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Kenias Präsident Uhuru Kenyatta (vorn) und sein Vize William Ruto standen 2007 nach der umstrittenen Präsidentenwahl, nach der mehr als 1000 Menschen getötet und Hunderttausende vertrieben wurden noch auf gegnerischen Seiten. Dass sie beide vor dem IStGH angeklagt wurden, hat sie bei er Wahl 2013 an die Macht gebracht.
© AFP

Internationaler Strafgerichtshof: Mörder und Präsidenten

Solange der Strafgerichtshof nur Milizionäre aburteilte, wurde er wenig angefeindet. Aber seit er auch hinter amtierenden Präsidenten her ist, kippt die Stimmung

Es hat fast genau zehn Jahre gedauert, bis der 2002 gegründete Internationale Strafgerichtshof (IStGH) sein erstes Urteil gesprochen hatte. 2012 verurteilten die Richter in Den Haag den Hema-Milizenführer Thomas Lubanga aus der Provinz Ituri im Osten der Demokratischen Republik Kongo zu 14 Jahren Haft. Da hatte er bereits sechs Jahre in Untersuchungshaft verbracht. Bis das Urteil schließlich rechtskräftig war, dauerte es noch mal ein gutes Jahr. Doch seit etwa einem Jahr sitzt Lubanga seine Haftstrafe ab – und er sitzt immer noch im IStGH-Gefängnis in Scheveningen am Rande Den Haags. Eigentlich hätte er nach dem Abschluss des Verfahrens in ein Gefängnis in einem anderen Land gebracht werden sollen, um dort seine Haftstrafe abzusitzen. Doch bisher hat kein Land größeres Interesse daran gezeigt. So ist es beim IStGH öfter.

Der IStGH soll die Hauptverantwortlichen aburteilen

Das Gericht soll schlimmste Verbrechen wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verfolgen. Dabei soll es die Hauptverantwortlichen aburteilen, wenn in dem Land, in dem sich die Verbrechen abspielen, keine Strafverfolgung stattfindet. Das aber auch nur, wenn das entsprechende Land dem Römischen Statut, dem Gründungsdokument des IStGH, beigetreten und ein Mitgliedsstaat ist. Meistens bitten die betroffenen Länder selbst darum, die Ermittlungen zu eröffnen. In anderen Fällen, wie der westsudanesischen Krisenregion Darfur oder Libyen, hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Fälle an den IStGH überwiesen.

Die insgesamt sieben Fälle aus dem Ostkongo sind überwiegend deshalb vor dem IStGH gelandet, weil der Präsident Joseph Kabila 2004 das Den Haager Gericht um Hilfe gebeten hatte. Kabila lieferte die Milizionäre aus, die seiner Macht gefährlich zu werden drohten, andere integrierte er in die Armee. Mit Jean-Pierre Bemba, der für seine Verbrechen in der benachbarten Zentralafrikanischen Republik vor den Richtern in Den Haag steht, lieferte Kabila sogar seinen Vize-Präsidenten an das Gericht aus. Nur in zwei kongolesischen Fällen haben der Chefermittler, damals noch Luis Moreno-Ocampo, beziehungsweise seine Nachfolgerin Fatou Bensouda, selbst Ermittlungen eingeleitet.

Der Gerichtshof ermittelt nur selten selbst

Moreno-Ocampo erwirkte 2010 einen Haftbefehl gegen Callixte Mbarushimana, der die FDLR angeführt haben soll. Die Miliz rekrutiert sich aus nach dem Völkermord im Nachbarland Ruanda geflohenen Hutu- Kämpfern, die dort teilweise am Genozid beteiligt gewesen waren. Frankreich verhaftete Mbarushimana, 2011 wurde er nach Den Haag ausgeliefert. Doch schon im Dezember 2011 entschieden die Richter am IStGH, den Fall nicht zu verhandeln, weil ihnen die vorgelegten Beweise für eine Verurteilung nicht ausreichten. Seit dem 23. Dezember 2011 ist der 2003 von Frankreich als Asylbewerber anerkannte Mbarushimana wieder ein freier Mann, dessen Aufenthaltserlaubnis in Frankreich inzwischen allerdings abgelaufen ist. Wo er sich aufhält, ob er weiterhin mit der Führung der brutalen FDLR-Milz zu tun hat, ist nicht bekannt.

Gleich zwei Haftbefehle gegen einen kongolesischen Milizenführer

2012 erwirkte Fatou Bensouda einen zweiten Haftbefehl gegen Thomas Lubangas Ex-Stellvertreter Bosco Ntaganda, gegen den ihr Vorgänger schon 2006 den ersten Haftbefehl wegen seiner Beteiligung an den Verbrechen in Ituri erwirkt hatte. Ntaganda wurde im Gegensatz zu Lubanga in die kongolesische Armee integriert. Dabei blieb es aber nicht. Er verlagerte sein Aktionsfeld weiter in den Süden in die beiden Kivu-Provinzen. Zunächst desertierte er gemeinsam mit dem von Ruanda unterstützten Milizionär Laurent Nkunda und begann 2008 eine neue Rebellion, die wiederum mit einem Deal mit der Regierung in Kinshasa endete und ihn erneut in die Armee integrierte. Weil Ntaganda und andere seiner ehemaligen Miliz der Regierung vorwarfen, ihre Verpflichtungen nicht einzuhalten, bildeten sie unter dem Namen M23 erneut eine von Ruanda lange unterstützte Miliz. Ntaganda stellte sich 2013 in der amerikanischen Botschaft in der ruandischen Hauptstadt Kigali. Er soll sich wegen seiner Verbrechen in Ituri und denen in seiner Zeit bei M23 vor dem IStGH verantworten. Wann sein Prozess eröffnet wird, ist noch unklar.

Streit über Anklagen gegen Präsidenten

Wenn der IStGH es dabei belassen hätte, auf Wunsch von bedrängten afrikanischen Regierungschefs lästige Milizionäre abzuurteilen, wäre er womöglich auch angefeindet worden. Aber den Aufruhr, den der Gerichtshof in den vergangenen zwei Jahren erlebt hat, hätte es vermutlich nicht gegeben. Einen Vorgeschmack gab es schon 2008 als Luis Moreno-Ocampo einen internationalen Haftbefehl gegen den noch immer regierenden Präsidenten des Sudan, Omar al Baschir, wegen seiner Verantwortlichkeit für die Verbrechen in Darfur ausstellte. Baschir ist bis heute nicht verhaftet, weil auch die IStGH-Vertragsstaaten ihn bei Besuchen unbehelligt gelassen haben. Auch damals war die Afrikanische Union empört und forderte ihre Mitglieder auf, Baschir nicht nach Den Haag auszuliefern.

Die Afrikanische Union missbilligt den Prozess gegen Kenias Präsidenten

Richtig dramatisch wurde es aber nach der Erhebung der Anklagen gegen zunächst sechs Kenianer, die für die Morde, Verstümmelungen, Vergewaltigungen und Vertreibungen nach der umstrittenen Präsidentenwahl Ende 2007 verantwortlich gemacht wurden. Übrig geblieben sind drei Angeklagte: Uhuru Kenyatta, seit März 2013 Präsident Kenias, William Ruto, sein Vize-Präsident, und Joshua arap Sang, der bei einem Hetzradio gearbeitet hatte und mit Ruto seit September 2013 vor Gericht steht, weil beiden vorgeworfen wird, unter anderem dafür verantwortlich zu sein, dass mehr als 100 Kikuyus in einer Kirche im Rift Valley bei lebendigem Leib verbrannt worden sind. Die Opfer waren überwiegend Frauen und Kinder, die sich vor der Gewalt an einen „sicheren“ Ort hatten flüchten wollen. Der Prozess gegen Kenyatta ist nach mehreren geplanten Eröffnungsterminen noch nicht aufgerufen, weil der Chefanklägerin im Verlauf der Jahre alle relevanten Zeugen abhanden gekommen sind. Sie haben ihre Aussagen zurückgezogen, sind untergetaucht, manche möglicherweise sogar ermordet worden.

Kenia hat damit gedroht, sich aus dem IStGH zurückzuziehen. Die Afrikanische Union verlangt, amtierende Präsidenten künftig von der Strafverfolgung auszunehmen.

"Wie erfolgreich ist das Weltstrafgericht": Das letzte Interview des deutschen Richters am Internationalen Strafgerichtshof Hans-Peter Kaul

Dagmar Dehmer

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