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Scholz im Strudel der Cum-Ex-Affäre: "Kann es wirklich so viel Zufall geben?"

Olaf Scholz gerät im Bundestag schwer unter Druck. Er versichert, er habe nicht zugunsten der Warburg-Bank interveniert. Doch die Affäre beschädigt sein Image.

Höflicher ist ein Spitzenpolitiker im Bundestag selten mit seinen Angreifern umgegangen. „Ich danke für Ihre Frage“, sagte Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz am Mittwochmittag jedes Mal, wenn Oppositionsabgeordnete ihm in der Bundestag-Fragestunde nachweisen wollten, dass er als Hamburger Bürgermeister eine Bank steuerlich begünstigt hatte. Und antwortete dann in freier Rede, konzentriert und trocken.

Doch auch mit viel Höflichkeit und Coolness konnte der Finanzminister den Verdacht der Opposition nicht aus der Welt räumen. Grüne, Linke, FDP und AfD vermuten weiter eine politische Einflussnahme bei der millionenschweren Steuerentscheidung zugunsten der Warburg-Bank in der Cum-Ex-Affäre. Angesichts der Heftigkeit der Angriffe verfinsterte sich später in der Aktuellen Stunde des Bundestages die Miene des SPD-Politikers auf der Regierungsbank deutlich.

„Eine politische Intervention soll es nicht geben und hat es in Hamburg auch nicht gegeben“, versicherte Scholz. Der SPD-Politiker räumte allerdings Fehler bei der Aufarbeitung der Affäre ein.

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In früheren Sitzungen des Finanzausschusses hatte Scholz nur ein Treffen mit Warburg-Miteigentümer Christian Olearius offengelegt, obwohl er sich 2016 und 2017 mehrfach mit dem Bankier getroffen hatte. Die Bank wehrte sich damals gegen Rückzahlungsforderungen der Steuerbehörden im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften.

Nun bestätigte der Minister im Finanzausschuss zwei weitere Treffen, erklärte aber, er könne sich an Inhalte nicht erinnern. Er habe als Bürgermeister Tausende Gespräche geführt, sagte er: „Es ist sehr plausibel, dass man sich nicht an jedes dieser Gespräche erinnern kann.“

Das erste Treffen mit dem Warburg-Miteigner wurde bekannt, nachdem das von Olearius geführte Tagebuch im Frühjahr 2018 im Zuge von Steuerermittlungen beschlagnahmt worden war. Später konnten Medien weitere Tagebuchteile auswerten. Danach traf Scholz den Bankier am 7. September und 26. Oktober 2016 sowie am 10. November 2017.

Kurz nach dem Termin beim Bürgermeister entschied die Finanzbehörde zugunsten der Bank

Die Daten der Treffen sind brisant, weil die Hamburger Finanzverwaltung im November 2016 auf die Rückzahlung von 47 Millionen Euro verzichtete, sie ließ die Forderung verjähren. Kritiker weisen darauf hin, dass die Kölner Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt seit fast einem Jahr wegen der Geschäfte gegen Warburg ermittelte. Die Staatsanwälte warfen der Bank vor, wissentlich Steuererstattungen kassiert zu haben, die zuvor nicht gezahlt worden waren.

Cum-Ex-Geschäfte gelten als eines der größten Steuerverbrechen in der Geschichte der Bundesrepublik. Rund um den Dividendenstichtag wurden Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Ausschüttungsanspruch zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben. Am Ende war dem Fiskus nicht mehr klar, wem die Papiere gehörten. Finanzämter erstatteten Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Dem Staat entstand ein Milliardenschaden.

In einem ersten Urteil entschied das Landgericht Bonn im März 2020, dass Cum-Ex-Geschäfte illegal und damit strafbar sind. Warburg müsse 170 Millionen Euro zurückzahlen. Die Bank hat Revision eingelegt, da sie der Meinung ist, ihr Geschäftspartner Deutsche Bank sei für die Rückzahlung zuständig.

Böse Miene zum bösen Spiel: Anfangs antwortete Olaf Scholz noch routiniert auf die Vorwürfe zur Ex-Cum-Affäre, doch dann wurden die Angriffe im Bundestag heftiger.
Böse Miene zum bösen Spiel: Anfangs antwortete Olaf Scholz noch routiniert auf die Vorwürfe zur Ex-Cum-Affäre, doch dann wurden die Angriffe im Bundestag heftiger.
© imago images/Political-Moments

Olearius notierte in seinem Tagebuch, er habe am 26. Oktober 2016 ein siebenseitiges Argumentationspapier an Scholz übergeben. Am 9. November habe dieser dann bei ihm angerufen und ihn aufgefordert, das Schreiben an den damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher (FDP) weiterzuleiten. Eine Woche später wurde in der Finanzbehörde entschieden, die Steuerrückforderung gegen Warburg verjähren zu lassen.

Entlastend für Scholz ist der Umstand, dass Olearius in dem Tagebuch keine Zustimmung oder Versprechen des Bürgermeisters schildert. Zu dem entscheidenden Treffen heißt es in den Aufzeichnungen, Scholz habe gefragt und zugehört, aber keine Meinung geäußert und nicht durchblicken lassen, was er denke und wie er handeln wolle. Auch nach zwei weiteren Treffen hatte Olearius notiert, Scholz habe zurückhaltend reagiert und nichts versprochen.

Ein Nachweis, wonach es zu einer politischen Einflussnahme von Scholz oder Tschentscher auf die Warburg-Entscheidung des Finanzamts kam, ist bislang nicht aufgetaucht.

Die Grünen-Abgeordnete Lisa Paus bezweifelte trotzdem, dass es keinen Zusammenhang zwischen Gesprächen und Steuerentscheidung gegeben habe. „Kann es wirklich so viel Zufall geben?“, fragte sie. Der Linken-Abgeordnete Fabio de Masi warf Scholz nicht nur eine Täuschung des Bundestags vor, sondern hielt ihm auch Parteispenden der Warburg-Bank an die Hamburger SPD im Vorfeld der Entscheidung vor. Der SPD-Politiker entgegnete, er habe als Bürgermeister sichergestellt, dass niemand in exekutiver Verantwortung in Entscheidungen über Parteispenden eingebunden gewesen sei.

Christian Dürr (FDP) kritisierte die mangelnde Erinnerung an die Treffen mit Olearius. „Diese Erinnerungslücken sind für einen Kanzlerkandidaten bemerkenswert“, spottete er. Der AfD-Abgeordnete Volker Münz sprach Scholz Glaubwürdigkeit ab und forderte: „Treten Sie zurück!“

Die Union ging auf Distanz zum SPD-Kanzlerkandidaten. Es sei „unvorstellbar“, dass ein Warburg-Chef trotz staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen das Institut im Hamburger Rathaus „verhandeln durfte“, kritisierte Hans Michelbach (CDU). Ähnlich wie die Opposition verwies Michelbach auf Ungereimtheiten. „Wir bestehen auf eine Klärung“, sagte er. Sein Fraktionskollege Matthias Hauer (CDU) warf dem Finanzminister vor, es sei "wenig glaubhaft", dass er keine Erinnerung habe.

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Auch ohne Nachweis einer politischen Einflussnahme auf die Entscheidung ist die Warburg-Affäre geeignet, das Image des SPD-Kanzlerkandidaten als Macher zu beschädigen, der stets höchst seriös arbeitet und jedes Problem im Griff hat. Der vertrauliche Umgang mit einem Bank-Miteigner könnte zudem Wähler skeptisch stimmen, die von der SPD eine harte Linie gegen Kapitalvertreter erwarten. „Sie müssen selbst wissen, ob sie mit diesem Rucksack in den Wahlkampf gehen wollen“, warnte ihn de Masi.

In der SPD gilt der Fall als weitere Belastung des Kandidaten neben seinem Ruf als Vorkämpfer der Hartz-IV-Reformen, seiner Rolle bei den gewalttätigen Ausschreitungen während des G20-Gipfels in Hamburg und dem Versagen des Staates bei der Kontrolle des betrügerischen Unternehmens Wirecard.

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