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Der Chef des Bundesamts für Strahlenschutz, Wolfram König (mitte), zeigt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und dem niedersächsischen Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne), wie schwierig Endlagerung ist. Das Foto zeigt sie im umstrittenen Endlager Asse, das so ungeeignet für den schwach- und mittelradioaktiven Atommüll ist, der dort eingelagert wurde, dass nun versucht werden soll, ihn wieder rauszuholen.
© dpa

Endlagerkommission tagt: Atommüll - das Eine-Million-Jahre-Problem

Die Endlagerkommission steht unter kritischer Dauerbeobachtung der Anti-Atombewegung. Trotzdem muss sie eine Arbeitsweise finden, die eine neue Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll ermöglicht.

Die Glaubenskriege seien nicht vorbei, hat Michael Müller in den ersten beiden Sitzungen der Endlagerkommission beobachtet. Der ehemalige Staatssekretär im Bundesumweltministerium und langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete ist einer von zwei nicht stimmberechtigten Ko-Vorsitzenden der Kommission, die der Bundestag eingesetzt hat, um Kriterien für ein Endlager für abgebrannte Brennelemente aus Atomkraftwerken zu finden. „Eine Mehrheit will nur Recht haben“, klagt Müller. Ursula Heinen-Esser, seine Kollegin im Vorsitz, sieht die Sache positiver. Auch sie ist Ex-Staatssekretärin im Umweltministerium und war jahrelang Bundestagsabgeordnete, allerdings für die CDU. Vor der dritten Sitzung der Kommission an diesem Montag sagt sie: „Ich find’s toll.“
Heinen-Esser hofft, dass in der dritten Sitzung die Geschäftsordnung, deren Debatte gute sieben Stunden gedauert hat, endgültig beschlossen werden kann. Denn ein paar Streitpunkte sind zunächst offen geblieben. Franz Untersteller (Grüne), Umweltminister in Baden-Württemberg, hat auf Facebook schon einmal hoffnungsvoll gefordert: „Es wird Zeit, dass wir endlich in die inhaltliche Arbeit einsteigen!“

Müssen Wissenschaftler der Kommission umsonst arbeiten?

Aber davor hat die Kommission noch ein heikles Problem zu lösen. Neben 16 Politikern – acht aus dem Bundestag, acht aus den Ländern – sind je acht stimmberechtigte Vertreter der Zivilgesellschaft und Wissenschaftler in die Kommission berufen worden. Sie sind teilweise seit Jahrzehnten Teil der von Müller beschriebenen Glaubenskriege um die Atomkraft, und sie sind anerkannte Fachleute in Sachen Atomendlager. Die Kommission soll aber auch nicht in die Verlegenheit kommen, Mitgliedern derselben Aufträge zuzuschanzen. Deshalb hatten einige Kommissionsmitglieder gefordert, die acht Kommissionswissenschaftler generell nicht mit Gutachten zu beauftragen und auch die Institute, für die sie arbeiten außen vor zu lassen.

Michael Sailer vom Öko-Institut ist unzufrieden mit den Arbeitsbedingungen der Wissenschafter in der Kommission. Er ist auch Vorsitzender der Endlagerkommission, dem wichtigsten Beratungsgremium der Regierung in Sachen Endlagerung.
Michael Sailer vom Öko-Institut ist unzufrieden mit den Arbeitsbedingungen der Wissenschafter in der Kommission. Er ist auch Vorsitzender der Endlagerkommission, dem wichtigsten Beratungsgremium der Regierung in Sachen Endlagerung.
© picture-alliance/dpa

Die meisten Forscher arbeiten für privatwirtschaftliche Institute einige sind an Universitäten tätig. Die 8000 Euro Aufwandsentschädigung im Jahr – die Kommission soll nach zwei Jahren Ergebnisse liefern – decken ihre Arbeit nicht ab. Michael Sailer vom Öko-Institut brummt: „Die Politiker werden für ihre Arbeit bezahlt. Wir Wissenschaftler werden zur Arbeit verpflichtet.“ Von ihnen werde wissenschaftliche Expertise verlangt, wofür sie sich keinerlei Zuarbeit leisten könnten. „Wovon sollte ich das bezahlen?“ Weil der in Frage kommende Expertenkreis aber klein ist, sollen ihre Institute nun doch beauftragt werden können, unter strikter Offenlegung und ohne persönliche Beteiligung der Wissenschaftler selbst. Ursula Heinen-Esser ist mit diesem Kompromiss zwar nicht ganz zufrieden, hält ihn aber für akzeptabel.

Für die Ewigkeit

Die Endlagerkommission ist ein bisher nie da gewesenes Experiment, der Versuch, zwischen Politik, Wirtschaft, gesellschaftlichen Lobbygruppen und Wissenschaft eine gemeinsame Linie für den Umgang mit den problematischsten Abfällen des Industriezeitalters zu finden. Auch wenn Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) in der vergangenen Woche bestritten hat, dass die Endlagersuche über das Jahr 2032 hinaus dauern werde, würde auch dieser Zeitraum schon genügen, um einen dauerhaften Konsens zu begründen. Hendricks wird am Montag in der Endlagerkommission erwartet. Bis 2032 jedenfalls werden fünf Bundesregierungen ihren Dienst angetreten und wieder beendet haben. Im schnelllebigen politischen Geschäft ist das eine halbe Ewigkeit.

Die Ko-Vorsitzenden Michael Müller (von links) und Ursula Heinen-Esser in der ersten Sitzung der Endlagerkommission. Das Gremium wurde im Mai von Bundestagspräsident Norbert Lammert begrüßt.
Die Ko-Vorsitzenden Michael Müller (von links) und Ursula Heinen-Esser in der ersten Sitzung der Endlagerkommission. Das Gremium wurde im Mai von Bundestagspräsident Norbert Lammert begrüßt.
© picture-alliance/dpa

Es geht aber um radioaktive Abfälle, die bis zu einer Million Jahre sicher von der Umwelt abgeschirmt werden müssen, um nicht die Umwelt und die Gesundheit der Menschen zu gefährden. Die bisherigen Erfahrungen mit der Genehmigung von Atomendlagern - es gibt zumindest eines, das seit 2007 für die Aufnahme von schwach- und mittelradioaktivem Abfall ausgebaut wird, nämlich Schacht Konrad in Niedersachsen - lässt erwarten, dass Deutschland bis 2032 kein Endlager für hochradioaktive Abfälle haben wird. Die Planung von Schacht Konrad begann 2007, und vor 2018 rechnet kaum jemand damit, dass es in Betrieb gehen kann. Es dauerte schon bis 2007 bis alle Genehmigungen auch vor den höchsten Gerichten Bestand hatten. Die Genehmigungen der Zwischenlager an den Atomkraftwerksstandorten laufen aber zwischen 2030 und 2040 aus. Und niemand weiß, in welchem Zustand sich die Brennelemente in den Lagerbehältern befinden, noch wie lange die Behälter den gefährlichen Müll sicher abschirmen können.

Auf dem Präsentierteller

Die Endlagerkommission hat es aber nicht nur mit einem schwierigen Thema zu tun. Sie verhandelt diese Fragen auch noch unter den Augen einer überkritischen Öffentlichkeit. Die Sitzungen der Kommission werden live im Parlamentsfernsehen übertragen. Gestritten wrid derzeit noch über die Frage, ob es ausgeschriebene Wortprotokolle von den Sitzungen geben soll. Das muss der Ältestenrat des Bundestags entscheiden, der sich bisher dazu nicht geäußert hat. Dass die Abschriften noch nicht zur Verfügung stehen, hat die Anti-Atombewegung derart erzürnt, dass "50 Aktivisten", wie der Sprecher des Anti-Atomnetzwerks Ausgestrahlt, Jochen Stay, vor ein paar Wochen per Pressemitteilung wissen ließ, die Abschrift übernommen und das Ergebnis ins Netz gestellt haben.

Dass in der Kommission jedes Wort auch für die Öffentlichkeit bestimmt ist, halt Folgen. "Gruppendynamisch" sei es schwierig sagt beispielsweise Michael Sailer. Ursula Heinen-Esser sagt, dass sich die Kommissionsmitglieder "noch besser kennen lernen müssen". Gerade die Kommissionsmitglieder, die von Gewerkschaften und Kirchen geschickt wurden, haben mit dem Thema Endlagerung zuvor nicht allzu viel zu tun gehabt. Dagegen kennen sich Wissenschaftler, Industrievertreter und Politiker zum Teil seit Jahrzehnten - und haben ziemlich klare Meinungen übereinander. Michael Müller sieht nach zwei Sitzungen bei den Politikern in der Kommission mehr Gesprächsbereitschaft als bei den gesellschaftlichen Gruppen. Und die endlose Debatte über die Geschäftsordnung hat die Stimmung nicht gehoben.

Am Montag sollen nun Arbeitsgruppen gebildet werden, die ebenfalls öffentlich tagen sollen. Auch das ein Novum. Und Anfang Dezember soll eine zweitägige Klausurtagung stattfinden, bei der es dann vielleicht doch ein paar Gespräche geben wird, die nicht live im Internet zu verfolgen sind. Ursula Heinen-Esser will das Öffentlichkeitsprinzip konsequent durchhalten. Schließlich soll die Kommission dazu beitragen, die Mehrheit der Deutschen von einem Endlager für den strahlenden Müll zu überzeugen. Doch sie weiß auch, dass es unter diesen Umständen für alle schwer sein wird, Positionen in Frage zu stellen, wenn sie von außen immer wieder angefeuert werden, ihre alten Positionen zu halten.

Der BUND, der sich trotz des weitgehenden Boykotts der Umweltverbände und der Anti-Atombewegung schließlich erbarmt hat und Klaus Brunsmeier in die Kommission entsandt hat, will vor allem eine "breite öffentliche Debatte" erreichen und hat dazu schon mal einen Vorschlag erarbeitet. Damit das Standortsuchverfahren als fair akzeptiert werden kann, müsse die Öffentlichkeit schon bei der Erarbeitung der Kriterien dafür beteiligt sein. Das findet auch Michael Sailer wichtig, schränkt allerdings ein, dass er in der Gesamtöffentlichkeit Deutschlands zwischen einem und drei Prozent der Bevölkerung für eine solche Debatte für interessierbar hält. Die Erfahrung von Großprojekten zeigt, dass das Interesse mit dem Baulärm erst richtig einsetzt. Bei einem so langfristigen Projekt dürfte es schwer werden, eine größere Öffentlichkeit dauerhaft dafür zu interessieren. Dafür Lösungen zu finden, wird die Aufgabe der Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit sein.

Ein Kommissionsmitglied hat inzwischen jedenfalls schon die Flucht angetreten. Ralf Güldner, Chef der Atomsparte bei Eon und Präsident des Deutschen Atomforums, hat sich aus der Kommission verabschiedet und dafür berufliche Veränderungen angegeben. Ihm folgt Bernhard Fischer, ebenfalls von Eon.

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