Linken-Politiker Stefan Liebich: Zum zweiten Mal verpflichtet
Als Kind geriet Stefan Liebich in Kontakt mit der Stasi. Heute berät der Linken-Politiker den Unterlagenbeauftragten Roland Jahn bei der Aufarbeitung der Geschichte.
Stefan Liebich war 13, als die MfS-Offiziere zum ersten Mal bei ihm vorstellig wurden. Der heutige Linken-Bundestagsabgeordnete kam aus einem SED-Elternhaus. Liebich glaubte, wie er rückblickend sagt, „150-prozentig an die DDR“. Als Kind also ließ sich Liebich zum Spitzeln überreden. Erst im Januar 1990 fand das letzte Treffen der Stasi-Kader mit ihrem Bewerberkollektiv statt, die auch aus Liebich einen hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter machen wollten. „Ich war damals sehr stolz. Das klingt schlimm. Und das ist es auch“, sagt der 40-Jährige.
Jahre nach der Wende wurde aus Liebich einer, der in seiner Partei energisch für Aufarbeitung stritt – manchmal mehr, als den eigenen Genossen lieb war. Als vor zwei Jahren der frühere DDR-Oppositionelle Roland Jahn im Bundestag zum neuen Chef der Stasiunterlagenbehörde gewählt wurde, bekam er auch die Stimme von Liebich. Der sagte, Jahn wolle wissen, wie die Diktatur funktioniert habe. „Das ist zwar reichlich spät, würde aber dem ganzen Land guttun.“
Seit Januar ist Liebich Mitglied des vom Bundestag bestellten wissenschaftlichen Beratungsgremiums der Behörde. Als Kandidat der Linken ist er dort Nachfolger der DDR-Historikerin Wilfriede Otto, die eine anerkannte Biografie über MfS-Chef Erich Mielke verfasst hat. Die neunköpfige Runde soll die wissenschaftliche Arbeit kontrollieren. Liebich ist der einzige Politiker, die anderen sind Wissenschaftler. Liebich sagt, die Berufung sei für ihn mit der zweiten Verpflichtungserklärung seines Lebens verbunden gewesen – wieder wurde er schriftlich zur Verschwiegenheit über die Beratungen verpflichtet. Jetzt sitzt er auch mit Hubertus Knabe, dem Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen, an einem Tisch. Knabe kritisiert, Liebich sei „selbst belastet und damit nicht unbefangen“.
Liebich aber schätzt viele Dinge ähnlich ein wie Roland Jahn. Er lobt den Behördenchef als „sehr sachlich“ im Umgang mit dem Fall Gregor Gysi: Anders als dessen Vorgänger sei Jahn „nicht getrieben von Eifer“. Auch in der SED und den Blockparteien habe es „Bösewichte“ gegeben, nicht nur bei der Stasi. Energisch wirbt Liebich dafür, dass die Akten zugänglich bleiben müssen, solange die Nachfrage nach ihnen derart groß ist. Also kein Schlussstrich? „Niemals“, versichert der Linke.
Matthias Meisner