Bundeskanzlerin in den USA eingetroffen: Nach Macron versucht es Merkel bei Trump
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist in den USA eingetroffen. Binnen knapp 22 Stunden will sie große Themen mit US-Präsident Trump besprechen. Die Erwartungen sind gedämpft.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist in Washington gelandet. In der US-Hauptstadt will sie am Freitagabend deutscher Zeit Präsident Donald Trump treffen. Der auf zweieinhalb Stunden angesetzte Arbeitsbesuch wird sich vor allem um den Handelskonflikt zwischen den Vereinigten Staaten und Europa sowie um die Zukunft des Atomabkommens mit dem Iran drehen. Es ist Merkels zweiter Besuch bei Trump. Insgesamt soll ihre Visite in den USA noch nicht einmal 22 Stunden dauern.
Auf besonderes Interesse wird nach dem von viel Pomp begleiteten dreitägigen Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron bei Trump der persönliche Umgang zwischen dem US-Präsidenten und der Kanzlerin stoßen. Beim ersten Besuch Merkels bei Trump vor gut einem Jahr hatte der US-Präsident teils abweisend gewirkt. Seither hat sich das persönliche Verhältnis eher noch verschlechtert.
Merkels Besuch ist der zweite Teil der europäischen Mission, US-Präsident Trump vom Konfliktkurs abzubringen. Er soll das Atomabkommen mit dem Iran nicht kündigen und die EU von den Strafzöllen auf Stahl und Aluminium ausnehmen. Merkel setzt die Überzeugungsarbeit fort, die Macron bei seinem dreitägigen Staatsbesuch in der ersten Wochenhälfte begonnen hat.
Die Beiden hatten sich bei Macrons Besuch in Berlin vor einer Woche abgesprochen. Vor dem Abflug dämpften deutsche Regierungskreise aber die Erwartungen. Auch in Sachen Iran habe Macron keine Zusage erhalten, dass Trump zum Atomdeal stehe. Seine Entscheidung wird zum 12. Mai erwartet.
Was war Macrons Taktik?
Der französische Präsident verfolgt eine Umarmungsstrategie. Um ein gutes persönliches Verhältnis mit seinem US-Kollegen aufzubauen, hebt er die Gemeinsamkeiten hervor. Beide sind als Außenseiter in das höchste Staatsamt gelangt. Beide mussten sich gegen die favorisierten Kandidaten des Establishments durchsetzen. Beide bringen einen neuen Stil mit, der revolutionär wirkt und bonapartistisch auf die Unterstützung durch die Stimme des Volkes setzt. Früh in seiner Präsidentschaft hat Macron in die persönliche Beziehung mit Trump investiert, ihn 2017 zum französischen Nationalfeiertag eingeladen und mit ihm die Militärparade abgenommen. Trump hat das genossen.
Wie erfolgreich war Macron?
Stimmungsmäßig war Macrons Besuch ein Erfolg. Die historische Allianz zwischen Frankreich und den USA wurde drei Tage lang zelebriert und ins öffentliche Bewusstsein gerufen. Sie reicht von den parallelen Revolutionen und Grundrechte-Erklärungen – 1776 in den USA, 1789 in Frankreich – über die Waffenbruderschaft im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und zwei Weltkriegen bis zur gemeinsamen Intervention in Syrien, um das Verbot des Chemiewaffeneinsatzes durchzusetzen.
Die betonte Harmonie mit Trump hat Macron jedoch nicht daran gehindert, im US-Kongress eine fulminante Rede zu halten, in der er die Streitpunkte mit Trump bei den Strafzöllen, und der Handelspolitik generell, beim Klimaabkommen sowie beim Umgang mit dem Iran offen ansprach.
Er war der siebte französische Präsident, der eine Rede vor dem US-Kongress hielt. Er tat es auf Englisch, das war außergewöhnlich. Es war auch ein Versuch, das gesamte politische Spektrum in den USA anzusprechen und um Unterstützung für die europäischen Ziele zu werben.
Ob Macron mit diesem umfassenden Ansatz auch inhaltlich erfolgreich war, lässt sich noch nicht sagen. Bei den Strafzöllen zeigt sich das Anfang Mai, beim Iran-Abkommen Mitte Mai. Und falls dieses Ringen ganz oder teilweise im Sinne Europas ausgeht, lässt sich diskutieren, ob dies Macron zu verdanken ist oder Merkel oder dem gemeinsamen Vorgehen.
Wie wird Merkel mit Trump umgehen?
Der Staatsbesuch des französischen Präsidenten Washington dauerte drei Tage, die Kanzlerin dagegen wird nur zweieinhalb Stunden im Weißen Haus verbringen. Das sei für einen Arbeitsbesuch nicht ungewöhnlich und kein Signal für eine geringere politische Bedeutung, hieß es dazu aus Berliner Regierungskreisen. Die „Washington Post“ urteilte dagegen: „Nur einer der beiden europäischen Staatsleute hat sich den Respekt Trumps erarbeitet – und es ist nicht Merkel.“
Die Kanzlerin weiß: Der US-Präsident hat ein einseitiges, ziemlich negatives Bild von dem Land, das sie vertritt. Dabei dürfte auch eine Rolle spielen, dass sich Paris an den Luftangriffen auf Syrien beteiligte, Berlin aber nicht.
Gern wiederholt Trump bestimmte Vorwürfe, die alle darauf hinauslaufen, dass die USA vom deutschen Partner übervorteilt werden: Deutschland verfehle das Zwei-Prozent-Ziel der Nato für Rüstungsausgaben; der deutsche Exportüberschuss im Handel mit den USA sei unfair; schließlich begebe sich Berlin mit dem Bau der Ostseepipeline „Nord Stream 2“ in gefährliche Abhängigkeit von russischem Erdgas.
Macron und Trump zelebrierten ausgiebig ihre Männerfreundschaft. Merkel ist keine Freundin solcher Inszenierungen. Sie weiß zudem, dass die deutsche Öffentlichkeit ihr ein aktives Werben um die Gunst des US-Präsidenten nicht verzeihen würde. Deshalb ist damit zu rechnen, dass die Kanzlerin auf große Gesten verzichtet und ihren eigenen, sachlichen Stil verfolgen wird.
Was sind Merkels Ziele?
Die decken sich in weiten Teilen mit denen von Macron, mit dem sie sich eng abgestimmt hat. Beide werben dafür, das Atomabkommen mit dem Iran zu erhalten und bieten Trump dafür ein erweitertes Abkommen an. Darin geht es darum, eine nukleare Option für Teheran längerfristig auszuschließen, Störaktionen des Regimes in der Region einzudämmen und den Bau von Langstreckenraketen zu verhindern. Die Europäer fürchten ein atomares Wettrüsten im Nahen und Mittleren Osten, falls Trump seine Drohung wahrmacht. Berlin und Paris wollen auch verhindern, dass der Präsident gegen die EU mit den Strafzölle einen Handelskrieg provoziert. Zudem wird sich die Kanzlerin bemühen, Trumps schiefes Deutschland-Bild zu korrigieren.
Wie erfolgreich kann Merkel sein?
In Berliner Regierungskreisen wurden die Erwartungen vor dem Treffen weit heruntergeschraubt – möglicherweise in taktischer Absicht, um Enttäuschungen vorzubeugen und auch kleine Erfolge später bedeutsamer zu machen. Das gilt auch für die Frage, ob Trump bei den Zöllen auf Stahl und Aluminium die Ausnahmen für die EU verlängert. „Aus heutiger Sicht muss man davon ausgehen, dass die Zölle zum 1. Mai kommen“, hieß es dazu.
Hoffnungen auf eine Meinungsänderung Trumps zum Atomabkommen dürfte sich Merkel nicht machen: Der US-Präsident ist bekannt dafür, dass er auch bei weltpolitisch wichtigen Fragen gern verwirrende Signale gibt – und später allein und oft impulsiv entscheidet.
Ein Erfolg Merkels wäre es deshalb schon, wenn sie nach monatelanger Funkstille zwischen ihr und dem Präsidenten wegen der Regierungsbildung in Berlin den Gesprächsfaden mit Trump wieder knüpfen kann und der US-Administration deutlich macht, dass Deutschland ein Partner ist, der für Washington nützlich ist und in gemeinsamen Interesse etwas anzubieten hat. Dann dürfte auch das Urteil der amerikanischen Presse über sie wieder positiver ausfallen.
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