Newsblog Flüchtlinge: München erwartet bis Mitternacht insgesamt 13.000 Migranten
In München werden bis Mitternacht bis zu 13.000 Flüchtlinge erwartet. In London und Kopenhagen demonstrieren Menschen für die Aufnahme von mehr Flüchtlingen. Die Entwicklungen im Newsblog.
Sondersitzung des bayerischen Kabinetts am Sonntag: Wegen der sich dramatisch zuspitzenden Flüchtlingslage in München kommt das bayerische Kabinett an diesem Sonntag zu einer Sondersitzung zusammen. Dies teilte die Staatskanzlei am Samstagabend mit. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) habe den Ministerrat für 16.00 Uhr einberufen, um weitere Sofortmaßnahmen zur Bewältigung der Krise zu beschließen.
Bis Mitternacht 13.000 Flüchtlinge in München erwartet: Die bayerische Landeshauptstadt München steht vor der größten Aufnahme von Flüchtlingen innerhalb eines Tages. Wie die Regierung von Oberbayern am Samstagabend mitteilte, könnten bis Mitternacht insgesamt bis zu 13 000 Menschen den Münchner Hauptbahnhof erreicht haben. Bis zum Abend seien es etwa 9000 gewesen. Abhängig davon, wie viele es letztlich sein werden, könnte es für 1000 bis 5000 Menschen Schwierigkeiten mit der Unterbringung geben. Die Behörden erwägen daher, die Olympiahalle kurzfristig als Übernachtungsstätte herzurichten. Auch sei ab Sonntag die Errichtung einer Zeltstadt geplant.
Französische Honorarkonsulin verkauft Schlauchboote an Flüchtlinge: Das französische Außenministerium hat eine Honorarkonsulin in der Türkei suspendiert, weil sie Schlauchboote an Flüchtlinge verkauft hat. Das erklärte ein Sprecher des Ministeriums am Samstag in Paris. Eine Reportage des französischen Fernsehsenders France 2 hatte am Freitag enthüllt, dass die Französin in Bodrum Schlauchboote und Schwimmwesten an Flüchtlinge verkaufte. Ihr Geschäft betrieb sie demnach nicht weit von dem Strand, an dem das Foto des ertrunkenen Flüchtlingskindes Aylan entstand. Reporter des Senders filmten ein Interview mit der Frau mit versteckter Kamera. Sie gab darin offen zu, sich am Geschäft von Schleppern zu beteiligen. "Ja, wir machen uns mitschuldig." Wenn sie die Boote nicht verkaufen würde, täten es andere, sagte sie den Reportern. Auch der Bürgermeister, der Präfekt und der Hafenmeister würden sich an den Geschäften beteiligen. Von dem Urlaubsort Bodrum aus überqueren Tausende Flüchtlinge das Mittelmeer zu den griechischen Inseln. Die Frau war dort seit 2014 Honorarkonsulin, eine ehrenamtliche Tätigkeit. Honorarkonsuln haben einen Sonderstatus, der ihnen eine berufliche Tätigkeit gestattet.
Zehntausende Menschen haben am Samstag in London den britischen Premierminister David Cameron zur Aufnahme von mehr Flüchtlingen gedrängt. "Öffnet die Grenzen" und "Das Leben der Flüchtlinge zählt", stand auf ihren Plakaten. Auch in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen forderten laut Polizei etwa 30.000 Menschen die Aufnahme von mehr Einwanderern, die derzeit nach Europa gelangen.
Zu der Kundgebung in London hatten mehrere Nichtregierungsorganisationen aufgerufen. Der Protestzug startete vom Hyde Park in Richtung Downing Street 10, dem Amtssitz Camerons. Zu den prominentesten Teilnehmern zählte der frisch gekürte Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn. Er rief zu einer "friedlichen Lösung" der Flüchtlingskrise auf.
Cameron hatte nach heftigem Druck der britischen Öffentlichkeit angekündigt, in den kommenden fünf Jahren insgesamt 20.000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Allerdings will er keine Menschen ins Land lassen, die es schon auf europäischen Boden schafften, sondern Syrer, die sich noch in Flüchtlingslagern in den Nachbarländern befinden.
"Nur 20.000 Flüchtlinge in fünf Jahren, das ist erbärmlich", sagte der Demonstrant Dusan Petkovic angesichts von zehntausenden Menschen, die derzeit wöchentlich in Deutschland eintreffen. Unter der Menge war ein Kind mit einem Kostüm des Bärs Paddington.
"Auch Paddington war ein Flüchtling", stand auf seinem Schild - eine Anspielung auf die peruanische Heimat der Kinderbuchfigur. Dänemark hatte in der vergangenen Woche den Zugverkehr von Deutschland vorübergehend gestoppt, um Flüchtlinge fernzuhalten. Der Verkehr wurde am Donnerstag wieder aufgenommen, allerdings wurden nur die Einwanderer hereingelassen, die nach Schweden weiterfahren wollten.
Die Demonstranten in Kopenhagen forderten hingegen, die Flüchtlinge im Land willkommen zu heißen. "Europa ist Syriens nächster Nachbar", stand etwa auf ihren Schildern. Im Grenzort Padborg, durch den viele Flüchtlinge gekommen waren, protestierten etwa 400 Menschen für eine großzügigere Asylpolitik ihrer Regierung. Etwa 150 Gegendemonstranten verlangten, die Grenzen für Flüchtlinge zu schließen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will geflüchteten Frauen Mut machen. Außer ihnen Möglichkeiten zu geben, Traumatisierungen zu überwinden, „kann ich den Frauen nur raten: Sprache lernen!“, sagte sie in einem am Samstag veröffentlichten Video-Beitrag.
Darüber rät sie den geflüchteten Frauen, Kontakte zu suchen. Dazu gebe es in Deutschland viele Möglichkeiten und Initiativen. Beim G7-Frauenforum Mitte kommender Woche geht es nach den Worten Merkels darum, die Selbstständigkeit und die berufliche Ausbildung von Frauen zu fördern.
Dabei sei Deutschland „auch nicht immer Vorbild gewesen“, so die Kanzlerin. Noch heute gebe es eine geringe Frauenquote in Führungspositionen. Deshalb haben die Regierung eine verpflichtende Quote für die Aufsichtsräte der großen DAX-Unternehmen eingeführt. Handlungsbedarf bestehe daher nicht nur in Entwicklungsländern.
Zu dem G7-Dialogforum am Mittwoch erwartet die Kanzlerin 50 Frauen aus insgesamt 30 Industriestaaten und Entwicklungsländern.
Mindestlohn-Kontrolleure für Flüchtlingsbetreuung abgezogen: Auch der Zoll ist überlastet. Um die vielen Flüchtlinge zu betreuen, zieht der Zoll Personal von anderen Abteilungen ab. Vor allem die Kontrollen des Mindestlohns seien durch die Verschiebung betroffen, kritisiert der Deutsche Gewerkschaftsbund.
München fürchtet den Kollaps: Auch wenn es bisher nicht so aussieht, dass die von Außenminister Frank-Walter Steinmeier vorhergesagten 40.000 Flüchtlinge in München eintreffen werden, ist die Situation am Hauptbahnhof der bayerischen Landeshauptstadt äußerst angespannt. „Am Freitag waren wir am Limit. An diesem Wochenende sind wir einen Schritt weiter“, sagte der Regierungspräsident von Oberbayern, Christoph Hillenbrand, am Mittag vor Ort. Die Züge aus Ungarn und Österreich träfen mit Verzögerung ein. Für Samstagnacht sei mit mehr als 10.000 Flüchtlingen zu rechnen. Rund 5.000 davon könnten nicht versorgt werden: „Alle Kapazitäten der Unterbringung und des Weitertransports sind erschöpft“, betonte Hillenbrand. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) erklärte, er sei „ernsthaft besorgt über die Entwicklung der Lage in München“. Man sei an der Grenze der Belastbarkeit angekommen. „Wir wissen nicht mehr, was wir mit den Flüchtlingen machen sollen.“
Beide Verantwortlichen forderten mehr Unterstützung durch Bundesregierung, Länder und Kommunen. Wenn die Länderchefs und die Innenminister erklärten, sie seien am „Anschlag“, so empfinde er dies als „dreist“ und „geradezu lächerlich“, sagte Reiter. „Das Flüchtlingsproblem ist ein nationales Thema, dass wir nicht mehr in München lösen können“, betonte der Oberbürgermeister. „Jeder Zug mit 500 Flüchtlingen, der in eine andere Stadt geleitet werden kann, hilft uns weiter“, betonte Reiter. Seit vergangenen Samstag kamen insgesamt mehr als 43.000 Flüchtlinge am Münchener Hauptbahnhof an - mehr als der Freistaat Bayern im ganzen Jahr 2014 aufgenommen hat.
Bundesregierung weist Spekulationen über Zwangsvermietung zurück: Die Bundesregierung hat Spekulationen über eine Zwangsvermietung leerstehender Häuser zur Unterbringung von Flüchtlingen zurückgewiesen. „Der Bund plant keine Zwangsvermietung leerstehender Immobilien. Eine solche Maßnahme findet sich auch nicht im Beschluss des Koalitionsausschuss vom vergangenen Sonntag“, erklärte eine Regierungssprecherin am Samstag in Berlin. Sie reagierte damit auf einen Bericht des ARD-Hauptstadtstudios, wonach eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe die Einführung eines Beschleunigungsgesetzes prüfe, das angesichts des Flüchtlingsandrangs zeitlich befristet auch solche Schritte vorsehe. Die Überlegungen zielten vor allem auf Gewerbeimmobilien ab, aber auch auf Einfamilienhäuser, hieß es in dem Bericht.
Polizei erwartet weniger Flüchtlinge als von Steinmeier prognostiziert: Der Flüchtlingsansturm auf den Münchner Hauptbahnhof bleibt bisher aus. Am Freitag kamen nach Polizeiangaben lediglich 5000 statt der erwarteten 10.000 Menschen an. Am Samstagmorgen erreichten rund 1200 Flüchtlinge den Bahnhof, so viele wie im gleichen Zeitraum am Vortag. Aus der Erfahrung der vergangenen beiden Wochen ist nicht mehr damit zu rechnen, dass die Zahlen am Samstag auf die prognostizierten 20.000 ansteigen, hieß es.
40.000 Flüchtlinge am Wochenende in Deutschland erwartet - oder nicht? Deutschland bereitet sich auf die Aufnahme Tausender weiterer Flüchtlinge vor. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte, es würden allein am Wochenende 40.000 Flüchtlinge aus den südlichen und südöstlichen Nachbarländern erwartet. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, äußerte sich zurückhaltend zu der Prognose. Noch sei nicht klar, dass sich diese Zahl bewahrheite, sagte die SPD-Politikerin am Samstag im rbb-Inforadio. Fraglos seien aber viele Menschen unterwegs: „Es ist schon atemberaubend, das Tempo, in dem jetzt aus der Region (um Syrien) geflüchtet wird.“
Auch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) wollte sich nicht zu den jüngsten Prognosen äußern. „Die Zahlen ändern sich stündlich, wir sind daher sehr vorsichtig mit Schätzungen“, erklärte eine österreichische UNHCR-Sprecherin am Freitagabend auf Anfrage in Wien. „In den letzten Tagen konnten mit Fähren über 20.000 Menschen die griechischen Inseln verlassen, und es ist davon auszugehen, dass die Flüchtlinge in den nächsten Tagen über den Westbalkan reisen werden, zusätzlich zu jenen, die bereits unterwegs sind.“ Verteidigungsminister Ursula von der Leyen hatte am Freitag 4000 Bundeswehr-Soldaten als Helfer vorsorglich in Rufbereitschaft versetzt. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) forderte die anderen Bundesländer dringend zur Unterstützung auf. Die bayerische Landeshauptstadt ist der Hauptankunftspunkt der Flüchtlinge. Zwischen Mitternacht und 6 Uhr am Samstagmorgen erreichten dort 1700 Flüchtlinge den Hauptbahnhof.
Österreichs Bundeskanzler vergleicht Ungarns Flüchtlingspolitik mit Holocaust: Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann hat das Vorgehen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban in der Flüchtlingskrise mit der NS-Rassenpolitik verglichen. „Menschenrechte nach Religionen zu unterteilen ist unerträglich“, sagte der Sozialdemokrat dem "Spiegel". „Flüchtlinge in Züge zu stecken in dem Glauben, sie würden ganz woandershin fahren, weckt Erinnerungen an die dunkelste Zeit unseres Kontinents.“ Faymann brachte finanzielle Sanktionen für EU-Staaten wie Ungarn ins Gespräch, die sich einer Quotenregelung für die Aufteilung der Flüchtlinge in der EU verweigern. „Zur Bewältigung der Flüchtlingsbewegung brauchen wir Strafen gegen Solidaritätssünder“, sagte der SPÖ-Chef. Als Beispiel nannte er die Kürzung der Mittel aus den Strukturfonds, von denen vor allem die östlichen EU-Staaten profitierten. Die Quotenregelung könne in der EU auch mit qualifizierter Mehrheit durchgesetzt werden.
Europaweite Demonstration für und gegen Flüchtlinge am Samstag: In Berlin, London, Madrid, Wien und weiteren europäischen Städten werden zu einem "Europäischen Aktionstag für die Flüchtlinge" am Samstag zehntausende Menschen erwartet. In Polen, Tschechien und der Slowakei sind dagegen Demonstrationen gegen die Aufnahme von Flüchtlingen angekündigt. Erst am Freitag hatten Tschechien, Ungarn, die Slowakei und Polen Quotenregelungen zur Verteilung Asylsuchender erneut abgelehnt.
Viktor Orban kündigt eigenen Plan zur Flüchtlingskrise an: Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat angekündigt, Flüchtlinge künftig in ihre Heimatländer zurückschicken zu lassen. Der "Bild"-Zeitung vom Samstag sagte Orban, die Flüchtlinge sollten "dorthin, wo sie herkommen". Viele Flüchtlinge kämen nicht nach Europa, "weil sie Sicherheit suchen, sondern sie wollen ein besseres Leben als in den Lagern". Es gebe jedoch "kein Grundrecht auf ein besseres Leben, nur ein Recht auf Sicherheit und Menschenwürde". Der ungarische Regierungschef kündigte an, seinen EU-Kollegen beim nächsten Treffen einen eigenen Plan für die Lösung der Flüchtlingskrise vorzulegen. Danach sollen die Nachbarstaaten Syriens - die Türkei, Libanon und Jordanien - massive Finanzhilfen erhalten. Die Hilfen für Syrien bezifferte er auf rund drei Milliarden Euro: "Ich schlage vor, dass jedes Land ein Prozent zusätzlich in den Haushalt der EU einzahlt. Zugleich senken wir die Ausgaben für andere Zwecke generell um ein Prozent." Sollte mehr Geld nötig sein, "stocken wir die Hilfen auf - so lange, bis der Flüchtlingsstrom versiegt", sagte Orban weiter. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hatte Orban zu einem Gespräch mit der CSU-Landtagsfraktion eingeladen.
EU-Kommission soll Kosten der Flüchtlingskrise analysieren: Die EU-Kommission soll die finanziellen Auswirkungen der Flüchtlingskrise in Europa analysieren. Wie die luxemburgische Ratspräsidentschaft nach einem Treffen der EU-Finanzminister in Luxemburg mitteilte, bat sie die Kommission um eine solche Analyse. Dabei solle geprüft werden, ob die derzeitige Flüchtlingskrise als "außerordentliche Umstände" nach den Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts betrachtet werden könne, sagte der luxemburgische Finanzminister Pierre Gramegna. Dies würde bedeuten, dass die Schuldenregeln bei besonders betroffenen Staaten aufgrund ihrer Kosten für die Aufnahme von Flüchtlingen gelockert werden könnten. EU-Währungskommissar Pierre Moscovici erklärte, die Sorgen wegen der hohen Kosten der Flüchtlingskrise seien von Österreich, Irland und Italien thematisiert worden.
(mit AFP, dpa, Reuters, epd)
Unsere Themenseite zu Flüchtlingen finden Sie hier.
Die Ereignisse vom Freitag können Sie hier nachlesen.