will die Richter der Politik unterordnen. Das verstößt gegen die europäischen Werte.“
Er ist „beunruhigt über die wachsende Zahl von Konflikten Polens mit der EU und unseren Nachbarn“. Tschechien habe Polen verklagt, weil durch den polnischen Kohleabbau im Grenzgebiet bei Turow der Grundwasserspiegel auf tschechischer Seite sinkt. Die EU unterstützt die Klage, Tschechien hat ein Zwangsgeld gegen Polen von fünf Millionen Euro täglich beantragt.
Konflikt mit den USA um einen wichtigen TV-Sender
Daneben schwelt ein Streit mit den USA wegen des Versuchs der PiS, den wichtigsten Oppositionssender tvn mundtot zu machen. Mit Litauen und der Ukraine gibt es Spannungen wegen der Geschichte und Kulturfragen.
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Magdalena Sobkowiak-Czarnecka, Beraterin des Parteichefs der Bauernpartei PSL, Wladyslaw Kosiniak-Kamysz, beklagt, die PiS breche aus innenpolitischen Gründen künstlichen außenpolitischen Streit vom Zaun, um sich an der Macht zu halten. Eine strategische Außenpolitik fehle. „Wer kennt den Namen des polnischen Außenministers? Oder des polnischen Finanzministers?
Die von der PiS geführte Regierungskoalition ist kürzlich auseinandergebrochen. Seither versucht ihr Parteichef Jaroslaw Kaczynski von Fall zu Fall Mehrheiten zu organisieren. Beim Economic Forum sagen viele Teilnehmer, sie rechneten mit vorgezogenen Neuwahlen 2022. Kürzlich ist Donald Tusk, der Regierungschef war, ehe die PiS die Macht gewann, von der europäischen Bühne in die Innenpolitik zurückgekehrt.
Die Linke rät Premier Morawiecki zum Nachgeben
Das Parteibündnis Lewica (Vereinigte Linke) unterstützt die nationalkonservative PiS bei manchen Projekten. Ihr Abgeordneter Krzysztof Gawkowski rät Premier Mateusz Morawiecki mit Blick auf die drohenden Bußgelder der EU im Streit um das Justizwesen zum Nachgeben.
„Der Konflikt ist leicht zu lösen“, sagt Gawkowski. Morawiecki müsse nur seinen Antrag an das Verfassungstribunal zurückziehen, dass dieses prüfen solle, ob der von Brüssel beanspruchte Vorrang europäischer Urteile mit der polnischen Verfassung vereinbar sei. Außerdem müsse die Disziplinarkammer für Richter, der Auslöser des Streits, ihre Arbeit einstellen.