Endlagerkommission: Michael Müller will Gorleben „klären“
Die Endlagerkommission debattiert mit 150 Bürgerinnen und Bürgern ihren unfertigen Abschlussbericht. Der Vorsitzende Michael Müller stellt kurz vor dem Ende der Arbeit, den Endlagerkompromiss des Parlaments in Frage.
Zwei Monate vor dem Ende der Endlagerkommission hat einer der beiden Vorsitzenden, der frühere Umweltstaatssekretär Michael Müller (SPD), die Geschäftsgrundlage der zweijährigen Arbeit infrage gestellt. Bei einer öffentlichen Dialogveranstaltung zum Abschlussbericht der Kommission, der Ende Juni fertig sein soll, kündigte Michael Müller an, dass die „Gorleben-Frage“ in dem Bericht geklärt werden müsse. „Ich teile nicht den geschichtslosen Positivismus“ der meisten anderen Kommissionsmitglieder, die bei ihrer Berufung durchaus akzeptiert haben, dass nun gerade diese Frage nicht in der Kommission geklärt werden sollte.
Zur Erinnerung: Nachdem Bundestag und Bundesrat mit dem Standortauswahlgesetz (StandAG) einen Neuanfang bei der Suche nach einem Atomendlager ausgerufen hatten, wurde die Endlagerkommission berufen, um Kriterien für ein Endlager und für den Suchprozess zu erarbeiten. Der Endlagerkompromiss im Bundestag sieht eine „weiße Landkarte“ vor, in der allerdings der umstrittene bisherige Endlagerstandort Gorleben weiter enthalten bleiben soll. Wenn sich Gorleben den neuen Kriterien entsprechend als ungeeignet herausstellen sollte, soll der Salzstock in Niedersachsen im Verfahren herausfallen können. Das ist die Kompromissformel, die in der vergangenen Legislaturperiode die damaligen Regierungsparteien Union und FDP sowie die damaligen Oppositionsparteien SPD und Grüne dazu brachte, das Standortauswahlgesetz ins Parlament einzubringen.
Die Kommission wird von Ursula Heinen-Esser (CDU) und Michael Müller geleitet und tagt seit zwei Jahren öffentlich. Große Teile des am Ende rund 500 Seiten starken Abschlussberichts liegen vor. Besonders umstritten ist allerdings weiterhin, wie die Bürgerbeteiligung in jedem Verfahrensschritt von der Standortauswahl bis zur Schließung des Endlagers aussehen soll.
Michael Müller will keine "Spielchen mehr spielen"
Michael Müller, ein Atomgegner der ersten Stunde, hält es für falsch, dass Gorleben im Verfahren gehalten werden soll. Nun verlangt er, dass Gorleben, das er als größtes Hindernis für eine neue Endlagersuche versteht, aus dem Weg geräumt wird. „Ich sehe darin den zentralen Auftrag der Kommission“, sagte Müller. Die meisten anderen Kommissionsmitglieder sehen das anders. Die meisten verstehen die „weiße Landkarte“ nur dann als „weiß“, wenn Gorleben in einem geordneten Suchprozess aussortiert wird. Sylvia Kotting-Uhl, die für die Bundestagsfraktion der Grünen als nicht stimmberechtigtes Mitglied in der Kommission mitarbeitet, sagt: „Wir haben dafür ein Mandat.“ Sie ärgert sich über den Vorsitzenden, der „mit der Relevanz der Kommission spielt“. Michael Müller dagegen sagte dem Tagesspiegel: „Ich muss keine politischen Spielchen mehr spielen.“
Ein Dialog über Kriterien und Bürgerbeteiligung
Am Freitag und Samstag diskutierten rund 150 Interessierte aus ganz Deutschland über den Abschlussbericht. Es war die zweite große öffentliche Veranstaltung der Endlagerkommission. Dazwischen lagen eine Reihe von Workshops in potenziellen Endlagerregionen und mit jungen Menschen. Bernhard Fischer, der für den Energiekonzern Eon in der Kommission vertreten ist, referierte den Diskussionsstand zu den Endlagerkriterien. Demnach soll ein Endlager nicht in Regionen mit Vulkanismus, historischem Bergbau oder Erdbebenrisiko gebaut werden. Die Kommission empfiehlt die Suche nach einem Atomendlager in tiefem Gestein in rund 800 Meter Tiefe. Als geeignet sehen die Experten der Kommission Granit, Ton oder Salz als Wirtsgestein an. Eine Langzeitlagerung über Tage halten die Experten nicht für eine Lösung, um den Atommüll für etwa eine Million Jahre so zu lagern, dass er weder Luft noch Grundwasser radioaktiv verseucht.
Bei der Debatte über die Bürgerbeteiligung zeigt sich, dass es in der Kommission sehr verschiedene Auffassungen darüber gibt, wann sie als geglückt angesehen wird. Diskutiert wird über ein nationales Begleitgremium für die Endlagersuche und über Regionalkonferenzen in den möglichen Standortregionen. Der Berliner Anwalt Hartmut Gaßner, der die Arbeitsgruppe in der Kommission leitet, warnte: „Wir müssen Obacht geben, dass die Endlagerfrage nicht in Vergessenheit gerät.“ Deshalb soll nach dem Willen der Kommission das nationale Begleitgremium möglichst noch in diesem Jahr berufen werden. Erst vergangene Woche hatte eine zweite Kommission die Streitfragen rund um die Finanzierung des Atomausstiegs geklärt.