Zehn Beispiele von New York bis Budapest: Jüdische Museen weltweit zeigen, wie politisch Erinnerung ist
Der Umgang mit jüdischer Geschichte ist nicht nur in Berlin ein strittiges Thema. Weltweit positionieren sich jüdische Museen zur aktuellen Politik Israels.
Jüdische Museen wirken wie Mahnmale. Sie sind aber auch so unterschiedlich organisiert und ausgerichtet, wie die Geschichte der Juden vielfältig ist und lang. Welche Rolle spielt die Religion? Gibt es Tabus und wer würde sie festlegen? Wie verhält sich die Politik, sind die – staatlich finanzierten – Häuser autonom? Eindeutige Antworten kann es darauf offenbar nicht geben. Auf dieser Seite finden sich Beispiele, wie jüdische Museen arbeiten. Nicht nur in Berlin verhaken sich Identitäten und Definitionen. Das Gestern und das Heute stehen sich fragend gegenüber.
Zum Beispiel Venedig. 1516 wurde in Cannaregio ein abgeschlossenes Viertel ausgewiesen, in dem Juden wohnen konnten. An dieses Gesetz mussten sie sich halten, sie waren damit auch vor Übergriffen geschützt. Der Name Ghetto stammt daher, italienisch für Gießerei. Dort befindet sich das 1953 gegründete Museo Ebraico, neben anderen Einrichtungen, die an das Leben der Juden in der Lagune erinnern. Das erste Ghetto war eine Mischung von askenasischen, sephardischen, levantinischen Juden. Sie haben eigene museale Orte in der Stadt der vielen Museen und sind von der Entwicklung Venedigs keinesfalls zu trennen.
Zum Beispiel Thessaloniki. In der nördlichen mediterranen Metropole, die damals zum Osmanischen Reich gehörte, war um das Jahr 1900 die Hälfte der Bevölkerung jüdisch. Zwischen März und August 1943 wurden 58.000 griechische Juden in die deutschen Vernichtungslager deportiert und dort ermordet. Das Jüdische Museum von Thessaloniki, 2001 gegründet, zeigt Objekte und Dokumente aus dem 16. bis 20. Jahrhundert. Griechische Geschichte, jüdische Geschichte – auch türkische und spanische. Denn viele Juden in Thessaloniki waren aus Spanien vor der katholischen Verfolgung geflohen. Touristen kommen jetzt nach Thessaloniki, um etwas über das jüdische, multikulturelle Erbe der Hafenstadt zu erfahren.
Es existieren rund 90 große und kleine jüdische Museen in der Welt, in Argentinien, Australien, Kanada und den USA (dort gibt es die meisten), in Polen, Tschechien, den baltischen Staaten, in Nord- und Südeuropa, in Deutschland sind es ein Dutzend, wobei oft auch Synagogen mitgezählt werden.
Die Frage ist nicht nur, was ist ein jüdisches Museum, vielmehr: Was wird darin gezeigt, wer tritt dort auf, was ist die Aufgabe einer solchen Institution? Darüber wird in Berlin heftiger Streit geführt. Darf sich, soll sich, ja: muss sich ein jüdisches Museum im 21. Jahrhundert mit der Außenwelt beschäftigen, mit antisemitischen Tendenzen in der deutschen Öffentlichkeit oder auch mit der Situation von Juden und Palästinensern in Jerusalem? Wie politisch ist Erinnerung, wie politisch ist Kultur, und kann Kultur überhaupt unpolitisch sein? (Rüdiger Schaper)
New York
Nr. 1: Jewish Museum New York
Von einer „verspielten Gelegenheit“ war die Rede. Davon, dass das Jewish Museum New York (JMNY) sich von seiner „Gründungsmission entfernt“ habe – nämlich, führend zu sein in der jüdischen Gemeinde. Gleich in mehreren Essays setzten sich verschiedene Autoren zum Beispiel im jüdischen Debattenmagazin „Mosaic“ mit der Frage auseinander, ob das JMNY seiner Aufgabe gerecht werde.
Anlass für die Debatte war der Wechsel der Dauerausstellung. Von 1993 bis 2017 wurde unter dem Titel „Culture and Continuity: The Jewish Journey“ vor allem die jahrtausendealte Geschichte des Judentums nachgezeichnet. Seit 2018 gibt es diese Ausstellung nicht mehr, stattdessen wird mit „Scenes from the Collection“ der Fokus stärker auf Kunst gelegt.
Kritiker werfen dem Museum nun vor, es setze sich zu wenig mit seiner jüdischen Identität auseinander. Der Journalist Menachem Wecker nennt es das „Jewish-in-Name-Only Museum“, das Museum, das das Jüdische nur im Namen trägt. Es geht um die Frage: Wo, wenn nicht in einem jüdischen Museum, können Mitglieder der jüdischen Gemeinde sich mit ihrer eigenen Identität auseinandersetzen? (Christian Vooren)
Prag
Nr. 2: Jüdisches Museum in Prag
Prags jüdische Altstadt gehört zu den Höhenpunkten jedes Besuchs an der Moldau. Insbesondere der alte jüdische Friedhof vermittelt ein eindrückliches Bild von einer vergangenen Epoche. Zwischen seinen schiefen, verwitterten Grabsteinen hat auch der legendäre Rabbi Löw, der den Golem erschaffen haben soll, seine letzte Ruhestätte gefunden. Das Jüdische Museum betreut den Friedhof im Rahmen von Rundgängen. Er gehört aber nicht eigentlich zu den sechs Standorten, die sich in unmittelbarer Umgebung zusammengefunden haben: der Maisel-Synagoge, der Spanischen Synagoge samt Verwaltungstrakt und der Robert-Guttmann-Galerie für wechselnde Ausstellungen, der Klausen-Synagoge sowie der Zeremonienhalle. Bis auf die Pinkas-Synagoge, in der Kinderzeichnungen aus dem KZ Theresienstadt zu sehen sind, beherbergen die Synagogen mehrere Dauerausstellungen zur Geschichte der Juden in Böhmen und Mähren über die Jahrhunderte und zu jüdischen Sitten und Bräuchen.
1906 gegründet, um Kultgeräte zu sammeln, wurde das Museum im Zuge der deutschen Besetzung der Tschechoslowakei im März 1939 geschlossen. Im April 1943 eröffnete es die SS unter dem Namen Jüdisches Zentralmuseum mit der Ausstellung „Jüdisches Leben von der Wiege bis zum Grab“ von Neuem. Es war angelegt als „Museum einer untergegangenen Rasse“. Nach dem Krieg dümpelte es als Staatliches Jüdisches Museum vor sich hin. Erst 1994 vereinbarten das tschechische Kulturministerium und die jüdische Gemeinde des Landes die Neugründung und Modernisierung der Institution.
Ihr Direktor ist seither der Journalist und Schriftsteller Leo Pavlát. Zur Causa Peter Schäfer erklärte er: „Alle Institutionen, auch Museen, sind an die Meinung ihrer Gründer gebunden, wenn es darum geht, öffentliche Erklärungen abzugeben, insbesondere in Bezug auf sensible politische Themen wie die Aktivitäten der BDS-Bewegung. Entscheidungen derjenigen, die für die von ihnen verwalteten Institutionen verantwortlich sind, sind daher keine Privatangelegenheiten. Dies erklärt auch die Kritik an Peter Schäfer, die zu seinem Rücktritt als Direktor des Jüdischen Museums Berlin führte. Meine persönliche Meinung ist, dass die BDS-Bewegung keine gerechte Lösung für den Nahostkonflikt sucht, sondern sich um die Zerstörung des Staates Israel bemüht. Sie unterhält nachweislich Verbindungen zu einer Reihe von Terrorgruppen. Deshalb betrachte ich sie als eine Form von Antisemitismus.“ (Gregor Dotzauer)
London
Nr. 3: Jewish Museum London
Ein Reihenhaus aus Backstein und eine frühere Klavierfabrik nebenan beherbergen das Jewish Museum London im Bezirk Camden. Dort und in Kilburn und Primrose Hill hatten sich viele jüdische Emigranten vor dem Nationalsozialismus versteckt. Gegründet im Stadtteil Bloomsbury, zog das Museum 1995 an den heutigen Standort. Nach einer Renovierungsphase, in die zehn Millionen Pfund investiert wurden, gab es 2010 eine Wiedereröffnung. Mehr als 8000 Objekte hatte das Museum vom Jewish Military Museum übernommen. Im Großraum London leben etwa 160 000 der 284 000 Juden Großbritanniens. Nach Frankreich ist es die zweitgrößte jüdische Community in Europa, sie unterhält etwa 400 Synagogen. In seinen Statuten verpflichtet sich das Museum, Materialien zur jüdischen Geschichte, Kultur und Religion „zu sammeln, zu bewahren, zu deuten und auszustellen“. Jüdische Erfahrung dient als Ausgangspunkt für die Interaktion mit einer diversifizierten Gesellschaft. Als Auftrag gilt auch der Dialog zwischen Glaubensgruppen.
Zu den Exponaten gehören religiöse Kultgegenstände, ein venezianischer Thoraschrein und Chanukka-Leuchter, ausgestellt in der Galerie zum Thema „Judentum – lebendiger Glaube“. Objekte, Gemälde, Fotografien und Drucke informieren zu jüdischen Traditionen und Zeremonien, auf der Website finden sich auch Tondokumente wie eine Erklärung von Kuratorin Joanne Rosenthal zum Ritualbad Mikwe. Eine Abteilung über den Holocaust zeigt den Bericht eines britischen Überlebenden von Auschwitz als Videofilm.
Berlin gilt in London als leuchtendes Beispiel
Die Dauerausstellung konfrontiert Besucher auch mit der langen Geschichte jüdischen Lebens in England. Wechselausstellungen widmen sich Themen wie antisemitischen Stereotypen oder dem weltweiten Flüchtlingsproblem. Debatten um die Ausrichtung des Museums gibt es spätestens seit der Ausstellung „Through a Queer Lens“ von 2016 mit Fotografien zur jüdischen LGBTQ-Community. Worum soll es vor allem gehen, wurde diskutiert: um die Vergangenheit, den Holocaust, die Konflikte der Gegenwart oder die Zukunft?
Abigail Morris, Leiterin des Londoner Museums, blickte im „Jewish Chronicle“ bewundernd auf das Jüdische Museum in Manchester, das mit „fantastischen“ Programmen jüdische und muslimische Gemeinden zusammenbringe. David Herman hatte im selben Blatt auf die Diskrepanz zwischen jüdischen Museen in England und dem dynamischen jüdischen Kulturleben des Landes aufmerksam gemacht. Leuchtende Beispiele, so Herman, seien der Libeskind-Bau in Berlin, das polnische Museum für jüdische Geschichte und vor allem New Yorks Jewish Museum in der Upper East Side. Elementar sei eine zentrale Lage. Die fehlt dem Jewish Museum London. (Caroline Fetscher)
Warschau
Nr. 4: Jüdische Museum in Warschau
Das Jüdische Museum in Warschau steht ebenfalls in den Schlagzeilen, freilich aus anderen Gründen als das Haus in Berlin. In Polen findet die „BDS“-Kampagne – durch Boykott, Deinvestitionen und Sanktionen Druck auf Israel auszuüben – keine Resonanz, weder unter Linken noch unter Rechten. In Warschau steht Direktor Dariusz Stola vielmehr wegen einer Sonderausstellung über die antisemitische Kampagne der Kommunistischen Partei 1968 in der Kritik. Sie führte zur Auswanderung vieler Juden, die trotz der Erfahrung mit Weltkrieg, Holocaust und Pogromen in Polen ihre Heimat gesehen hatten.
Die rechtspopulistische Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) empfand die Ausstellung „Fremd im eigenen Land“ als überflüssig und unpatriotisch. Das sei unter den Kommunisten geschehen, was das mit dem heutigen Polen zu tun habe? Als im März Stolas Fünfjahresvertrag endete, wollte Kulturminister Piotr Glinski ihn nicht verlängern. Glinski geht in mehreren Museen gegen Direktoren vor, die in Polens Geschichte nicht die Opfer und das Heldentum betonen. Inzwischen hat Stola die Neuausschreibung für die Leitung gewonnen. Noch fehlt allerdings Glinskis Unterschrift.
Generell bemüht sich die PiS-Regierung wie ihre liberalen Vorgänger um ein gutes Verhältnis zu Israel. Eine Frucht dieser Annäherung war „Polin“, das 2014 eröffnete Museum für die Geschichte der polnischen Juden. Es hat drei Träger: den polnischen Staat, vertreten durch das Kulturministerium; die Stadt Warschau, die unter dem PiS-Bürgermeister und späteren Staatspräsidenten Lech Kaczynski 2005 an der Gründung beteiligt war – er starb 2010 in einem Flugzeugabsturz bei Smolensk; und der Verein Jüdisches Historisches Institut. Es ist die erste Kooperation des Staats mit einer NGO in Polens Museumslandschaft. Die Stadt und der Verein unterstützen im Gegensatz zu Minister Glinski Direktor Stola.
Das Museum möchte den Blick auf die ganze tausendjährige Geschichte der Juden in Polen weiten. Vielen Polen sind nur zwei Daten bekannt: die Umsiedlung der Krakauer Juden 1495 in ein eigenes Viertel vor den Mauern, Kazimierz. Und der Holocaust. Woher aber kamen die Millionen Juden, die Nazideutschland in den Konzentrationslagern in Polen umbringen ließ?
Es sind kaum Originalexponate übrig geblieben, die jüdisches Leben in Polen dokumentieren. Das ist eine Herausforderung für die Museumsmacher. Der Rundgang beginnt in einem idealisierten Wald mit Vogelgezwitscher – in Anlehnung an die Legende, die dem Museum den Namen „Polin“ gab. Als die Juden auf der langen Flucht vor den Verfolgungen in Westeuropa nach Polen kamen, hätten die Vögel auf Hebräisch gezwitschert: „Po lin“ – „Hier bleibe!“ Chronologisch geht es in die Moderne, den Holocaust und die Nachkriegszeit. Dank viel Bildmaterial und originalgetreuer Nachbauten – darunter eine hölzerne Synagoge mit farbenfroher Ausmalung – entsteht ein lebendiges Bild vom jüdischen Leben in Polen: dem Land, das ungeachtet vieler Konflikte über Jahrhunderte toleranter mit Juden umging als andere Staaten Europas und deshalb den höchsten Judenanteil hatte. (Christoph von Marschall)
Amsterdam
Nr. 5: Joods Historisch Museum in Amsterdam
Juden haben das Leben in Amsterdam seit Jahrhunderten mitgeprägt, einer der bekanntesten ist der 1632 hier geborene Philosoph Baruch de Spinoza. Kurz vor Beginn der NS-Deportationen lebten 80 000 Juden in der Stadt, nach dem Holocaust waren es noch 10 000. Heute sind es wieder etwa 15 000.
Das JHM ist ein nationales Museum, es beschränkt sich nicht auf die jüdische Stadtgeschichte Amsterdams, sondern präsentiert auf 2500 Quadratmetern und unter Einsatz von Multimedia jüdische Geschichte und jüdisches Leben in den Niederlanden. Träger ist eine Stiftung, die zur Hälfte vom Staat unterstützt wird. Im Jahr 2018 kamen rund 380 000 Besucherinnen und Besucher, die dort aktuell unter anderem eine Ausstellung zur Kunst der Kabbala sehen können. Sie wirbt mit einem Foto des jungen David Bowie, der sich von der jüdischen Mystik inspirieren ließ. Direktor Emile Schrijver sagt, sein Museum sei immer wieder Gastgeber von Veranstaltungen, auf denen auch Israel und die Situation in den Palästinensergebieten thematisiert würden – aber nicht der BDS. Versuche der israelischen Regierung, die Politik des Museums zu beeinflussen, habe es in der Vergangenheit nicht gegeben, auch sei sein Haus niemals aufgefordert worden, sich zum BDS zu positionieren. Es gibt mehrere pädagogische Programme, in denen auch Antisemitismus thematisiert wird. Ein speziell entwickeltes Programm soll herausfinden, welche Vorstellungen die Besucher vor, während und nach ihrem Museumsbesuch vom Judentum haben.
Der Vorläufer des heutigen Joods Historisch Museum (JHM) wurde 1932 gegründet und 1955 wiedereröffnet. Es hat seit 1987 seinen Sitz im Zentrum des ehemaligen jüdischen Viertels in der Nähe der Mozes en Aaronkerk und des Opernhauses. Dort bildet das Museum mit der Portugiesischen Synagoge, dem Nationalen Holocaust-Museum, dem Kindermuseum und der Hollandschen Schouwburg (ein ehemaliges Theater, das die Nazis zum Sammelplatz für Deportationen umfunktionierten, heute Gedenkstätte) das Joods Cultureel Kwartier (Jüdisches Kulturquartier). (Udo Badelt)
Wien
Nr. 6: Jüdische Museum in Wien
Als 1895 das Jüdische Museum in Wien gegründet wurde, war es das erste weltweit. Eine Gruppe Wiener jüdischer Bürger bildete den Trägerverein. Die Sammlung widmete sich der Kultur und Geschichte der Juden in der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie, insbesondere in Wien und Galizien. Sie umfasste aber auch zionistische Objekte aus Palästina, um die damalige Diskussion widerzuspiegeln. Das Museum wurde 1938 unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich durch die Nationalsozialisten geschlossen, die Exponate gingen an verschiedene Museen. Bis heute tauchen Objekte aus dem Sammlungsbestand auf dem Kunst- und Antiquitätenmarkt auf.
Bei seiner Wiedergründung 1988 konnte das Museum auf einen Großteil des Inventars zurückgreifen, das nach dem Krieg an die Israelitische Kultusgemeinde Wien restituiert worden war. Vor allem schöpfte es aus der 10 000 Objekte umfassenden Sammlung Berger, welche die Stadt Wien im gleichen Jahr zum Großteil erworben hatte. Die Stadt ist heute der Träger des Museums, das schließlich 1993 im Palais Eskeles eröffnete. Im Jahr 2000 kam als zweiter Standort das Museum Judenplatz hinzu, wo sich im Mittelalter das Zentrum jüdischen Lebens befand. Auf ihm steht heute das Mahnmal für die ermordeten österreichischen jüdischen Opfer der Schoah, das von der Britin Rachel Whiteread stammt und als kompakter Betonkubus nach außen gewendete Bibliothekswände zeigt. Vor 1938 lebte in Wien die drittgrößte jüdische Gemeinde Europas. Im vergangenen Jahr zählten beide Adressen 133 000 Besucher.
Während das Museum am Judenplatz zeitgenössische Kunstausstellungen mit spirituellen oder speziell jüdischen Themen zeigt, widmet sich das Palais Eskeles der Geschichte des jüdischen Wiens, der Juden in Österreich insgesamt – mit starkem Fokus auf die Jahre 1938 bis 1945. Durch diese klare Zuordnung hält sich die seit 2009 amtierende Direktorin Danielle Spera konfliktträchtigen Themen wie BDS fern. „Probleme gibt es keine“, sagt sie. „Die Politik mischt sich nicht ein.“ Die Ausstellungsthemen entwickeln sich ausgehend von Persönlichkeiten wie Amy Winehouse oder Helena Rubinstein, die einen Österreich-Bezug hat. Israel kam über Teddy Kollek hinein, den aus Wien stammenden Bürgermeister von Jerusalem. Politisiert wurde dennoch nicht. (Nicola Kuhn)
Frankfurt am Main
Nr. 7: Jüdisches Museum Frankfurt
Das älteste jüdische Museum in Deutschland steht in Frankfurt am Main. Dabei ist es nicht einmal besonders alt, 1988 eröffnete das Haus im Rothschild-Palais am Museumsufer. Frankfurt ist ein Zentrum jüdischen Lebens in Deutschland, die Gemeinde zählte 1933 etwa 30 000 Mitglieder. Mit Ignaz Bubis, Dieter Graumann und Michel Friedman kommen drei der bisher acht Vorsitzenden des Zentralrats der Juden hierher. „Frankfurt hat in der jüdischen Welt einen großen Namen. Unsere Aufgabe ist, das jüdische Leben und seine Geschichte hier bekannt zu machen“, sagt Museumsdirektorin Mirjam Wenzel, die von 2007 bis 2015 Leiterin der Medienabteilung im Jüdischen Museum Berlin war. Seit 2016 ist sie als Direktorin in Frankfurt für eine Neuausrichtung verantwortlich. Derzeit wird das Rothschild-Palais umgebaut, hier soll es eine neu konzipierte Dauerausstellung geben.
Das Jüdische Museum Frankfurt gab es vor dem Nationalsozialismus schon einmal: 1922 gründete sich das Museum Jüdischer Altertümer, das in der Reichspogromnacht 1938 zerstört und geplündert wurde. Diesen bewahrenden Geist merkt man dem Museum bis heute an. Mirjam Wenzel will diese Ausrichtung beibehalten: „Wir sind mit einem kommemorativen Auftrag gegründet worden.“ Politische Ausstellungen wie in Berlin wird es in Frankfurt nicht geben. Wenzel sieht ihr Haus als Brücke zur jüdischen Gemeinde. „Unser Auftrag hat nichts mit Israel zu tun.“ Das Verhältnis zur jüdischen Gemeinde sei gut, sagt sie. „Das Jüdische Museum ist nicht neutral. Natürlich ist es der jüdischen Community verbunden.“ (Nantke Garrelts)
München
Nr. 8: Jüdische Museum München
Vor wenigen Wochen eröffnete im Jüdischen Museum München die Ausstellung „Sag Schibbolet!“, sie thematisiert die Auswirkungen sichtbarer und unsichtbarer Grenzen (bis Februar 2020). Ein Exponat zeigt Luftaufnahmen von umgesiedelten Beduinen im Westjordanland. Eine Entscheidung, die laut Direktor Bernhard Purin bisher nur vereinzelt Kritik hervorgerufen hat.
Das Münchner Museum liegt zwischen Marienplatz, Viktualienmarkt und Sendlinger Tor. Zusammen mit der neuen Münchner Hauptsynagoge Ohel Jakob und dem Gemeindezentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern ist das Museum Teil des 2006 eröffneten Jüdischen Zentrums am Sankt-Jakobs-Platz. Die Landeshauptstadt München finanzierte den kubischen Bau mit 13,5 Millionen Euro. Träger des Museums mit jährlich etwa 30 000 Besuchern ist das Münchner Kulturreferat. Die Dauerausstellung „Stimmen Orte Zeiten“ erzählt die Geschichte des Judentums in München bis zur Gegenwart.
Von der Debatte um den Rücktritt Peter Schäfers als Direktor des Jüdischen Museums in Berlin fühlt sich Münchens Direktor Purin „17 Jahre zurückgebeamt“. Während seiner Zeit am Jüdischen Museum Franken hatte er damals heftige Kritik aus Teilen der jüdischen Gemeinde in Fürth erfahren. Es ging um eine satirische Ausstellung der Berliner Künstlerin Anna Adam. Der damalige Fürther Rabbiner Netanel Wurmsel forderte Purins Rauswurf. Wurmsel fühlte sich „beleidigt und verhöhnt“. Anders als Schäfer konnte Purin damals bleiben.
Der Konflikt in Berlin ist für ihn eine logische Konsequenz: „Die Spannung zwischen orthodox geführter Religionslehre und der säkularen Darstellung jüdischer Identitäten in Museen führt zu einem Grunddissens.“ (Jakob Wittmann)
Budapest
Nr. 9: Budapests Jüdisches Museum
Budapests Jüdisches Museum befindet sich heute da, wo einst das Geburtshaus Theodor Herzls stand, des Begründers des Zionismus. Es liegt auf dem Gelände der 1859 erbauten Großen Synagoge, die durch ihre schiere Dimension die Dauerausstellung, die Exponate zur Geschichte der Familie Munk-Munkácsi und die Kollektion „100 Jahre in 100 Objekten“ in den Hintergrund rückt. Zum Areal gehören auch der Heldentempel und der Garten der Erinnerung, der in Gedenken an den schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg errichtet wurde: Er bewahrte zahllose ungarische Juden durch schwedische Schutzpässe vor dem Holocaust.
Seinen Ausgang nahm das Museum allerdings in einer Privatwohnung an der Hold utca. Dort wurde es 1916, 21 Jahre nach der Gründung des weltweit ältesten jüdischen Museums in Wien, auf Initiative jüdischer Intellektueller mit rund 1500 historischen Objekten eingerichtet.
Ungarn beherbergt heute, allen antisemitischen Tendenzen zum Trotz, die mit Abstand größte jüdische Gemeinde Osteuropas. Ihr gehören rund 110 000 Menschen an. Das Areal lässt sich auch als sichtbare, von Touristen fleißig frequentierte Demonstration gegen alle Anfeindungen verstehen. Die Budapester Situation wird dadurch kompliziert, dass es neben dem jüdischen Museum seit 2004 in der Páva-Synagoge ein Dokumentationszentrum namens Holokauszt Emlékközpont (hdke.hu) gibt, ein nach amerikanischem Vorbild gestaltetes Holocaust Memorial Center.
Damit nicht genug: Die Regierung plant in Ergänzung zum Haus des Terrors (Terror Háza), das sich der leidvollen Geschichte Ungarns während des Nationalsozialismus und der sowjetischen Tyrannei widmet, ein Haus der Schicksale, das die Erinnerung an die Deportation ungarischer Juden wachhalten soll. Ursprünglich war Mária Schmidt, die revisionistische und zumindest latent antisemitische Chefhistorikerin der rechtspopulistischen Regierung von Viktor Orbán, als Leiterin vorgesehen. Nach Protesten, die vor allem der Befürchtung galten, dass die Rolle der Einheimischen im Holocaust heruntergespielt würde, gibt es seit September 2018 ein neues Planungskomitee unter Rabbi Slomó Köves. (Gregor Dotzauer)
Moskau
Nr. 10: Jüdisches Museum in Moskau
Das Russische Kaiserreich war im 19. Jahrhundert der Schauplatz des gewalttätigsten Antisemitismus. Es genügt, an den Begriff Pogrom – eigentlich: Zerstörung – zu erinnern. Dabei spielten sich die Gewalttaten im sogenannten „Ansiedlungsrayon“ ab, den seit Katharina der Großen für jüdische Besiedlung freigegebenen westlichen Landesteilen, die heute zu Polen, Weißrussland und der Ukraine gehören. Gleichwohl ist der Antisemitismus tief im russischen Alltag verwurzelt. Es war daher ein deutliches Zeichen, mit dieser Vergangenheit zu brechen, als im Jahr 2012 das Jüdische Museum eröffnet wurde. Untergebracht ist es in der denkmalgeschützten Bachmetjewski-Autobusgarage, einem Meisterwerk des konstruktivistischen Architekten Konstantin Melnikow aus dem Jahr 1927.
Zuvor war dort die Avantgarde-Einrichtung untergebracht, die ihren Namen „Garage“ vom Bauwerk herleitete und seither in den populären Gorki-Erholungspark übersiedelt ist. Der Hauptfinanzier ist bei beiden Einrichtungen derselbe: Roman Abramowitsch, im Westen als Eigner des Londoner Fußballklubs Chelsea bekannt. Ihm gesellte sich für das Jüdische Museum Viktor Wechselberg zu, dessen Sammlung der am Zarenhof beliebten Fabergé-Eier vor Jahren auch in Berlin gastierte.
Umgerechnet 50 Millionen Dollar soll die Einrichtung gekostet haben, dessen Gestaltung Ralph Applebaum aus New York besorgte: Er ist derzeit beim Berliner Humboldt Forum als Designer tätig. Auf 8500 Quadratmetern Grundfläche entstand eine Dauerausstellung, die das Museum selbst als Edutainment charakterisiert: 3-D-Installationen lassen den Besucher in ein Schtetl eintreten oder an einer Sabbatfeier teilnehmen. Außerdem kann man ein Literatencafé in Odessa besuchen oder die Oktoberrevolution erleben. Musik und Geräusche bilden eine permanente Hörkulisse, interaktive Bildschirme und riesige Monitore senden unablässig visuelle Botschaften.
Antisemitismus ist in Russland immer noch virulent
Derlei Technikverliebtheit hat von westlichen Besuchern Kritik erfahren. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Geschichte der Juden in Russland und der Sowjetunion jahrzehntelang nicht vermittelt werden durfte. Appelbaum Associates verweisen darauf, dass für die Inhalte der eigens produzierten Videos Hunderte von Zeitzeugen interviewt wurden, um eine historisch richtige und authentische Botschaft zu vermitteln.
Ein besonders heikles Thema ist der jüdische Anteil am Bolschewismus in der Frühzeit Sowjetrusslands. Eine Tatsache, die später bewusst verzerrt wurde, nicht zuletzt von der NS-Propaganda. Doch auch in der Sowjetunion selbst war es seit der Stalin-Zeit tabu, darüber zu sprechen; ebenso wie über den massiven Antisemitismus, den Stalin schürte und der auch in der Breschnew-Zeit immer wieder aufflammte. Die Rolle der Roten Armee bei der Befreiung der NS-Vernichtungslager – auch dies ein verdrängtes Thema – wird hervorgehoben, wie überhaupt der Anteil einer halben Million jüdischer Soldaten am Sieg über das NS-Regime.
Träger des Museums – der vollständige Name lautet Jüdisches Museum und Zentrum für Toleranz – ist die Gesellschaft der jüdischen Gemeinden in Russland. An der sich über sechs Jahre erstreckenden Erarbeitung der Museumskonzeption war eine achtköpfige Kommission von Fachleuten unter anderem aus den USA und Israel beteiligt. Besucherzahlen veröffentlicht das Museum nicht, doch ist von bis zu 3000 Besuchern am Wochenende die Rede. Derzeit wird eine Ausstellung über „Die Gerechten unter den Völkern und ihre Geschichten“ gezeigt, die in Zusammenarbeit mit Yad Vashem und dem Holocaust Museum in Washington entstand. Zu besichtigen ist das Museum übrigens erst nach Passieren einer Hochsicherheitsschleuse. Vor ein paar Jahren wurde der damalige Museumsleiter ganz in der Nähe des Gebäudes niedergeschossen und schwer verletzt. Antisemitismus ist in Russland immer noch virulent. (Bernhard Schulz)
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