Debatte um Klimawandel und Erderwärmung: Klimaschutz ist keine Ideologie
Die Debatte um den Klimawandel sei ideologisch aufgeheizt, heißt es. Dabei geht es vor allem um verschiedene Wertvorstellungen. Ein Kommentar.
Je mehr der Klimaschutz endlich auf die politische Agenda kommt, desto schärfer werden die Abwehrreaktionen. „Klimahysterie“ rufen diejenigen, die sich bisher bequem im Hintergrund halten konnten. Sie wissen, dass viele Versprechen für mehr Klimaschutz nur Lippenbekenntnisse waren. Nun könnten das wilde Wetter und der Druck der Schülerdemos die Politik zum Handeln zwingen, aber die verliert sich in ideologischen Debatten.
Dabei sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel schon seit dem ersten Bericht der deutschen Enquete-Kommission über den Schutz der Erdatmosphäre von 1988 eindeutig. Grundsätzlich konnte seitdem jeder, der es wollte, wissen, was mit der Klimakrise auf Deutschland und die Welt zukommt. Ideologisch ist daran nichts. Es geht um reine Physik. So, wie zwei und zwei vier ist, machen mehr Klimagase in der Atmosphäre die Erde wärmer. Das muss aufhören, und zwar schnell. Punkt.
Dabei geht es nicht nur um Verhaltensänderungen – neue Strukturen braucht es. Für die ist die Politik zuständig. Die Parteien präsentieren jetzt also lauter Vorschläge, die nachvollziehbarerweise von ihren jeweiligen Interessen, Werten und Wählergruppen geprägt sind. Die FDP plädiert für Marktwirtschaft und einen Emissionshandel für Kohlendioxid. Konservative fürchten um die Freiheit der Marktwirtschaft und setzen auf Anreize und Innovationen. Die Linke fürchtet die Marktwirtschaft und will verstaatlichen. Die Grünen haben kein Problem mit Ordnungsrecht, die SPD will den Übergang sozial gerecht gestalten. Soweit also Normalbetrieb im politischen Alltag, diese Zukunftsdebatte ist nicht ideologischer als jede andere.
Es fehlt eine gemeinsam Erzählung
Sie berührt aber mehr. Das Megaproblem Klimawandel ist für viele gesellschaftliche Akteure ein Thema. Und auch da sieht jeder vor allem durch seine eigene Brille auf seinen eigenen Bereich, und wie der betroffen sein könnte. Etwa Unternehmen, weil der Klimawandel ihre Lieferketten bedroht. Gewerkschaften, weil es auf einem toten Planeten keine Jobs gibt. Bauern, weil ihre Felder vertrocknen. Alte, weil ihnen die Hitze am meisten zu schaffen macht. Junge, weil es um ihre Zukunft geht.
Vielleicht sogar die national Orientierten, weil der Klimawandel Millionen Flüchtlinge schafft, die bald vor ihrer Tür stehen könnten. Und dann sind da noch die Fragen von Konsum und Lebensstil, die wirklich jede und jeden betreffen: Wie man sich fortbewegt, isst, konsumiert, seine Wohnung heizt und wohin man in Urlaub fährt.
Es fehlt für all das die eine Erzählung, das Motto, der Slogan, in dem sich alle gemeinsam wiederfinden. Es bräuchte eine breite Allianz all dieser Akteure, einen gemeinsamen Kraftakt in dem Bewusstsein: Die Erde hat ein Problem, und wir werden es lösen – lösen müssen. Gerade die Einsicht in dieses Müssen aber hat sich noch nicht durchgesetzt. Stattdessen wird es als ideologisch gebrandmarkt. Psychologisch ist das erklärbar. Es ist ja auch schwer vorstellbar, dass in 80 Jahren alle Korallenriffe tot sind, wenn der Planet sich nur um ein weiteres Grad erwärmt – um ein Beispiel aus dem jüngsten Bericht des Weltklimarats zu nennen.
Wahrscheinlich braucht es noch ein, zwei Hitzesommer mehr, um die Gesellschaft zusammenzuschweißen. Für den entscheidenden Schwenk in der Klimapolitik wäre das gerade noch rechtzeitig.