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Stefan Liebich
© dpa

Rot-rot-grüne Pläne: Linke Reformer: Die SPD erwartet von uns keine Demutsgesten mehr

Die große Koalition steht - fast. Jetzt gerade fordert der Reformerflügel der Linkspartei, die Chancen für Rot-Rot-Grün im Bund auszuloten. Zugleich hadert deren neu gewählter Bundessprecher Stefan Liebich mit der Euro-Skepsis der eigenen Genossen.

Der neue Bundessprecher des Reformerflügels der Linkspartei, Stefan Liebich, sieht keine unerfüllbaren Forderungen der SPD für ein Mitte-Links-Bündnis im Bund. Der Berliner Bundestagsabgeordnete und Linken-Außenpolitiker begrüßte am Montag vor Journalisten in Berlin die Öffnung der SPD in Richtung Linkspartei. Zu den vom Leipziger Bundesparteitag der SPD Mitte November beschlossenen Voraussetzungen für ein Regierungsbündnis sagte er: "Das kann ich alles unterschreiben." Auch die Linke wolle in einem rot-rot-grünen Regierungsbündnis eine verantwortungsvolle Außenpolitik, eine stabile parlamentarische Mehrheit und einen finanzierbaren Koalitionsvertrag, sagte er unter Bezug auf die Klauseln der Sozialdemokraten, die von 2017 an mit Ausnahme von rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien keine Koalition mehr ausschließen wollen. "Man erwartet nicht mehr wie in den 90er Jahren irgendwelche Demutsgesten."

Liebich war am Wochenende zum neuen Bundessprecher des Forums demokratischer Sozialismus (FdS) gewählt worden, in dem sich der Reformerflügel der Linken organisiert hat. Mit ihm stehen an der Spitze der rund 700 Mitglieder zählenden Parteigliederung Luise Neuhaus-Wartenberg aus Sachsen und Julia Alexandra Nüß aus Schleswig-Holstein.

Junge Abgeordnete von SPD, Linken und Grünen wollen Parteichefs einladen

Liebich kündigte an, dass die Gespräche junger Bundestagsabgeordneter aus SPD, Grünen und Linkspartei, die die Option Rot-Rot-Grün verfolgen, auch nach dem Start der großen Koalition weitergehen werden. Das nächste Treffen der so genannten "R2G"-Gruppe (zwei Mal Rot, einmal Grün) sei für Mitte Dezember anberaumt. In dem Zirkel arbeiten neben mehreren Politikern der Linken unter anderem die SPD-Bundestagsabgeordneten Frank Schwabe und Sönke Rix mit, von den Grünen etwa Sven Kindler und Nicole Maisch. Regelmäßiger Teilnehmer war auch der neue Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Er wirbt weiter dafür, dass ein Mitte-Links-Bündnis im Bund möglich wird. Ob er auch künftig an den Treffen der Jung-Abgeordneten teilnehmen wird, hat er offen gelassen. Geplant ist nach den Worten von Liebich, nach und nach Vertreter der Führungsebene aus allen drei Parteien zu den Treffen einzuladen.

Europawahlprogramm ein "Aufruf zum Wahlboykott"

Äußerst unglücklich ist das FdS über den Verlauf der Debatte zum Europawahlprogramm der Linkspartei. Der jetzt diskutierte Entwurf sei "schlecht", sagte Liebich. Den außenpolitischen Teil nannte er unter anderem unter Hinweis auf die Forderung nach Austritt Deutschlands aus der Nato "unrealistisch und weltfremd". Die von Euro-Skepsis geprägten Formulierungen kämen "eher einem Aufruf zum Wahlboykott gleich". Das FdS hatte sich am Wochenende für eine "gründliche Überarbeitung" des Programmentwurfs ausgesprochen, der Änderungsbedarf sei "immens". Unter Umständen will der Reformerflügel sogar einen eigenen Programmentwurf erarbeiten. Derzeit ist Grundlage der Beratungen ein Entwurf der Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger - als Zugeständnis an den linken Flügel der Partei war in ihm unter anderem die Präambel umgeschrieben worden. Sie orientiert sich jetzt an einer Textversion, die eine Gruppe um den Bundestagsabgeordneten Diether Dehm vorgelegt hat. Die Europawahl findet in Deutschland am 25. Mai 2014 statt.

Ähnlich wie Liebich hatte sich zuvor auch Benjamin-Immanuel Hoff geäußert, bisher Bundessprecher des Reformerflügels. Er sagte, ein "Überbietungswettbewerb im Euro-Skeptizismus" sei die falsche Antwort auf das Erscheinen der Alternative für Deutschland (AfD), die der Linken bei der Bundestagswahl am 22. September mehr als 300.000 Stimmen genommen hatte. In Anspielung auf Vize-Parteichefin Sahra Wagenknecht und den Ex-Vorsitzenden Oskar Lafontaine kritisierte Hoff Genossen, für die es nur die Linke auf der einen Seite und auf der anderen Seite einen Block von neoliberalen Kartell-Parteien gebe. "Ich habe es satt, mich an der SPD und den Grünen abzuarbeiten und ihnen stets ihre Fehler vorzuhalten", kritisierte Hoff in seiner Abschiedsrede als FdS-Sprecher. Er habe mit der SPD und den Grünen "keine Rechnung offen".

Matthias Meisner

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