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Drei Mal Chef: Die Fotos zeigen von links Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen), Matthias Platzeck (SPD) und Ole von Beust (CDU).
© Karlheinz Schindler/Angelika Warmuth/dpa

Akw-Rückstellungen: Kommission soll den Ausstieg sichern

19 Persönlichkeiten sollen Vorschläge machen, wie den Steuerzahlern eine hohe Rechnung für die Abwicklung der Atomenergie erspart bleiben kann. Die Zusammensetzung der Kommission ist verblüffend.

„Kernkraftwerksbetreiber haften für nukleare Entsorgungsrisiken. Das bleibt auch in Zukunft so“, sagte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am Mittwoch nach der Kabinettssitzung. Die Regierung hat seinen Entwurf für ein „Nachhaftungsgesetz“ gebilligt, mit dem vermieden werden soll, dass sich die Energiekonzerne durch Neuorganisation oder Verkauf ihren Zahlungsverpflichtungen entziehen können.

Ob der Atomausstieg solide finanziert ist, soll zudem eine Kommission überprüfen. 19 Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Umweltverbänden, Wissenschaft und Politik sollen unter dem Vorsitz von gleich drei Chefs Vorschläge erarbeiten, wie die Steuerzahler geschont werden können. Den Vorsitz teilen sich der ehemalige Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU), der ehemalige Ministerpräsident von Brandenburg Matthias Platzeck (SPD) und der ehemalige Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne).

Eine bunte Truppe

Mit dem Berliner Anwalt Hartmut Gaßner, der auch der Endlagerkommission angehört, der ehemaligen Hamburger Umweltsenatorin und Ex-Greenpeace-Aktivistin Monika Griefahn, dem Vorsitzenden des Industrieverbands BDI Ulrich Grillo und dem ehemaligen Atomaufseher Gerald Hennenhöfer, dem Chef des Gewerkschaftsdachverbands DGB Chef Reiner Hoffmann und der Klimaexpertin der Umweltstiftung WWF, Regine Günther, ist die Bandbreite der Positionen etwa beschrieben. Mit Karin Holm-Müller ist auch eine der Professorinnen in der Kommission vertreten, die dem Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) angehört.

Mit Michael Fuchs (CDU), Georg Nüßlein (CSU), Ute Vogt (SPD) sind auch Bundestagsabgeordnete in dem Gremium vertreten. Die ehemalige Staatssekretärin im Umweltministerium Simone Probst (Grüne) verstärkt das Team, ebenfalls dabei sind Bischof Ralf Meister und der ehemalige sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt, die beide ebenfalls der Endlagerkommission angehören. Mit Werner Schnappauf (CSU) komplettiert ein weiterer früherer Umweltminister die Runde. Schnappauf war bis 2007 Umweltminister in Bayern, dann wechselte er als Hauptgeschäftsführer zum BDI, wo ihn indirekt die Atomkatastrophe von Fukushima seinen Posten kostete. Er trat von seinem Amt zurück, nachdem eine Protokollnotiz aus einer BDI-Sitzung bekannt geworden war, in der der damalige Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) mit Äußerungen zitiert wurde, die gerade nicht der Regierungslinie entsprachen. Inzwischen arbeitet Schnappauf wieder als Anwalt. Seine Doktorarbeit schrieb er übrigens über die "Standortbestimmung bei Kernkraftwerken".

Darüberhinaus hat die Regierung Hedda von Wedel (CDU) aus dem Ruhestand zurück geholt. Sie war bis 2001 Chefin des Bundesrechnungshofs und kann damit wohl als "vom Fach" gelten, wenn es darum geht, das Geld der Steuerzahler zu schützen. Ines Zenke komplettiert die Kommission. Sie gehört der Rechtsanwaltskanzlei Becker, Büttner und Held an, aus der eines der Gutachten stammt, das die Risiken für die Rückstellungen der Atomkonzerne untersucht hat. Die Verwaltungsrechtlerin beschäftigt sich sonst überwiegend mit dem Energierecht als Ganzem.

Endlagerfonds oder bleibt es bei Rückstellungen?

Die Debatte in der Kommission wird sich auch darum drehen, ob statt der bilanziellen Rückstellungen ein öffentlich-rechtlicher Fonds zur Deckung der Atomaltlasten gebildet werden soll. Seit befürchtet werden muss, dass einige der Atomkonzerne die Energiewende nicht überstehen werden, wird intensiv darüber diskutiert, wie zumindest die Rückstellungen gesichert werden können. Mit dem sogenannten Stresstest, den Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel bei den Wirtschaftsprüfern Warth & Klein Grant Thornton bekommt die Kommission noch eine weitere Hilfe auf der Suche nach einer plausiblen Antwort. Gabriel hat sich am Wochenende sehr bemüht, den Inhalt des sogenannten Stresstests gut aussehen zu lassen, um die Börsen nicht zu alarmieren. Allerdings enthält das Gutachten durchaus kritische Punkte. Aus Regierungskreisen heißt es, es seien Sensitivitätsberechnungen gemacht worden, um die Robustheit der Daten zu überprüfen. Energieexperten kritisieren jedoch, dass die energiewirtschaftlichen Risiken nicht in die Betrachtung eingegangen sind, sondern lediglich die mögliche Verzinsung als Zukunftsrisiko bewertet und gerechnet worden ist. Professor Wolfgang Irrek von der Hochschule Ruhr-West, der für die grüne Bundestagsfraktion ein Gutachten zum Thema Rückstellungen erstellt hatte, sagte dem Tagesspiegel: "Entscheidend ist nicht die heutige Substanz, sondern das, was an Nettoeinnahmen in Zukunft realisiert wird."

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