„Persönliche politische Agenda“: Neue Zeugen bringen Trump in Erklärungsnot
Weitere Zeugen nähren den Verdacht, dass der US-Präsident für Militärhilfe an die Ukraine Ermittlungen gegen seinen Konkurrenten Biden zur Bedingung machte.
Zwei weitere Zeugenaussagen in den Impeachment-Ermittlungen gegen Donald Trump bringen den US-Präsidenten und dessen Umfeld in Erklärungsnot. Der Geheimdienstausschuss des US-Repräsentantenhauses veröffentlichte am Samstagabend (Ortszeit) die Mitschriften der Befragungen von einem früheren Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrates, Tim Morrison, und einer Mitarbeiterin von US-Vizepräsident Mike Pence, Jennifer Williams. Beide äußerten Bedenken über Versuche, die ukrainische Führung mit Druck zu politischen Ermittlungen gegen einen Rivalen Trumps zu drängen.
Morrison und Williams hatten bereits vor einigen Tagen im Kongress ausgesagt, allerdings hinter verschlossenen Türen. Erst jetzt wurden ihre Aussagen veröffentlicht. Beide hatten bei jenem Telefonat zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski am 25. Juli mitgehört, das im Zentrum der Ukraine-Affäre steht.
Demokraten sehen Amtsmissbrauch
Trump hatte Selenski darin zu Ermittlungen gegen den Sohn seines Rivalen Joe Biden ermuntert. Dieser hat gute Chancen auf die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten bei der Wahl 2020, bei der Trump für die Republikaner wieder antreten will. Trump wirft Biden vor, in seiner früheren Funktion als US-Vizepräsident versucht zu haben, seinen Sohn vor der ukrainischen Justiz zu schützen. Hunter Biden war vor Jahren bei dem Gaskonzern Burisma in der Ukraine beschäftigt. Dazu wollte Trump Ermittlungen in der Ukraine.
Die Demokraten im US-Repräsentantenhaus treiben deswegen Ermittlungen für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) gegen Trump voran. Sie werfen dem Präsidenten vor, sein Amt missbraucht zu haben, um Kiew dafür zu gewinnen, sich zu seinen Gunsten in den US-Wahlkampf einzumischen. Es besteht der Verdacht, dass Trump Militärhilfe an die Ukraine in Höhe von rund 400 Millionen US-Dollar als Druckmittel einsetzte, um die gewünschten Ermittlungen zu erreichen.
Williams nannte Trumps Forderung nach solch spezifischen Ermittlungen in dem Telefonat mit Selenski „ungewöhnlich“ und „unangemessen“. Sie sagte: „Für mich gab das Aufschluss zu möglichen anderen Motiven hinter der Zurückhaltung der Militärhilfe.“ Es habe den Anschein gehabt, als gehe es mehr um die „persönliche politische Agenda“ des Präsidenten als um außenpolitische Ziele der USA.
Druck auf Sondland steigt
Morrison betonte zwar, er habe nichts an dem Gespräch illegal oder unzulässig gefunden. Er habe aber Sorge gehabt, dass Inhalte des Telefonats an die Öffentlichkeit gelangen und für politische Kämpfe genutzt werden könnten.
Morrison, der erst kurz vor seiner Aussage den Nationalen Sicherheitsrat verlassen hatte, sagte allerdings - wie zuvor schon ein anderer Zeuge - aus, die zeitweise zurückgehaltene Militärhilfe an die Ukraine sei daran geknüpft gewesen, dass die Führung in Kiew öffentlich Ermittlungen zu Burisma ankündige. Dies habe ihm der US-Botschafter bei der EU, Gordon Sondland, gesagt. Sondland habe ihm gegenüber auch angegeben, in diesen Fragen auf Anweisungen Trumps zu handeln. „Sondland glaubte und sagte mir zumindest, dass der Präsident ihm Anweisung gab.“ Das erhärtet den Verdacht gegenüber Trump und steigert den Druck auf Sondland, der in der kommenden Woche öffentlich vor dem Kongress aussagen soll.
Am Freitagabend (Ortszeit) war hinter verschlossenen Türen ein Mitarbeiter der US-Botschaft in Kiew, David Holmes, befragt worden. Wie mehrere US-Medien unter Berufung auf Teilnehmer berichteten, bestätigte Holmes dort, was zuvor bereits der US-Botschafter in der Ukraine, William Taylor, öffentlich ausgesagt hatte. Holmes hörte demnach, wie sich Trump am 26. Juli - einen Tag nach dem Gespräch mit Selenski - per Telefon persönlich bei Sondland nach Ermittlungen in der Ukraine erkundigte. Im Anschluss an das mitgehörte Gespräch fragte Holmes Sondland den Angaben nach, was Trump über die Ukraine denke. Dieser habe geantwortet, dass sich der Präsident mehr für Ermittlungen gegen Biden interessiere als für die Ukraine.
Ex-Botschafterin fühlt sich von Trump eingeschüchtert
Es warten also viele Fragen auf Sondland. Dieser hatte bereits zuvor nicht-öffentlich vor Abgeordneten ausgesagt, einen solchen Austausch mit Trump am 26. Juli aber nicht erwähnt. Trump selbst bestreitet, dass es diese Unterhaltung mit Sondland je gab.
In der vergangenen Woche waren erstmals Zeugen öffentlich befragt worden. Die Demokraten wollen mit diesen im Fernsehen übertragenen Anhörungen erreichen, dass sich die Amerikaner selbst ein Bild von Zeugenschilderungen machen können.
Zuletzt hatte am Freitag die Ex-US-Botschafterin in der Ukraine, Marie Yovanovitch, öffentlich ausgesagt. Trump griff sie während ihrer Befragung per Tweet an. Die Demokraten warfen ihm daraufhin „Einschüchterung von Zeugen“ vor. Trump wies das zurück und pochte auf seine Redefreiheit. Republikanische Abgeordnete taten sich aber schwer, ihren Parteikollegen Trump zu verteidigen, und distanzierten sich zum Teil von dessen Twitter-Attacke.
Die US-Regierung hatte Yovanovitch im Mai vorzeitig von ihrem Posten in Kiew abberufen. Sie beklagt, sie sei wegen „unbegründeter und falscher Behauptungen von Menschen mit klar fragwürdigen Motiven“ abgezogen worden. Auch bei der Anhörung am Freitag stellte sie sich als Opfer einer „Rufmordkampagne“ dar.
Trump nach Gesundheitscheck für gesund erklärt
Am Wochenende legte Trump einen Teil seines jährlichen Gesundheitschecks ab. Bei dem 73-Jährigen seien „eine kurze Untersuchung und Labortests“ im Walter-Reed-Militärkrankenhaus bei Washington vorgenommen worden, sagte seine Sprecherin Stephanie Grisham. Trump war zuletzt im Februar nach einer Routineuntersuchung von Präsidentenarzt Sean Conley für „sehr gesund“ erklärt worden.
Trump habe „ein freies Wochenende hier in Washington“ genutzt, um Teile seiner jährlichen Untersuchung in Erwartung eines „sehr arbeitsreichen Jahres 2020“ abzuschließen, sagte Grisham am Samstag. „Der Präsident ist gesund und voller Energie, wie seine wiederholt kraftvollen Wahlkampfauftritte vor Tausenden von Amerikanern mehrmals pro Woche zeigen“, fügte die Sprecherin hinzu. Trump ist bekannt für seine Vorliebe für ungesundes Fast Food und der Vermeidung von größeren sportlichen Anstrengungen. Dem Bericht vom Februar zufolge wog Trump 110 Kilogramm. Ein US-Präsident wird jährlich routinemäßig durchgecheckt. Das Präsidialamt legt fest, welche Ergebnisse der Untersuchung veröffentlicht werden. (dpa, AFP)