Scheuer und Söder machen Druck: CSU fährt vor Autogipfel auf Verbrenner-Kaufprämien ab
Die Branche hofft beim Autogipfel auf weitere Hilfen des Bundes – und hat in der CSU starke Fürsprecher. Die Kanzlerin und die SPD sehen das bisher anders.
Bei einem weiteren Autogipfel beraten an diesem Dienstagabend Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und andere Mitglieder der Bundesregierung mit Managern der deutschen Autobranche, mit Gewerkschaftern und mit den Ministerpräsidenten der „Auto-Länder“ Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg. Ab 19 Uhr geht es in der Videokonferenz nicht nur um die aktuelle Lage der Branche, die durch die Coronakrise arg gebeutelt ist, sondern auch um strukturelle Probleme.
Die Nachfrage nach Pkw war zuletzt eingebrochen. Die Industrie hatte im Juni in der Debatte um ein Konjunkturpaket staatliche Kaufprämien auch für moderne Benziner und Dieselautos gefordert, um die Nachfrage anzukurbeln. Dies aber war am Widerstand vor allem der SPD gescheitert.
Die Koalition beschloss höhere staatliche Prämien beim Kauf von Elektroautos. Zudem sollte die Senkung der Mehrwertsteuer die Nachfrage ankurbeln. Zuletzt sind deutlich mehr neue E-Autos zugelassen worden.
Die Autohersteller und ihre Zulieferer erhoffen sich nun vom dem Gipfel noch einmal Unterstützung des Bundes.
Scheuer will Kaufprämie für Verbrenner nicht ausschließen
Und die CSU macht sich dabei noch einmal stark für das Instrument, dass eigentlich als veraltet und nicht zukunftsweisend ablehnt worden war: eine Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotoren.
Kurz vor dem Autogipfel dringt die CSU sogar vehement darauf. „Es stehen viele moderne Fahrzeuge auf Halde. Die müssen vom Hof“, sagte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Dienstag im Deutschlandfunk und verwies auf den 20-prozentigen Einbruch bei den Autozulassungen im August.
Es gebe bereits eine Prämie für Elektrofahrzeuge, aber noch nicht genug Fahrzeuge auf dem Markt. „Und deswegen müssen wir jetzt auch die Zeit überbrücken, bis diese Fahrzeuge noch massentauglicher werden“, sagte der Verkehrsminister.
„Wir müssen alt gegen neu tauschen, und da darf es auch kein Tabuthema Verbrennungsmotor geben“, sagte Scheuer. „Wir haben modern entwickelte Fahrzeuge.“
„Ich weiß, dass das Image des Verbrennungsmotors auch in der medialen Kommunikation und Auseinandersetzung gerade ins Negative abbiegt, aber wir haben auch neue Produkte, die top modern sind und die sich auch auf dem Weltmarkt bewähren“, sagte Scheuer weiter.
Mit Blick auf Kaufprämien für Verbrenner verwies Scheuer auf den Koalitionspartner SPD, an dem ein solcher Anreiz zuletzt gescheitert war, und betonte, er erkenne jetzt ein Umdenken bei den anderen Parteien: „Wir hören ja auch aus der SPD, Ministerpräsident (Stephan) Weil aus Niedersachsen, oder auch vom grünen Ministerpräsidenten (Winfried) Kretschmann (Baden-Württemberg), dass auch eine Prämie für Verbrenner (...) sinnvoll ist, weil sie sofort Wirkung auf die Wirtschaft haben werden.“
Söder mahnt zur Eile
CSU-Parteichef Markus Söder präsentiert sich schon seit Tagen als starker Fürsprecher für die Autobranche und eine neue Strategie von Bund und Ländern für „unseren Kernbereich der Industrie“.
Das Argument, die Förderung von Verbrennerautos helfe nicht der Umwelt, will der bayerische Ministerpräsident nicht gelten lassen: „Wollen wir Tausende von bereits produzierten Autos jetzt komplett verschrotten, obwohl wir welche mit deutlich schlechteren CO2-Werten auf der Straße haben und gleichzeitig die Kapazität für Elektro in Deutschland an die maximale Grenze kommt?“ Deutschland solle für die Übergangszeit mehrgleisig planen und die Zeit überbrücken,. „bis wir komplett auf Elektro oder andere Motoren wie Hybrid oder Wasserstoff umstellen können.“
Söder fordert von allen Beteiligten Eile, „denn sonst haben wir nicht nur Kurzarbeit, sondern Massenarbeitslosigkeit“, sagte er am Dienstag im ZDF-„Morgenmagazin“.
Merkel hatte dagegen vergangene Woche bereits eine Kaufprämie für Verbrenner abgelehnt und darauf verwiesen, dass das beschlossene Konjunkturpaket rund sei.
Umweltministerin Schulze will „neue und nicht alte Rezepte“
Auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) stellt sich gegen die Pläne der CSU. „Ich bin sehr dafür, die Automobilindustrie zu unterstützen, aber dafür brauchen wir neue und nicht alte Rezepte“, sagte Schulze der „Rheinischen Post“. „Ich will, dass wir Brüche vermeiden und den Wandel gestalten, um gute Arbeitsplätze zu sichern und die Industrie fit für die klimaneutrale Mobilität der Zukunft zu machen“, ergänzte die Ministerin. In zehn Jahren werde rund die Hälfte der verkauften Neuwagen alternative Antriebe haben, sagte Schulze voraus.
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Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer warnte ebenfalls eindringlich vor einer Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotoren. Diese wäre auch dann „ökonomisch falsch“, wenn sie sich auf besonders effiziente Verbrenner beschränke, sagte Schnitzer den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“.
Ein Strukturwandel hin zu Autos, die nicht auf fossile Brennstoffe angewiesen sind, sei unumgänglich. Die Politik solle ihre Unterstützungsmaßnahmen daher darauf konzentrieren, dass der Wandel zu neuen, zukunftsfähigen Arbeitsplätzen führe, forderte die Münchner Wirtschaftsprofessorin. „Es kann keine Bestandsgarantien geben, wenn die Branche auch in Zukunft international wettbewerbsfähig bleiben will“, so Schnitzer.
Widerstand gegen Kaufprämie auch aus der CDU
Auch aus der Union kommt Widerspruch für den CSU-Vorschlag. CDU-Wirtschaftspolitiker wollen keine Kaufprämie für Kfz mit Verbrennermotoren. „Sonderprämien für einzelne Branchen lehne ich ab“, sagte der CDU/CSU-Fraktionsvize Carsten Linnemann. Wichtiger seien strukturelle Reformen im Steuer- und Arbeitsrecht und ein „Belastungsmoratorium“, damit man es den in der Krise ohnehin leidenden Unternehmen nicht noch schwerer mache, im Wettbewerb zu bestehen.
„Wir sollten uns intelligentere Wege einfallen lassen, der Branche zu helfen“, sagte auch der wirtschaftspolitische Sprecher der Union, Joachim Pfeiffer, zur Forderung nach neuen Kaufprämien.
Dagegen forderte CSU-Wirtschaftsexperte Hans Michelbach neue Kaufanreize: „Ich befürworte eine Klimaprämie für neue Verbrennerfahrzeug mit modernster umweltschonender Technologie als Teil eines Transformationspaketes, das den industriellen Wandel in Deutschland unterstützt und fördert“, sagte er.
Den von IG Metall, SPD und den Grünen ins Gespräch gebrachten Vorschlag eines staatlichen Mittelstandsfonds lehnten alle drei Unionspolitiker ab. „Staatliche Beteiligungen sind keine Option. Sie verzerren den Wettbewerb, führen zu Ineffizienzen und können den Strukturwandel nicht aufhalten“, sagte Linnemann, der auch Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung der Union (MIT) ist.
SPD will Zulieferern mit staatlichen Beteiligungen helfen
Einen solchen teilstaatlichen Beteiligungsfonds für in Not geratene Autozulieferer hatte SPD-Chef Norbert Walter-Borjans gefordert. „Wir wollen dazu beitragen, dass es in und nach der Coronakrise vorwärts geht und zukunftssichere Arbeitsplätze in der Autobranche erhalten bleiben“, sagte er dem „Handelsblatt“. Mit dem Fonds sollte vor allem den mittelständisch geprägten Zulieferern über finanzielle Engpässe hinweggeholfen und die Umstellung auf umweltfreundliche Antriebe gefördert werden, sagte der SPD-Chef.
„Damit würde der gesamten Branche geholfen“, hob er hervor. „Die Zulieferer sind das Fundament für die Autoherstellung, ohne sie läuft nichts.“ Mit einer staatlichen Beteiligung solle zudem verhindert werden, „dass hochinnovative und -qualifizierte Unternehmen zu billigen Übernahmekandidaten für Investoren außerhalb der EU werden“.
Grüne verlangen Investitionen in Klimaschutz
Die Grünen werben vor dem Spitzengespräch von Merkel mit der Autobranche dafür, Investitionen in den Klimaschutz staatlich zu fördern – aber kein Steuergeld in „alte Technologien“ zu stecken. „Investitionen in Klimaschutz und Automatisierung stärken die Wettbewerbsfähigkeit und sichern Arbeitsplätze in den hiesigen Industriestandorten“, sagte Bundestags-Fraktionschef Anton Hofreiter der Deutschen Presse-Agentur. „Diese Zukunftsinvestitionen müssen dringend staatlich gefördert werden. Für alte Technologien darf es hingegen keine Kaufprämien oder andere Zuschüsse geben.“
Auch Hofreiter forderte, vor allem die Zulieferer in den Blick zu nehmen. „Während die Absatzzahlen bei den Herstellern langsam aber deutlich wieder ansteigen, muss sich unser Augenmerk insbesondere auf die vielen Zulieferer der Branche richten“, sagte er. „Es darf in der Coronakrise nicht zu weiteren Standortverlagerungen ins Ausland kommen.“ Daher müsse ein Transformationspfad konkret ausgestaltet werden, der diese Zulieferer beim Wandel unterstütze. „Auf dem Weg hin zu einer sozial-ökologischen Transformation müssen sowohl die Klimaziele erreicht, als auch die Beschäftigten mitgenommen werden.“ (mit Agenturen)