Dreikönigstreffen der FDP: Lindner: Flüchtlinge und Superreiche bestimmen die politische Debatte
Beim Dreikönigstreffen in Stuttgart hat FDP-Chef Christian Lindner seine Partei auf die Rückkehr in den Bundestag eingeschworen. Der Koalition warf er Untätigkeit und sicherheitspolitischen Aktionismus vor.
Zum Beginn des Wahljahres 2017 hat FDP-Chef Christian Lindner seine Partei auf die angestrebte Rückkehr in den Bundestag eingeschworen. Angesichts der Untätigkeit der großen Koalition müssten die Freien Demokraten wieder der "Fortschrittsbeschleuniger der deutschen Politik" werden, sagte Lindner am Freitag beim traditionellen Dreikönigstreffen seiner Partei im Stuttgarter Staatstheater. "Globalisierung, Digitalisierung, demografischer Wandel. Deutschland hat keine Zeit mehr zu verlieren." Gleichzeitig übte der Parteivorsitzende in seiner mehr als einstündigen Rede scharfe Kritik an den sicherheitspolitischen Vorschlägen und Versäumnissen der Bundesregierung.
Stärkeres Eintreten für die "breite Mitte" gefordert
Lindner beklagte, dass die Politik derzeit nur die Ränder der Gesellschaft in den Blick nehme. "Flüchtlinge und Superreiche bestimmen die politische Debatte." Dazwischen gebe es aber "dutzende Millionen von Menschen", deren Sorgen vernachlässigt würden. Das Eintreten für die breite Mitte müsse "wieder zur Staatsräson für die Politik in Deutschland" werden.
Die FDP war 2013 mit nur 4,8 Prozent der Wählerstimmen erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik aus dem Bundestag geflogen. Lindner erinnerte daran, dass Union, SPD und Grüne damals für sich in Anspruch genommen hätten, künftig auch für liberale Politik zu stehen. "Man mag die FDP finden, wie man will", sagte Lindner. "Aber nach drei Jahren ohne FDP im Bundestag ist eines klar: Deutschland hat nur eine liberale Partei, und das sind die Freien Demokraten."
"Wir haben uns nicht zum Populismus verführen lassen"
Der Parteivorsitzende betonte, dass die Liberalen auch in ihren bittersten und dunkelsten Stunden "Charakter bewiesen" und sich nicht zum Populismus verführen lassen hätten. Gleichzeitig bestritt der 38-Jährige, dass die derzeitige Debatte über Terrorabwehr und Schutz der Bevölkerung vor Anschlägen ein Problem für die FDP als Bürgerrechtspartei darstelle.
"Wer hat denn in den 70er Jahren das Bundeskriminalamt modernisiert und nach dem Anschlag auf die Olympischen Spiele in München die GSG 9 gegründet?", fragte Lindner. Damals seien liberale Innenminister aktiv geworden. Von der "kühlen Entschlossenheit" des Gespanns Schmidt/Genscher gegenüber den Bedrohungen durch die Terroristen der RAF könne sich diese Bundesregierung "eine Scheibe abschneiden".
Mit seinen Forderungen nach einem Umbau der bisherigen Sicherheitsarchitektur wolle Innenminister Thomas de Maizière (CDU) dagegen vor allem Wahlkampf machen, behauptete der FDP-Chef. "Damit hat Herr de Maizière dem wichtigen Anliegen einen Bärendienst erwiesen, denn wir brauchen eine seriöse Debatte über diese Fragen und keinen Aktionismus, keine Showeffekte." Wenn die Union gewollt hätte, hätte man die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern schon in der schwarz-gelben Koalition verbessern können.
Drängen auf ein Einwanderungsgesetz
Eine Verschärfung der bestehenden Sicherheitsgesetze, lehnte Lindner erneut ab. Diese müssten nur konsequenter angewandt werden, sagte er. Wenn die Koalition Sinnvolles machen wolle, solle sie endlich ein Einwanderungsgesetz verabschieden. Außerdem sei der Druck auf die Grünen in den Ländern zu erhöhen, damit die Maghreb-Staaten endlich zu sicheren Herkunftsländern erklärt und Asylbewerber leichter nach Marokko, Algerien und Tunesien zurückgeschickt werden könnten.
Stattdessen irritiere die Regierung mit unabgestimmten Vorschlägen, kritisierte der Redner. So habe Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel ein eigenes Thesenpapier verbreitet, das den Plänen des Innenministers widerspreche. "Eine Regierung, die in einer solchen Phase nicht geschlossen agiert, wird selber zum Sicherheitsrisiko", so Lindner. Und während man über eine Ausweitung der anlasslosen Videoüberwachung nachdenke, erkläre man gleichzeitig, dass eine lückenlose Überwachung der mehr als 500 sogenannten Gefährder nicht möglich sei. "Da hätte ich mir den Satz von Frau Merkel gewünscht: Wir schaffen das", sagte der FDP-Vorsitzende.
FDP verlangt Untersuchungsausschuss zum Berliner Terroranschlag
Zum Umgang der Behörden mit dem Berliner Attentäter Anis Amri forderte Lindner einen Untersuchungsausschuss des Bundestages. Die "schlafmützige Opposition" von Grünen und Linken komme ihrer Kontrollfunktion hier nicht nach, sagte er. Scharfe Kritik übte der FDP-Chef in diesem Zusammenhang auch an dem nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger (SPD). Wer über die Vielzahl benutzter Identitäten, über Sozialleistungsmissbrauch, Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz und IS-Kontakten des Täters berichte und zugleich erkläre, es habe kein Anfangsverdacht bestanden, gegen den bestehe selbst ein Anfangsverdacht, so Lindner: "Das grenzt doch an Strafvereitelung im Amt."
Das Dreikönigstreffen stand diesmal unter dem Motto „Bereit für 2017“. Die FDP hofft bei der Bundestagswahl im Herbst auf ein Comeback. Der aktuelle Deutschlandtrend sieht die Partei allerdings nach wie vor nur bei fünf Prozent. In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, wo bereits im Frühjahr gewählt wird, prophezeien die Demoskopen den Liberalen dagegen acht bis zehn Prozent. (mit AFP/rtr)