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Mike Pence war lange Präsident Donald Trumps treuester Weggefährte.
© MANDEL NGAN/AFP
Update

Vizepräsident wird zur Schlüsselfigur: Wie weit geht das Zerwürfnis zwischen Trump und Pence?

Hält Noch-Vizepräsident Pence zu Trump? Oder geht er gegen ihn vor? Am Montag sprachen beide erstmals nach dem Kapitol-Sturm wieder miteinander.

Wie tief das Zerwürfnis zwischen Donald Trump und Mike Pence ist und welche Konsequenzen das haben könnte, ist eine der spannendsten Fragen, die in Washington derzeit diskutiert werden. 

Der Noch-Vizepräsident war vier Jahre lang der wohl loyalste Weggefährte des US-Präsidenten, er fiel immer durch seine länglichen Lobgesänge auf Trump auf. Nun verfügt er auf einmal über enorm viel Macht.

Pence könnte, wenn er denn wollte, andere wichtige Regierungsmitglieder mobilisieren, um das zu versuchen, was viele von ihm nach dem Angriff auf das Kapitol erwarten: Er solle, so fordern die Demokraten im Repräsentantenhaus in einer am Montag eingereichten Resolution, gegen Trump vorgehen. 

Dafür solle er den 25. Verfassungszusatz nutzen, um Trump für amtsunfähig zu erklären und abzusetzen – bevor noch Schlimmeres als am vergangenen Mittwoch passiert. Dann würde Pence selbst Präsident werden, zumindest so lange, bis Joe Biden am 20. Januar ins Weiße Haus einzieht.

Die oberste Demokratin im Kongress, die „Sprecherin“ Nancy Pelosi, schrieb in einem Brief an ihre Fraktionskollegen am Sonntagabend, dass man Pence dafür eine Frist von 24 Stunden setze. Der Versuch des demokratischen Fraktionsvorsitzenden Steny Hoyer, die Resolution einstimmig zu verabschieden, scheiterte am Montag am Widerstand des republikanischen Abgeordneten Alex Mooney.

Anklagepunkt: Anstiftung zum Aufruhr

Das Repräsentantenhaus kommt nun am Dienstag um 9 Uhr (Ortszeit) wieder zusammen. Es wird erwartet, dass es sich dann erneut mit der Resolution befasst und darüber entscheidet. Da die Demokraten die Mehrheit in der Kammer haben, dürfte die Resolution dann verabschiedet werden.

Am Montagmorgen (Ortszeit) wurde zudem die Resolution des Repräsentantenhauses eingereicht, mit der ein parlamentarisches Amtsenthebungsverfahren gegen Trump eingeleitet werden soll. Einziger Anklagepunkt: „Anstiftung zum Aufruhr“. Trump habe die „Sicherheit der Vereinigten Staaten und ihrer Regierungseinrichtungen ernsthaft gefährdet“, heißt es in dem Text zu diesem möglichen Verfahren, über das die Abgeordneten noch in dieser Woche abstimmen sollen.

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Dem Republikaner wird vorgeworfen, seine Unterstützer bei einer Rallye zum Sturm auf das Kapitol angestachelt zu haben, indem er behauptete, der Wahlsieg solle ihm gestohlen werden und sie zum Marsch auf den Kongress aufforderte. Bei den Unruhen beziehungsweise in deren Folge kamen sechs Menschen ums Leben, darunter zwei Polizisten.

Kein Wort von Pence

Von Pence selbst haben die Amerikaner seit Mittwoch nichts gehört. Der Vizepräsident hatte sich Trumps Wunsch widersetzt, die Bestätigung des Wahlsiegs von Biden zu verhindern. Deshalb war er bei dem Angriff auf das Kongressgebäude nach allem, was bisher bekannt ist, in großer Gefahr. In dem Mob waren Rufe laut geworden, man werde den „Verräter“ Pence an einem Baum vor dem Kapitol aufhängen, wenn man seiner habhaft werden könne.

Der Vizepräsident war zu diesem Zeitpunkt an einen sicheren Ort gebracht worden. In Sichtweite des Kapitols wurde von Unbekannten ein Galgen aufgestellt. Auch in den Tagen danach wurde der Vizepräsident in sozialen Netzwerken massiv bedroht. Der Secret Service, der den Präsidenten und seinen Stellvertreter beschützt, hat nun wegen der Morddrohungen Ermittlungen aufgenommen.

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Vor der gemeinsamen Sitzung des Kongresses, die Pence als Vorsitzender des Senats leitete, hatte Trump bei seiner Kundgebung gesagt, er werde sehr enttäuscht sein, wenn dieser seinem Wunsch nicht nachkomme. Pence lehnte das ab und erklärte, er habe gar nicht die Macht, die Bestätigung des Wahlausgangs vom 3. November noch aufzuhalten.

Vom Getreuen zum „Staatsfeind Nummer eins in Trumps Welt“

Während und nach den darauffolgenden Ausschreitungen hat sich Trump US-Medien zufolge nicht nach Pence erkundigt. Erst am Montag kam ein kleines Signal des Zusammenhalts. Trump und Pence seien am Montag im Weißen Haus zusammengetroffen und hätten „ein gutes Gespräch“ geführt, teilte ein hochrangiger Regierungsmitarbeiter mit. Beide wollten bis zum Ende von Trumps Amtszeit am Mittwoch kommender Woche „ihre Arbeit zugunsten des Landes“ fortsetzen.

Beide hätten bei dem Gespräch ihre Ansicht bekräftigt, „dass jene, die das Gesetz gebrochen und vergangene Woche das Kapitol gestürmt haben, nicht für die 'Amerika zuerst'-Bewegung stehen“. „Amerika zuerst“ war das Leitmotto der vierjährigen Trump-Präsidentschaft.

„Vizepräsident Pence ist von einem der treuesten Gefolgsleute Donald Trumps zum Staatsfeind Nummer eins in Trumps Welt geworden“, sagte der republikanische Abgeordnete Adam Kinzinger am Wochenende.

Aber auch Pelosi erklärte im Sender CBS, dass sie gemeinsam mit dem demokratischen Minderheitsführer im Senat, Chuck Schumer, versucht habe, Pence wegen des 25. Verfassungszusatzes am Telefon zu sprechen. Aber der Vizepräsident sei nicht erreichbar gewesen. „Wir wurde 20 Minuten lang in der Leitung gehalten“, schilderte Pelosi in der Sendung „60 Minutes“. Immer habe es geheißen, „in einer Minute“ sei Pence erreichbar. „Nun, ans Telefon kam er nie.“

Welche Strategie der Vizepräsident also tatsächlich fährt, darüber kann zum jetzigen Zeitpunkt nur spekuliert werden. Ist der 61-Jährige nachhaltig erschüttert – auch über die Erkenntnis, wem er da vier Jahre lang blind zur Seite stand? Oder will er einfach nur vermeiden, noch stärker ins Visier der offensichtlich zu allem entschlossenen Trump-Anhänger zu geraten, ohne die die Republikanische Partei künftig kaum mehrheitsfähig wäre?

Der Senat entscheidet über eine Amtsenthebung

Immer wieder werden Pence Ambitionen zugeschrieben, eine eigene Kandidatur für das Weiße Haus in vier Jahren zu erwägen. Der evangelikale Christ kann auf den Rückhalt vieler Konservativer vertrauen. 

Unklar ist nun aber, wie groß der politische Schaden durch die Vorgänge der vergangenen Woche für den Ex-Gouverneur von Indiana und langjährigen Kongressabgeordneten ist. Anders als Trump hat Pence angekündigt, an der Amtseinführung von Biden am Mittwoch in einer Woche teilzunehmen.

Hieß es zunächst, der Vizepräsident habe keine Absicht, den 25. Verfassungszusatz anzuwenden, berichtete CNN am Wochenende auf einmal aus seinem Umfeld, Pence wolle sich diese Option vorbehalten für den Fall, dass Trump noch unberechenbarer agiere.

Wahrscheinlicher ist aber wohl, dass er die von Pelosi gesetzte Frist verstreichen lassen wird. Dann wird zum allerersten Mal in der amerikanischen Geschichte ein Präsident erneut vom Repräsentantenhaus angeklagt werden. Für dieses Impeachment reicht eine einfache Mehrheit in der Kongresskammer – da die Demokraten hier auch weiterhin die Mehrheit stellen und auch einige Republikaner bereits Unterstützung signalisiert haben, gilt dieser Schritt als gesichert.

Die endgültige Entscheidung über die Amtsenthebung des Präsidenten liegt aber laut Verfassung beim Senat. In dieser Kammer werden die Republikaner ihre bisherige Mehrheit zwar demnächst verlieren, nachdem die beiden Demokraten Raphael Warnock und Jon Ossoff gerade bei Nachwahlen in Georgia gewonnen hatten.

Doch für die Amtsenthebung ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, also 67 Stimmen der insgesamt 100 Senatoren. Die Demokraten müssten 17 Republikaner auf ihre Seite ziehen. Das dürfte schwierig werden. Beim ersten Impeachment wurde Trump Anfang Februar 2020 freigesprochen.

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