Peter Schäfer geht nach Kritik: Direktor des Jüdischen Museums Berlin tritt zurück
Die Kritik an ihm war zuletzt immer lauter geworden. Nun zieht Museumsdirektor Schäfer die Konsequenz. Der Zentralrat der Juden begrüßt den Schritt.
Der Druck war am Ende doch zu groß: Peter Schäfer, Direktor des Jüdischen Museums Berlin (JMB), ist am Freitag von seiner Position zurückgetreten, „um weiteren Schaden vom Museum abzuwenden“, wie es in einer Pressemitteilung heißt. Auslöser war ein unglücklich formulierter Tweet des Museums vom vergangenen Sonntag mit einer Leseempfehlung, die man als Unterstützung der gegen Israel gerichteten BDS-Bewegung missverstehen kann.
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, hatte deshalb am Dienstag – ebenfalls auf Twitter – harsche Kritik an Schäfer geübt und die Frage gestellt, ob der Direktor seiner Aufgabe noch gewachsen sei. Das Vertrauen der Jüdischen Gemeinschaft habe die Leitung des Hauses verspielt, so Schuster.
In der „taz“ bekräftigt er noch einmal seine Kritik: Er fände es nicht schlecht, wenn es künftig eine jüdische Leitung im Jüdischen Museum Berlin gäbe. Dies sei nicht zwingend, aber das Jüdische müsse im Haus mehr Einfluss haben. Nicht zuletzt wegen dieser Äußerungen dürfte Schäfer nun zurückgetreten sein.
Der Zentralrat der Juden begrüßte dann auch den Rücktritt Schäfers. „Es ist ein wichtiger Schritt, um weiteren Schaden von der Institution abzuwenden“, hieß es in einer Stellungnahme von Schuster.
Ähnlich äußerte sich Lea Rosh, Mitinitiatorin des Denkmals für die ermordeten Juden Europas in Berlin. Sie sagte dem Tagesspiegel, einem so wichtigen Haus wie dem JMB sei eine lange Diskussion um die Leitung abträglich: „Der Rücktritt von Peter Schäfer hatte sich angekündigt, nicht erst beim unglücklichen BDS-Retweet, sondern bereits bei der kritikwürdigen Jerusalem-Ausstellung.“ Zuvor sei schon die Wahl von Léontine Meijer-van Mensch als Programmdirektorin des Museums ein Minus gewesen.
Für die Neubesetzung des Führungspostens am JMB positionierte sich Rosh klar: „Der Nachfolger oder die Nachfolgerin von Peter Schäfer muss ein Jude oder eine Jüdin sein.“
Er wollte, dass sein Haus ein neutrales Forum ist
Peter Schäfer (75) ist ein mehrfach ausgezeichneter Judaist mit Spezialisierung auf die Antike und das frühe Mittelalter. Er übernahm 2014 die Leitung des Jüdischen Museums Berlin, des größten jüdischen Museums in Deutschland, in Nachfolge von Gründungsdirektor W. Michael Blumenthal. Im Tagesspiegel-Interview von Donnerstag hatte er den BDS-Tweet noch außerordentlich bedauert, aber betont: „Das Jüdische Museum Berlin hat seine Aufgabe immer darin gesehen, ein Forum anzubieten für Diskussionen auch über strittige Fragen. Es war nie seine Aufgabe, in politischen Tagesfragen Partei zu sein und Stellung zu nehmen.“ Die Pressesprecherin des Museums musste am Donnerstag gehen.
Jetzt also Schäfer selbst – obwohl der Stiftungsrat des Museums eigentlich seinen Vertrag noch einmal um ein Jahr bis 30. September 2020 verlängert hatte, damit er von ihm angestoßene Projekte wie die neue Dauerausstellung, die nächstes Jahr eröffnet, und das Kindermuseum noch begleiten kann.
Das JMB beziehungsweise die Stiftung, die es trägt, ist eine Einrichtung des Bundes, Kulturstaatsministerin Monika Grütters leitet den Stiftungsrat. Sie hatte noch Anfang der Woche auf Anfrage der „Jüdischen Allgemeine“ ihr Befremden über den Tweet des Museums geäußert, aber betont, dass „das erfolgreiche Konzept des JMB dadurch nicht in Frage gestellt wird.“
Jetzt hat sie Schäfers Rücktrittsgesuch angenommen. „Ich respektiere die Entscheidung von Professor Peter Schäfer und danke ihm für seine Arbeit. Ich bin zuversichtlich, dass das Team des Jüdischen Museums die von ihm angestoßenen Projekte, zu einem guten Abschluss bringen wird“, so Grütters.
Die Vorwürfe gegen Schäfer kommen von jüdischer Seite in Deutschland und aus Israel – und haben sich im vergangenen Jahr gehäuft. Nicht immer waren sie gerechtfertigt, in einigen Fällen eindeutig politisch motiviert. Höhepunkt war ein Schreiben Benjamin Netanjahus an Bundeskanzlerin Angela Merkel, in dem der israelische Ministerpräsident – unter Umgehung aller diplomatischen Gepflogenheiten – der Bundesregierung nahelegte, die Förderung des Museums einzustellen.
Auf Netanjahus Unmut stieß die vor kurzem zu Ende gegangene Ausstellung „Welcome to Jerusalem“, weil sie angeblich die israelische Sicht auf die Heilige Stadt nicht ausreichend berücksichtige. Ein Einschätzung, die man auch nach mehrmaligem Besuch der Ausstellung nicht nachvollziehen kann.
„Schöne, aber langweilige Ausstellungen“ wollte Peter Schäfer nie machen. Er scheint sich aber der Brisanz seines Amtes nicht immer ganz bewusst gewesen zu sein und die Sprengkraft, die im Themenkomplex Israel, Palästina und BDS liegt, unterschätzt zu haben. Wenn er, wie im März geschehen, Seyed Ali Moujani durchs Museum führt – den Kulturrat Irans, also eines Staates, der Israel mit Vernichtung droht – dann ist es zwar möglich, aber äußerst schwierig, dies noch mit der „Forumsfunktion des Museums“ zu rechtfertigen.
Dennoch gehört einiges an schlechtem Willen dazu, den aktuellen Tweet – dass dort nur die Anführungszeichen oder der Konjunktiv fehlen, die ihn als Zitat ausweisen, ist leicht zu erkennen – als BDS-nah, antiisraelisch oder antisemitisch zu interpretieren. „Wer sich antisemitisch äußert oder das Existenzrecht Israels bestreitet, hat bei uns keinen Platz“, hat Schäfer eindeutig im Tagesspiegel-Interview klargestellt.
Ende eines Experiments
Dass ein nicht-jüdischer Wissenschaftler ein so bedeutendes jüdisches Museum leitet, war ungewöhnlich, aber ein interessantes Experiment, sein Scheitern ist zu bedauern. Vorerst übernimmt der Geschäftsführende Direktor Martin Michaelis die Leitung des JMB.
Monika Grütters hat für den 20. Juni eine Sondersitzung des Stiftungsrats einberufen. „Alle Verantwortlichen müssen dazu beitragen, dass sich das Jüdische Museum Berlin wieder auf seine inhaltlich wichtige Arbeit konzentrieren kann“, so Grütters. Eine Kommission hat bereits vor einige Zeit mit der Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger für Peter Schäfer begonnen, sie muss ihre Arbeit jetzt deutlich beschleunigen.
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