Hamburger Bürgerschaftswahl und Cum-Ex: Spende der Warburg-Bank bringt die SPD in Erklärungsnot
Die Hamburger Bank spendete 2017 an den Kreisverband von Johannes Kahrs. Kurz vor der Bürgerschaftswahl will die SPD lieber nicht darüber diskutieren.
Eine knappe Woche vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg sehen sich die Sozialdemokraten heftigen Vorwürfen ausgesetzt. Nach der mutmaßlichen Verstrickung von Spitzenkandidat Peter Tschentscher und dem früheren Ersten Bürgermeister und heutigen Finanzminister Olaf Scholz in mögliche Steuergeschenke an die Hamburger Warburg-Bank gerät nun auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs ins Blickfeld.
Er ist eine schillernde Figur. Verwickelt in zahlreiche Skandale und Skandälchen, bekannt als begnadeter Netzwerker und Machtmensch, konnte ihm bislang nie etwas dauerhaft schaden. Weder der Prozess um nächtlichen Telefonterror gegen eine innerparteiliche Konkurrentin, der 1992 mit einem Vergleich endete; noch die rund 60.000 Euro Spenden, die in den Jahren 2005 und 2006 aus der Rüstungsindustrie in seinen Kreisverband geflossen sein sollen.
Der von Kahrs geführte SPD-Kreisverband Hamburg-Mitte hat 2017 Wahlspenden von Warburg erhalten. Das berichtet jetzt das „Hamburger Abendblatt“. Insgesamt 45.500 Euro ließ die Bank direkt oder über Tochtergesellschaften der Partei zukommen, allein 38.000 an den Kreisverband Hamburg-Mitte. Und das, nachdem die Hamburger Steuerbehörden eine Forderung aus den Cum-Ex-Deals von rund 47 Millionen Euro an Warburg im Jahr 2016 verjähren ließen. Zufall?
Tschentscher weist Vorwurf der Einflussnahme zurück
Recherchen von „Panorama“ und „Zeit“ hatten in der vergangenen Woche Treffen zwischen Scholz und dem Warburg-Chef Christian Olearius zutage gefördert – und das, obwohl der Senat die Kleine Anfrage der Linken nach ebensolchen Treffen im November verneint hatte. In der SPD heißt es dazu, die Anfrage sei im Sinne der Fragestellung korrekt beantwortet worden. Soll heißen: Gefragt worden war nach Gesprächen mit Bezug auf die Cum-Ex-Deals. Tschentschers und auch Scholz’ Linie aber ist: Gespräche mit führenden Wirtschaftsvertretern seien völlig normal, um die Cum-Ex und Steuerthematik sei es dabei jedoch nicht gegangen. Dagegen steht die Tagebucheintragung des Bankers, der sich nach dem Treffen notiert hatte, man müsse sich wohl keine Sorgen wegen der Rückzahlung machen.
Bürgermeister Tschentscher wehrte sich gegen den Vorwurf der politischen Einflussnahme. „Die Unterstellung, hier hätten Politiker Einfluss genommen auf die Entscheidung von Finanzämtern, die kann ich ganz eindeutig zurückweisen“, sagte der SPD-Politiker dem Sender NDR Info. Tschentscher betonte, dass die Finanzämter jeden Anspruch verfolgten. In einer öffentlichen Haushaltsausschuss-Sitzung vor zwei Jahren sei aber klar geworden, dass es bei den komplizierten Geschäften erst einmal darum gehe, den Anspruch zu begründen. Das sei in einzelnen Fällen sehr schwer und die Behörden müssten abwägen, ob sie das Risiko eingingen, vor Gericht zu ziehen.
Im Mittelpunkt der Affäre steht Johannes Kahrs
CDU, FDP, Grüne und Linke fordern eine Sondersitzung des Haushaltsausschusses noch vor der Wahl. Das lehnt der Vorsitzende, SPD-Haushaltsexperte Matthias Petersen, jedoch ab. Zwischen den einst harmonischen Koalitionären knirscht es gewaltig. Kein Zufall ist, so ist man in der SPD überzeugt, der Zeitpunkt der Veröffentlichung kurz vor der Hamburg-Wahl. Die Partei verweist darauf, dass die in Rede stehenden Treffen bereits im Jahr 2018 im Haushaltsausschuss thematisiert worden waren – es sich also keineswegs um eine Neuigkeit handle.
Neu auf dem Tisch liegen nun jedoch die Spenden und damit der Name: Johannes Kahrs. Dem werden aktuell Ambitionen auf das Amt des Wehrbeauftragten nachgesagt. In der Cum-Ex-Affäre hatte er im Gespräch mit NDR und „Zeit“ Treffen mit Warburg-Chef Olearius bestritten. Nun gibt er sie im „Abendblatt“ zu.
In der Hamburger SPD ist man über die Personalie nicht überrascht. „Immer wenn irgendwo die Scheiße spritzt, ist Kahrs ganz vorne mit am Start“, sagt ein Genosse, der namentlich nicht genannt werden möchte. „Der Zusammenhang ist schon sehr konstruiert und der Zeitpunkt dieser seit Jahren bekannten Fakten kein Zufall, aber man nimmt von solchen Leuten keine Spenden an.“ Diese seien zwar im Rechenschaftsbericht veröffentlicht und daher auch nicht neu.
Dass die Fakten so kurz vor der Wahl auf den Tisch kämen, sei „schon eine stringent organisierte Kampagne“, die der SPD nun auf die Füße fallen könnte: Nach einem Kopf-an-Kopf- Rennen mit den Grünen hatte die SPD sich in den Umfragen mit 37 Prozent einen satten Vorsprung erarbeitet.
Karolina Meyer-Schilf
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