Pendler, Hausbesitzer, Stromkunden: Klimaschutzpaket der Bundesregierung – was es für die Bürger bedeutet
Deutschland bekommt ein Klimaschutzgesetz. Aber die Pläne der großen Koalition reichen nicht so weit, wie es sich viele gewünscht hatten.
Der Bundestag will ernst machen beim Klimaschutz - und hat am Freitag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen wesentliche Teile des Klimaschutzpakets beschlossen. Dieses sieht einen CO2-Preis im Verkehr und bei Gebäuden vor sowie ein Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Vorgaben für die zuständigen Ressorts.
Daneben geht es um eine Senkung der Mehrwertsteuer bei Bahntickets im Fernverkehr, mehr Förderung fürs Pendeln und das Sanieren von Häusern. Der Bundesrat muss Teilen des Pakets noch zustimmen. Union und SPD wollen mit dem Klimaschutzprogramm sicherstellen, dass Deutschland sein Klimaschutzziel für das Jahr 2030 einhält.
Das beschlossene Klimaschutzgesetz enthält Emissionsvorgaben für unterschiedliche Wirtschaftsbereiche. Mit dem Klimaschutzgesetz will die Regierung sicherstellen, dass Deutschland die zugesagte Minderung seiner CO2-Emissionen um 55 Prozent bis 2030 erreicht, verglichen mit dem Stand von 1990.
Dazu wird festgeschrieben, wie viel CO2 in den kommenden Jahren einzelne Sektoren wie Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft noch ausstoßen dürfen. Dafür ist auch ab 2021 ein Kontrollmechanismus vorgesehen. Wenn nötig, soll jeweils nachgesteuert werden.
Klimapaket als "zentrale Weichenstellung" für mehr Klimaschutz
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) begrüßte das Bundestagsvotum für das Klimaschutzgesetz. Damit werde "Klimaschutz endlich gesetzlich verankert", sagte sie nach der Abstimmung. Dass der Bundestag damit den ersten Teil des Klimapakets der Bundesregierung auf den Weg gebracht habe, sei eine "zentrale Weichenstellung" für mehr Klimaschutz. Nun sollten "Schritt für Schritt" weitere Maßnahmen des Paketes in den Bundestag gebracht werden.
Grüne und Linke kritisieren die Vorgaben als unzureichend, um die Klimaziele zu erreichen. Die FDP hält den vorgesehenen Weg zu mehr Klimaschutz für falsch, die AfD stellt den Sinn von Maßnahmen gegen die Erderwärmung insgesamt in Frage.
Hintergrund: Das bedeutet das Klimapaket für die Bürger
Wird jetzt alles teurer, können Pendler sich ihr Auto kaum noch leisten? Was bedeutet der Klima-Kompromiss der schwarz-roten Koalition konkret im Alltag, an der Tankstelle und bei der Wahl einer neuen Heizung?
Zunächst einmal: Die Auswirkungen sind nicht so groß wie von manchen erhofft – und von anderen befürchtet. Der wichtigste neue Hebel, die Einführung eines Preises für die Emission des Treibhausgases CO2, wird nur ein bisschen angetippt.
Ab 2021 sollen fossile Kraft- und Brennstoffe zehn Euro pro Tonne CO2-Emissionen teurer werden, der Preis steigt stufenweise bis 2025 auf 35 Euro pro Tonne. Und dann soll er dem deutschen Klimaschutzpfad folgen. Wer von den Beschlüssen wie betroffen ist:
1. So profitieren Bahnfahrer
Anfang 2020 sinkt die Mehrwertsteuer auf Bahntickets im Fernverkehr von 19 Prozent auf sieben Prozent. Die Bahn will die Steuerentlastung voll an die Reisenden weitergeben. Damit würden die Tickets um zehn Prozent günstiger. Weil Bahnfahrer unter dem maroden Schienennetz in Deutschland durch Verspätungen leiden, wollen Bund und Deutsche Bahn bis 2030 rund 86 Milliarden Euro in die Schieneninfrastruktur investieren.
Der Deutschlandtakt soll mehr und besser aufeinander abgestimmte Verbindungen bringen. Der Bund will den Ländern mehr Geld überweisen, damit diese besseren Regionalverkehr bestellen können.
Zahlen werden aber nicht genannt. Weil die Bahn hoch verschuldet ist, wird sich der Bund von 2020 bis 2030 jährlich mit einer Milliarde Euro zusätzlichem Eigenkapital an der Deutschen Bahn beteiligen. Auch das soll dem Staatskonzern die dringend notwendigen Investitionen erleichtern.
2. Das droht Flugreisenden
Die Senkung der Mehrwertsteuer auf Bahn-Tickets wird den Fiskus nach Angaben von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) rund 400 Millionen Euro im Jahr kosten. Dieses Geld will sich der Staat zurückholen, indem er die Luftverkehrsabgabe im entsprechenden Umfang erhöht. Die Abgabe beträgt heute mindestens 7,38 Euro.
Die nächsten Stufen sind 23,05 und 41,49 Euro für längere Flüge. Außerdem will die Koalition Dumpingpreise bei Flugtickets verhindern. Diese sollen nicht zu einem Preis unterhalb der Steuern, Zuschläge und Gebühren verkauft werden dürfen.
3. Das kommt auf Autofahrer zu
Aus der Sicht von Klimaschützern ist der von der großen Koalition geplante Einstiegspreis von zehn Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2021 enttäuschend. Schon heute liegt der Börsenpreis im Zertifikatehandel bei gut 26 Euro pro Tonne. So ist der Effekt dieses niedrigen CO2-Preises auf die Spritpreise denn auch sehr überschaubar.
Nach Angaben des Mineralölwirtschaftsverbandes machen zehn Euro pro Tonne gerade mal drei Cent je Liter Diesel oder Benzin aus. Selbst im Jahr 2025, wenn der Festpreis nach den Plänen der Koalition 35 Euro je Tonne CO2 betragen soll, ergibt sich nur eine Preissteigerung von 10,5 Cent je Liter an der Zapfsäule.
Da sind die heutigen Preisschwankungen durch Änderungen der Fördermengen zum Beispiel durch die Opec-Länder oder durch politische Konflikte deutlich größer. Ob sich zum Beispiel SUV-Käufer durch solch geringe CO2-Aufschläge dazu bewegen lassen, sparsamere Autos zu kaufen, ist zweifelhaft.
Damit Fernpendler auf dem Land, die auf keinen guten öffentlichen Nahverkehr zurückgreifen können, nicht benachteiligt werden, will die Koalition die Pendlerpauschale erhöhen. Sie soll ab 2021 ab dem 21.Entfernungskilometer auf 35 Cent steigen – befristet bis Ende 2026. Heute beträgt die Pauschale 30 Cent.
Die Kfz-Steuer, die bisher nur eine schwache CO2-Komponente hat, soll Anfang 2021 „hauptsächlich“ auf die CO2-Emissionen des Autos pro Kilometer bezogen werden, so das Papier der Koalition. Ein Ausstoß von 95 Gramm CO2 und weniger soll nicht besteuert werden, darüber soll die finanzielle Belastung in zwei Stufen erhöht werden. Genauer wird die Vorlage nicht.
4. Das ändert sich für E-Auto-Käufer
Um die CO2-Emissionen des Verkehrs zu senken, sollen bis zum Jahr 2030 etwa sieben bis zehn Millionen Elektroautos auf Deutschlands Straßen fahren. Heute sind es rund 100.000 E-Autos.
Um den Markt anzuschieben, soll die von Bund und Autoherstellern gezahlte Kaufprämie für batterieelektrische, Hybrid- und Brennstoffzellenautos im Jahr 2021 angehoben werden – allerdings nur für Pkw bis zu einem Anschaffungspreis von unter 40.000 Euro.
In dem Ergebnispapier werden keine Zahlen für die Kaufprämie genannt, aber in einem 136-seitigen Vorgängerpapier war davon die Rede, dass die Prämie für rein batterieelektrische Autos von heute 4000 auf 6000 Euro steigen könnte und für Plug-in-Hybride von 3000 auf 4000 Euro.
Weiterer Kaufanreiz: Die Dienstwagensteuer für reine E-Autos bis 40.000 Euro soll von 0,5 auf 0,25 Prozent gesenkt werden. Das heißt: Nur noch 0,25 Prozent des Anschaffungspreises müssen pro Monat als Einkommen versteuert werden. Zum Vergleich: Bei konventionellen Verbrennerfahrzeugen ist es ein Prozent. Die Steuerbelastung ist für solche Autos also künftig rund vier Mal so hoch wie für E-Autos.
Wichtig für den Vormarsch der E-Mobilität ist auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur. 2030 soll es insgesamt eine Million Ladepunkte in Deutschland geben. Zurzeit existieren knapp 21.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte. Hinzu kommen solche in Betrieben und in privaten Haushalten. Jetzt will die Koalition verbindlich anordnen, dass an allen Tankstellen in Deutschland auch Ladepunkte angeboten werden.
5. So verändern sich die Strompreise
Ein Klimageld als Pro-Kopf-Auszahlung wurde lange diskutiert, ist aber nun nicht Teil des Kompromisses. Es bleibt bei einer Mini-Preissenkung, von der allerdings quasi alle Bürger profitieren: Strom wird ein bisschen billiger, ein ganz kleines bisschen.
Die Ökostrom-Umlage soll 2021 um 0,25 Cent pro Kilowattstunde sinken, finanziert durch die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung, bis 2023 steigt die Entlastung auf 0,625 Cent. Zum Vergleich: Privathaushalte kostet Strom rund 30 Cent pro Kilowattstunde.
6. Heizen und Dämmen – was auf Hausbesitzer zukommt
Die klimafreundliche Wende soll im Gebäudebereich mit vielen Förderungen unterstützt werden. „Jede und jeder soll mit der Transformation zurechtkommen, auch die mit kleinem Einkommen“, heißt es Papier.
Im Vordergrund steht dabei Steuerförderung der energetischen Gebäudesanierung. Da hat die Koalition einen Durchbruch geschafft. Wer seine Immobilie selbst nutzt, kann 20 Prozent der Kosten verteilt auf drei Jahre von der Steuerschuld abziehen.
Gefördert werden auch Einzelmaßnahmen, während die wichtigen Förderprogramme der staatlichen Förderbank KfW auf Komplettsanierungen abzielen. Steuerförderung und KfW-Förderung gleichzeitig ist ausgeschlossen. Wer aber lieber die KfW-Förderung in Anspruch nimmt, bekommt dort in Zukunft zehn Prozent mehr.
Außerdem werden die KfW-Programme und das Marktanreizprogramm für Wärme aus erneuerbaren Energien in einer Bundesförderung für effiziente Gebäude zusammengeführt. Ein Antrag soll genügen, um die Gelder zu bekommen. Die Förderung wird auf Wohnungsunternehmen, Vermieter oder Bürger mit geringer Steuerschuld ausgedehnt. Auch Kommunen sollen für die energetische Stadtsanierung einen doppelt so hohen Zuschuss bekommen wie bisher.
Wermutstropfen in diesem Geldregen: Die energetischen Standards werden bis 2023 nicht erhöht. Immerhin: Neue Ölheizungen sollen ab 2026 nicht mehr eingebaut werden dürfen. Als Übergangslösung sind Hybridheizungen möglich, die sowohl mit Gas als auch mit erneuerbaren Energien betrieben werden.