Anhörung zur Ukraine-Affäre: Frühere Botschafterin fühlte sich von Trump bedroht
In der Ukraine-Affäre ist die Ex-US-Botschafterin Marie Yovanovitch vor das Repräsentantenhaus geladen. Noch während sie spricht, greift Trump sie auf Twitter an.
In den Impeachment-Ermittlungen hat US-Präsident Donald Trump die frühere Botschafterin in der Ukraine während ihrer laufenden Aussage vor dem Repräsentantenhaus auf Twitter angegriffen. Überall, wo Marie Yovanovitch hingegangen sei, habe sich die Lage verschlechtert, schrieb Trump am Freitag. Yovanovitch wurde bei der Anhörung vor dem Geheimdienstausschuss auf den Tweet angesprochen. „Es ist einschüchternd“, sagte sie.
Zuvor hatte sie unter Eid ausgesagt, sie habe sich von Aussagen Trumps gegenüber dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bedroht gefühlt. Der Ausschussvorsitzende Adam Schiff deutete mit Blick auf Trumps Tweet zu Yovanovitch an, das könne womöglich als Einschüchterung von Zeugen gewertet werden. Schiff warf Trump „Einschüchterung von Zeugen in Echtzeit“ vor.
Das Weiße Haus sah sich zu einer öffentlichen Verteidigung des Präsidenten bemüßigt. „Der Tweet war keine Einschüchterung von Zeugen“, erklärte Trumps Sprecherin, Stephanie Grisham. „Es war schlicht die Meinung des Präsidenten, zu der er berechtigt ist.“
Die Anhörung erfolgt im Zuge der Untersuchung zu einem möglichen Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Trump. Yovanovitch gilt als wichtige Figur in der Ukraine-Affäre und war zuvor bereits hinter verschlossenen Türen von drei Ausschüssen der Kongresskammer befragt worden.
Die Diplomatin war auf Drängen Trumps vorzeitig von ihrem Posten als Botschafterin in Kiew abberufen worden. Bei der Untersuchung geht es um den Vorwurf des Machtmissbrauchs gegen Trump. Er hatte versucht, die Ukraine zu Ermittlungen gegen seinen innenpolitischen Rivalen, den Demokraten Joe Biden, zu bewegen. Die Demokraten wollen mit der Untersuchung den Weg für eine formelle Anklageerhebung gegen Trump durch das Repräsentantenhaus – das sogenannte Impeachment – bereiten.
Yovanovitch stellte sich bei der Anhörung am Freitag als Opfer einer „Rufmordkampagne“ infolge ihres Engagements gegen Korruption in der Ukraine dar. Sie machte dafür korrupte ukrainische Beamte, aber auch Trumps persönlichen Anwalt Rudy Giuliani verantwortlich. „Ich verstehe Herrn Giulianis Beweggründe nicht, mich anzugreifen.“ Vorwürfe, dass sie US-Botschaftspersonal oder Vertretern der Ukraine gesagt habe, Trumps Anordnungen könnten ignoriert werden, weil er des Amtes enthoben werde, seien nicht zutreffend.Yovanovitch sagte, sie habe am Abend des 24. April während eines Empfangs in der Botschaft einen Anruf des US-Außenministeriums erhalten. Sie sei aufgefordert worden, mit dem nächsten Flugzeug nach Washington zurückzukehren. Dort sei ihr gesagt worden, dass Trump das Vertrauen in sie verloren habe. „Es war furchtbar, das zu hören. Es wurde kein echter Grund genannt, warum ich gehen musste.
„Das klang wie eine Bedrohung.“
Die frühere Botschafterin wurde auch auf das Gesprächsprotokoll des Telefonats zwischen Trump und Selenskyj am 25. Juli angesprochen, das im Zentrum der Ukraine-Affäre steht. Trump regte in dem Gespräch Ermittlungen gegen Bidens Sohn Hunter Biden an. Über die abberufene Botschafterin sagte Trump: „Sie wird ein paar Sachen durchmachen.“ Yovanovitch sagte: „Das klang wie eine Bedrohung.“ Auf die Frage, ob sie sich bedroht gefühlt habe, antwortete sie: „Das tat ich.“
Trump sagte Selenskyj laut Protokoll auch, die frühere Botschafterin bedeute „schlechte Nachrichten“. Yovanovitch sagte am Freitag: „Ich war schockiert. Absolut schockiert und am Boden zerstört.“ Sie habe nicht glauben können, dass der Präsident der USA mit einem anderen Staatschef so über einen Botschafter spricht. Yovanovitch zeichnete auch ein verheerendes Bild des US-Außenministeriums, das „von innen ausgehöhlt“ werde.
Weiteres Gesprächsprotokoll mit Selenskyj veröffentlicht
Trump versuchte am Freitag, die Aufmerksamkeit von der Anhörung abzulenken. Pünktlich zu Beginn der Sitzung um 9.00 Uhr (Ortszeit/15.00 Uhr MEZ) veröffentlichte das Weiße Haus das Gesprächsprotokoll eines früheren Telefonats Trumps mit Selenskyj.
In dem Gespräch am 21. April gratulierte Trump Selenskyj zu seinem Wahlsieg vom selben Tag, wie aus dem Protokoll hervorgeht. Anders als in dem Telefonat am 25. Juli ermuntert Trump Selenskyj in dem Gespräch im April nicht zu Ermittlungen, die Biden schaden könnten. In dem Telefonat vom April sagte Trump dem Protokoll zufolge: „Ich habe keinen Zweifel daran, dass Sie ein fantastischer Präsident sein werden.“ Selenskyj nannte Trump „ein großes Vorbild“ und lud ihn mehrfach dazu ein, seiner Amtseinführung beizuwohnen.
Am Mittwoch hatten Abgeordnete bereits zwei Zeugen öffentlich befragt – das erste Mal seit Aufnahme der Impeachment-Ermittlungen Ende September.
Pelosi spricht von Hinweisen auf „Bestechung“
Die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, spricht inzwischen von Hinweisen auf „Bestechung“. Das Wort dürfte mit Bedacht gewählt sein: Die US-Verfassung nennt Bestechung ausdrücklich als einen Tatbestand für eine Amtsenthebung.
Die Demokraten werfen dem republikanischen Präsidenten vor, seine Macht missbraucht zu haben, um die ukrainische Regierung dafür zu gewinnen, sich zu seinen Gunsten in den US-Wahlkampf einzumischen. Es besteht der Verdacht, dass Trump Militärhilfe an das Land in Höhe von rund 400 Millionen US-Dollar als Druckmittel einsetzte. Aus Sicht der Demokraten wollte Trump die Ukraine damit zu Ermittlungen bewegen, die seinem demokratischen Rivalen Joe Biden schaden könnten. Trump nennt die Untersuchungen eine „Hexenjagd“.
Trump kündigte an, Selenskyj ins Weiße Haus einzuladen, wenn er sich in dem neuen Amt eingerichtet habe. Selenskyj sagte: „Wir nehmen die Einladung an und freuen uns auf den Besuch.“ Die Demokraten werfen Trump vor, auch einen Besuch Selenskyjs im Weiße Haus an die Forderung gekoppelt zu haben, gegen die Bidens zu ermitteln.
Trump wirft Biden vor, in seiner früheren Funktion als US-Vizepräsident Anstrengungen unternommen zu haben, um seinen Sohn vor der ukrainischen Justiz zu schützen. Hunter Biden war bei einem Gaskonzern in der Ukraine beschäftigt. Joe Biden hat gute Chancen auf die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten bei der Wahl nächstes Jahr. Trump will für die Republikaner zur Wiederwahl antreten. (dpa, AFP)